Verwundert rieb sich die DTM-Welt auf dem Norisring die Augen: Untypisch schien für den zweifachen Champion Mattias Ekström der Verbremser in der letzten Kurve, der Titelfavorit Timo Scheider in letzter Sekunde noch auf Platz drei vorrücken ließ. Von einem anschließend im Parc fermé auffallend trübsinnigen Abt-Audi-Piloten berichtete man sich im Anschluss an das Rennen. Und erhob - wie im Falle von Mercedes-Sportchef Norbert Haug - bereits durch die Blume Stallordervorwürfe gegen die Ingolstädter.

Zwar siegte in Zandvoort Ekström vor Scheider, obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, den Schweden mithilfe einer vermeintlich ungeschickten Boxenstopptaktik hinter Scheider zu beordern. Im Titelkampf scheinen die Ingolstädter auf ein schlagkräftiges, gleichberechtigtes Duo aus Timo Scheider und Mattias Ekström zu setzen. Doch wie akut werden im Endspurt der Saison die Spekulationen um Verstöße gegen das Stallorderverbot noch werden? Der Audi-Sportchef gab sich schon zu Beginn der Saison gelassen.

"Wenn man Stallorder in der Vergangenheit angewendet hat, dann nur in Extremfällen. Erst wenn man sich in der zweiten Saisonhälfte in die entsprechende Meisterschaftsposition gebracht hatte, hat man überhaupt erst an Stallorder gedacht", sagte Dr. Wolfgang Ullrich, der 2007 mit der Teamorder von Zandvoort für Aufsehen sorgte. "Das ist nun auf allgemeinen Wunsch hin nicht mehr möglich, denn für den Zuschauer ist es wichtig, dass es auch markenintern zu Zweikämpfen kommt."

Die Härte der teaminternen Kämpfe gegen Ekström dürfte sich in der Restsaison in Grenzen halten, Foto: Audi
Die Härte der teaminternen Kämpfe gegen Ekström dürfte sich in der Restsaison in Grenzen halten, Foto: Audi

Und doch ist es verständlich, dass weder in Audi- noch in Mercedes-Reihen ein allzu teaminterner Kampf gegen die eigenen Titelkandidaten gern gesehen wäre. In punkto Teamfähigkeit setzt man daher auf die Eigeninitiative der Piloten. "Wenn nicht extrem viel bei Timo schief geht, ist der Zug in der Meisterschaft für mich abgefahren", gibt sich Martin Tomczyk realistisch. "Natürlich fahre ich noch um eigene Platzierungen und durchaus auch den Sieg. Aber ich wäre schon jetzt bereit, Timo oder Mattias unter die Arme zu greifen."

Wer ihn kenne, der wisse, dass er seine Teamkollegen in der aktuellen Meisterschaftssituation nicht im Stich lasse, lässt Tomczyk wissen - und betont, mögliche Hilfestellungen nicht auf Geheiß des Kommandostands zu leisten: "Die Spekulationen um Teamorder gibt es immer. Aber wenn wir im letzten Rennen sind, werde ich Timo sicher nicht bis aufs Messer bekämpfen - aber so viel Intelligenz sollte man als Fahrer auch selbst aufbringen." Auch Tom Kristensen gibt sich wie schon im Vorjahr kooperationsbereit: "Im letzten Jahr habe ich Martin und Mattias geholfen. Ich fahre für Audi - und die Hilfe leiste ich auch diesmal gerne."

Auch aus eigenem Interesse will Dr. Ullrich darauf verzichten, Druck auf die potenziellen Meisterschaftsgehilfen auszuüben - gilt es doch, ihre Motivation aufrechtzuerhalten. "Martin hat immer wieder gezeigt, dass er schnell sein kann. Momentan sieht die Meisterschaftsposition für Tom und Martin nicht gut aus, aber es ist wichtig, dass wir weiterhin vier starke Abt-Audi-Piloten haben", führt der Audi-Sportchef aus. Die Schlussfolgerung scheint logisch: "Jeder Punkt, den sie erzielen, hat ein Mercedes nicht gemacht."