Bitterer konnte es für Felipe Massa kaum kommen: Ausgerechnet am Jahrestag seines schweren Unfalls von Budapest 2009, der ihn damals leicht die Karriere oder vielleicht sogar sein Leben hätte kosten können, musste er sich in Hockenheim der Ferrari-Stallorder beugen.

Und jetzt kommt er an den Hungaroring zurück, dorthin, wo ihn vor einem Jahr eine weggeflogene Feder vom Auto seines Landsmanns Rubens Barrichello am Helm traf und schwer verletzte - und muss damit leben, dass er genau in diesem Moment in seiner Heimat Brasilien, die ihn eigentlich seit seinem Vize-WM-Titel 2008, dann dem Unfall und seinem Comeback in dieser Saison ins Herz geschlossen hatte, sehr, sehr viele Sympathien verloren hat.

Kritik in der Heimat

Felipe Massa muss in der Heimat harsche Kritik einstecken, Foto: Sutton
Felipe Massa muss in der Heimat harsche Kritik einstecken, Foto: Sutton

Auch wenn Massa erst nicht wahrhaben wollte, wie sehr ihm Hockenheim zu Hause schaden würde und er fast trotzig behauptete, er habe doch "nur gezeigt, wie professionell ich bin": Er braucht sich nur ein bisschen im Internet umzuschauen, um zu sehen, wie die Stimmung umgeschlagen hat. Nicht unbedingt in den professionellen Medien - aber bei der Masse der Fans, die ihn jetzt als "Weichei", typischen Verlierer oder als rückgratlos und ohne Ehre bezeichnet, der sein Land verraten habe.

Der Brasilianer hat dabei mit der Mischung aus dem Stolz, aber auch mangelndem Realitätssinn und völlig fehlendef Sachkenntnis seiner Landsleute zu kämpfen: Die wollen ihre Leute siegen sehen - alles andere ist egal. Die Einsicht, dass Massa - wie damals auch Rubens Barrichello 2002 in Zeltweg bei dem Befehl, Michael Schumacher vorbeizulassen - gar keine andere Chance hatte, als die zu gehorchen, dringt zu den Fans dort nicht durch, auch wenn er theoretisch einen unterschriebenen Vertrag für 2011 hat - so stark ist seine interne Position nie im Leben, dass er sich die Missachtung einer Teamorder hätte leisten können, ohne ganz schnell draußen zu sein.

Die eindeutigen Funksprüche seines Renningenieurs Rob Smedley und das demonstrative vom Gas gehen von Massa auf der Geraden - das war schon das absolute Maximum an Protest und Widerstand, das sich das Massa-Lager gerade noch erlauben konnte, ohne einen Rausschmiss zu riskieren.

Alles auf Alonso

Natürlich ist Massa insgesamt in der ganzen Situation auch ein "Opfer" der Stärke von Fernando Alonso. Nicht nur der fahrerischen, sondern auch der politischen des Spaniers. Der war schon in seiner Renault-Zeit, als er seine beiden ersten WM-Titel holte, bekannt dafür, lautstark zu protestieren, sollte er einmal das Gefühl haben, dass das Team nicht alle Karten einzig und allein auf ihn setzte und auch einmal dem Teamkollegen, damals Giancarlo Fisichella, eine Chance gebe, sollte der tatsächlich einmal einen besseren Tag erwischt haben.

Und die Erfahrung bei McLaren-Mercedes, als sich tatsächlich einiges eher um den dortigen Liebling Lewis Hamilton drehte als um ihn, hat ihn in diesem Punkt eher noch empfindlicher und vorsichtiger gemacht. So, dass er gleich nach seiner Ankunft bei Ferrari im Hintergrund mit dem Strippenziehen anfing, dabei mit Sicherheit auch die Hausmacht durch Sponsor Santander nutzte, der schließlich in erster Linie wegen ihm zu den Roten kam.

So brachte er Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo dazu, schon vor einigen Wochen intern die Parole auszugeben, "alle Konzentration auf Alonso." Und als er dieses Privileg nun während des Hockenheim-Rennens lautstark einforderte, indem er es als "lächerlich" bezeichnete, dass Massa es wagte, einen seiner Angriffe auf der Strecke doch tatsächlich abzuwehren, da beugte sich Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali dem Druck - ob wirklich mit soviel innerer Überzeugung wie im Nachhinein kundgetan, sei einmal dahingestellt...

Machtlosigkeit bei Massa

Massa möchte die Antwort auf der Strecke geben, Foto: Sutton
Massa möchte die Antwort auf der Strecke geben, Foto: Sutton

Massa kann da nur versuchen, alles von sich abprallen zu lassen, tatsächlich das zu tun, was er zu tun behauptet: Sich auf das nächste Rennen zu konzentrieren und den Rest der Welt zu ignorieren. Bruno Senna, der die Informations- und Fan-Problematik in Brasilien bestens kennt und auch manchmal zu spüren bekommt, macht ja oft schon genau das.

"Gar nichts mehr lesen, sich überhaupt nicht mehr drum kümmern, was da so gesagt wird. Sonst muss man sich nur dauernd ärgern." Einfach ist das "Abschalten" aber nicht, genauso wenig, wie in dieser Situation die Motivation zu behalten. Massa versucht wohl zu glauben, dass er sich auf Teamaussagen, in Zukunft dürfe er auch wieder gewinnen, verlassen könne.

Aber schließlich hat er auch schon ganz anderes geschafft und Erfahrungen hinter sich wie nur wenige andere. Zum Beispiel die, vor einem Jahr dem Tod von der Schippe gesprungen zu sein: "Eine Situation durchlebt zu haben, in der man nicht weit weg vom Tod war, und dann zu merken, dass meine Zeit eben offenbar noch nicht gekommen war, das prägt schon." Was sind dagegen schon Imageprobleme oder auch ein verpasster Sieg...