Ein gewöhnlicher Samstagvormittag in der DTM: Das Fahrerlager füllt sich allmählich, die Tribünen sind bereits etwas besser besetzt als am Vortag, die Teams kämpfen beim Erarbeiten des passenden Qualifying-Setups während des freien Trainings mit der Zeit - und müssen mit weiterem Zeitverlust ebenso rechnen wie mit dem gnadenlosen Aufdecken von Fehlern und Verstößen: Ging es an den Tagen zuvor in den Boxen der Technischen Abnahme mit Reifenverlosung, erster Fahrzeugsichtung und Kontrolle sicherheitsrelevanter Bauteile noch vergleichsweise unverfänglich zu, so wird die Einhaltung des Technischen Reglements nun umso akribischer kontrolliert. Ohne Vorankündigung werden während des freien Samstagstrainings nach dem Zufallsprinzip DTM-Boliden zur Technischen Abnahme aus dem Testverkehr gezogen.

Von Checklisten & Checksummengeräten

Rund 30 Kommissare und lokale Helfer kontrollieren das technische Fairplay, Foto: DEKRA
Rund 30 Kommissare und lokale Helfer kontrollieren das technische Fairplay, Foto: DEKRA

Das Ingenieurswissen des Technischen Kommissars Volker Noeske sowie seiner Kollegen, die DTM-Partner DEKRA zu den zehn Saisonläufen entsendet, ist fortan umso mehr gefragt. "Im Prinzip können alle Punkte des Reglements kontrolliert werden; beispielsweise die Reifen oder die Verplombungen der Bremsen und Motoren", nennt Noeske im Gespräch mit der adrivo Sportpresse Elemente einer möglichen Checkliste, die sich beliebig erweitern lässt: "Ebenso werden das Gewicht und die Bodenfreiheit überprüft. Auch die Kontrolle des Innenlebens der Einheitsgetriebe steht regelmäßig auf dem Programm. Es werden Kraftstoffproben genommen und mit der Referenzprobe des Aral-Kraftstoffs verglichen. Auch das Gewicht der Fahrer wird kontrolliert, zudem alle Abmessungen des Fahrzeugs, da die Kontur des Fahrzeugs festgelegt ist."

Ein aufwändiges Programm, das ohne technische und personelle Unterstützung kaum zu leisten ist: Neben klassischen Instrumenten wie Waagen und Schablonen, die mit dem aerodynamischen Profil des jeweiligen Fahrzeugtyps und -jahrgangs übereinstimmen müssen, kommt beim Prüfungsprozedere auch Hightech zum Einsatz: Ein Checksummengerät ermöglicht die Kontrolle der Fahrzeugelektronik - kann jedoch bei Unsicherheiten im Detail die Unterstützung durch Spezialisten von DTM-Elektronikpartner Bosch nicht ersetzen. Auch die Überprüfung des verwendeten Kraftstoffes muss einem Kraftstoffanalysten überlassen werden, der mithilfe eines Gaschromatografen die einzelnen Bestandteile des Spritgemisches auftrennen und so kontrollieren kann.

Dass schon allein aus Zeitgründen nicht jedes der 20 DTM-Fahrzeuge nicht mehrfach auf die Einhaltung sämtlicher Vorschriften des Technischen Reglements kontrolliert werden kann, versteht sich von selbst: "Es wird nicht immer alles bei jedem kontrolliert. Während der Trainingsläufe werden die Fahrzeuge nach dem Zufallsprinzip in die Boxen der Technischen Abnahme gewinkt, sie werden gewogen und die Bodenfreiheit wird kontrolliert", beschreibt Noeske das Auswahlverfahren, "ansonsten werden grundsätzlich die ersten Drei des Qualifyings und des Rennens kontrolliert - dazu nach dem Zufallsprinzip rund zwei weitere Fahrzeuge." Doch auch abseits der Sessions eines Rennwochenendes sind die Teams vor Kontrollen nicht sicher:

Kommissare im Außendienst

Ohne Computertechnik geht auch bei der Technischen Abnahme nichts, Foto: DEKRA
Ohne Computertechnik geht auch bei der Technischen Abnahme nichts, Foto: DEKRA

Während der ohnehin verplombte Motor beim Prüfverfahren an der Rennstrecke nur eine Nebenrolle spielt, wird er bei "Hausbesuchen" umso intensiver unter die Lupe genommen. So führen die Dienstreisen Volker Noeskes und seiner DEKRA-Kollegen mitunter auch in die Werkshallen der Teams: "Verändert werden darf generell nichts an den Motoren. Es gibt Ventilspielkontrollen, zu denen auch ein Technischer Kommissar mitfährt. Es wird dabei nur der Ventildeckel geöffnet, das Ventilspiel wird kontrolliert und kann eingestellt werden." Aufwändiger gestaltet sich die Motorrevision, während derer das Team kleinere Wartungsarbeiten am Motor erledigen darf - allerdings unter strenger Kontrolle eines Technischen Delegierten.

Und der Fall Paffett? Mehr als zwei Jahre später fällt Volker Noeske kaum ein vergleichbarer Fehler ein, der den Mechanikern des Teams fortan unterlaufen ist. "Aus dem damaligen Vorfall hat man gelernt. Bis zu diesem Zeitpunkt mussten im Tank nach eineinhalb Liter Restmenge sein - das endete in dem Ausbau der Tanks. Deswegen ist das Reglement modifiziert worden", erklärt Noeske, "jetzt muss noch ein Kilogramm Kraftstoff am Entnahmestutzen zu entnehmen sein; das heißt ohne den Tank auszubauen. Der Schlauch wird an den Kraftstoffstutzen angeschlossen und es wird so lange gepumpt, bis das Kilo erreicht ist." Es war seit 2000 eine von nur wenigen Änderungen im Prozedere der Technischen Abnahme der DTM-Boliden - die weit mehr Arbeit umfasst als das Aufdecken seltener, aber folgenschwerer Missgeschicke am Rennsonntag...