Nach dem Qualifying auf dem Nürburgring haben wir noch einmal die kontroversen Diskussionen zwischen den Herstellern gesehen, die weite Teile der letzten Saison bestimmt haben. Nun beklagen viele Fans, dass die Rennen zu unspektakulär geworden sind - aus deiner Sicht verständlich?
Jamie Green: Meine Aufgabe ist nicht die Rennen interessant zu machen sondern meine AMG Mercedes C-Klasse so schnell wie möglich zu bewegen und möglichst zu gewinnen. Es ist nicht leicht, immer ein gewisses Maß an Spannung konstant in allen Rennen zu haben. Mit dem Sportlichen Reglement von 2007 war es möglich, dass ein langsamer Fahrer ohne Boxenstopp die schnelleren Fahrer aufhielt, die bereits zum Boxenstopp erschienen waren. Das war nicht wirklich fair - aber vielleicht hatten die Rennen dadurch scheinbar mehr Brisanz. Es ist schwer, die richtige Balance zwischen einem fairen und einem spannenden Rennen zu finden.

Erhoffst du dir Verbesserungen durch die Ausweitung des Boxenstoppfensters?
Jamie Green: Das größere Fenster gibt uns mehr Flexibilität. Vielleicht werden wir künftig wieder mehr Spannung in taktischer Hinsicht erleben.

Vor genau einem Jahr auf dem Nürburgring warst du nach fast 30 Rennen noch sieglos und standest in der Kritik, nachdem Mattias Ekström relativ einfach an dir vorbei aufs Podium fahren konnte. Was hat sich seither bei dir getan?
Jamie Green: Ich bin in diesem Jahr in einer stärkeren Position als je zuvor. Ich bin zufriedener und entspannter als im letzten Jahr - und ich zeige eine konstant gute Leistung. Vieles hat sich für mich in den letzten zwölf Monaten zum Positiven gewandelt.

Hat sich deine mentale Herangehensweise oder dein Fahrstil geändert?
Jamie Green: Mein Fahrstil hat sich nicht wirklich geändert. Ich bin generell glücklicher mit meinem Leben als im letzten Jahr, und dass ich entspannter an alles herangehe, hat sich auch positiv auf meine Leistungen im Cockpit ausgewirkt. Ich glaube an mich selbst und habe endlich zeigen können, was in mir steckt. Das hat einigen Druck von meinen Schultern genommen.

Der Druck ist von Jamie Green abgefallen, Foto: DTM
Der Druck ist von Jamie Green abgefallen, Foto: DTM

Dafür lastet nun der Druck auf dir, Mercedes als Speerspitze im Titelkampf vertreten zu müssen.
Jamie Green: Meine Aufgabe besteht darin, das Beste aus meinem Potenzial herauszuholen. Es geht nicht nur um die Erwartungen, die Mercedes-Benz an mich stellt. Ich habe sehr hohe Ansprüche an mich selbst. Mein Anspruch war immer, in der DTM an die Spitze zu kommen.

Oft wurde von außen spekuliert, dass du unter mentalem Druck zu Fehlern neigst. Wie viel war jemals da dran?
Jamie Green: Es ist immer einfach für die Zuschauer, von außen irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Die Hauptsache ist, dass man selbst versteht, was wichtig ist und was man zu tun hat. Ich habe in der Tat lange dafür gebraucht, am Start die richtige Technik zu finden. Oftmals sind die Starts schief gegangen, als ich aus der ersten Reihe gestartet bin. Aber auch 2006 gab es durchaus auch die guten Starts - wie auf dem Norisring von der Pole aus oder in Brands Hatch, als ich mit Tom Kristensen Seite an Seite in die erste Kurve gegangen bin. Es war nie so, dass mir alle Starts missglückt sind - nur sind die Fehler 2006, als ich oft von der Pole Position aus startete, besonders aufgefallen.

Wie denkst du aus heutiger Sicht über die damalige Saison?
Jamie Green: Nicht so negativ, wie man annehmen könnte. Umgekehrt sind in diesem Jahr auch nicht alle meine Starts gelungen. In Zandvoort zum Beispiel habe ich leider auf den ersten Metern an Boden verloren, aber das ist von meiner Startposition aus nicht so sehr aufgefallen. 2006 sind einige Fehler aus einem gewissen Erfahrungsdefizit heraus entstanden. In Brands Hatch habe ich mich in Führung liegend zu sehr unter Druck setzen lassen. Vielleicht habe ich damals manchmal zu viel gewollt - aber es ist besser, die Grenzen auszutesten, als allzu vorsichtig an alles heranzugehen.

Wie siehst du deine Titelchancen verglichen mit den beiden Audi-Rivalen?
Jamie Green: Zwei von den vier verbleibenden Rennen finden auf Strecken statt, auf denen ich schon 2007 gewonnen habe - Barcelona und Hockenheim. In Le Mans war ich 2006 durchaus konkurrenzfähig, auch mit Brands Hatch habe ich keine Probleme.

Was erwartest du dir vom kommenden Rennen in Brands Hatch?
Jamie Green: Es ist auf alle Fälle schön, vor heimischem Publikum zu fahren. Es wird interessant sein zu sehen, wie viele Zuschauer dort sein werden. Für die Fans in Brands Hatch ist es auf jeden Fall schön, dass ein Viertel der DTM-Cockpits britisch besetzt sind und da hoffe ich auf Unterstützung.