EuroSpeedway 2004, Sonntag, 19.55 Uhr: Rund viereinhalb Stunden, nachdem Gary Paffett auf dem Podest seinen zweiten DTM-Triumph feiern durfte, sinkt die Stimmung des Briten von himmlischen Höhen in ungeahnte Tiefen. Dass Paffett während der Auslaufrunde wegen Spritmangels ausgerollt war und von einem Fahrzeug der Streckensicherung ins Parc fermé geschleppt werden musste, hatte er im Siegesrausch noch für eine Nebensächlichkeit gehalten. Eine Einschätzung, die die Technischen Kommissare nicht teilen können: Im Rahmen der Technischen Abnahme stellen sie im Tank seiner Mercedes C-Klasse eine Restbenzinmenge von 350 Millilitern fest - eindeutig weniger als die vorgeschriebenen 1,5 Litern, eindeutig zu wenig für eine Referenzprobe, die die Legalität des eingefüllten Sprits hätte beweisen können. Paffett wird disqualifiziert, neuer Sieger ist Mattias Ekström.

Hinter den Kulissen

Diesmal wird Bernd Schneider aus dem Verkehr gezogen..., Foto: DEKRA
Diesmal wird Bernd Schneider aus dem Verkehr gezogen..., Foto: DEKRA

Es war einer der wenigen Tage, an dem die Arbeit Volker Noeskes, damals benannter Zeuge im Berufungsfall Paffett, in den Mittelpunkt des Interesses rückte. Als einer von sechs Technischen Kommissaren, die aus dem Technikerkader von DTM-Partner DEKRA gestellt werden, fördert er im Rahmen der Technischen Abnahme zwar nur selten Verstöße der Teams zu Tage, deren Bestrafung ganze Ergebnislisten über den Haufen wirft:

"Wenn wir etwas beanstanden, handelt es sich meist um einfache Nachlässigkeiten, wenn zum Beispiel ein Team etwas Kraftstoff vom Testen noch im Tank gelassen hat, kann der Kraftsstoff bereits nicht mehr mit der Referenzprobe übereinstimmen und wird beanstandet. Insgesamt sind wir zum Glück recht arbeitslos", berichtet Noeske gegenüber der adrivo Sportpresse mit einem Schmunzeln - liegen doch hinter dem DEKRA-Ingenieur und seinen Kollegen am Rennwochenende bereits mehrere Tage der Vorbereitung auf ein komplexes Prüfungsprozedere, von dem die Zuschauer nur wenig mitbekommen: Selbst ein Blick ins Sportliche Reglement, Artikel S11, verrät dem DTM-Fan kaum etwas davon, was sich hinter den meist verschlossenen ersten Toren des Boxengebäudes abspielt.

Noch bevor die beiden Hersteller im Fahrerlager ihre Zelte aufschlagen, wird hier mit Hochdruck am Aufbau des technischen Equipments gearbeitet. "Es werden in einem eigenen LKW eine Messplatte aus Karbon, Waagen, Schablonen für die Fahrzeugkonturen und ein Gaschromatograf für die Kraftstoffproben mitgenommen - ein gehöriger Aufwand. Das Ganze wird schon ab Montag vor dem Rennen aufgebaut", beschreibt Volker Noeske. Das Team der Technischen Kommissare, die zugleich das technische Fairplay in der Formel 3 Euroserie sicherstellen, bekommt in den folgenden Tagen Gesellschaft: 20 lokale Helfer greifen den DEKRA-Technikern während des Rennwochenendes unter die Arme, ein Kraftstoffanalyst wacht über die Verwendung des richtigen Sprits, ein Technischer Delegierter des DMSB kontrolliert die Abläufe.

Erste Ermittlungen

Angekommen: Schneiders Dienstwagen wird in Augenschein genommen, Foto: DEKRA
Angekommen: Schneiders Dienstwagen wird in Augenschein genommen, Foto: DEKRA

Rund 21 Stunden, bevor die 20 DTM-Boliden ihre Boxen erstmals zum Roll-out verlassen, beginnt die Arbeit mit einer Routineübung: Donnerstags um 12:00 Uhr steht die Reifenverlosung auf dem Programm, im Rahmen derer den Piloten ihr Kontingent an Trockenreifen für das bevorstehende Wochenende zugewiesen wird. Wenig später wird es bereits ernster: Um 14:30 Uhr folgt eine erste Technische Abnahme, die ihrem Namen allerdings nur bedingt gerecht wird. Volker Noeske umreißt eine Checkliste mit eher begrenztem Fehlerpotenzial: "Dort geht es hauptsächlich um die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften. Es wird noch nichts Technisches kontrolliert; stattdessen all solche sicherheitsrelevanten Dinge wie Feuerlöscher, Überrollkäfig und Sicherheitsgurte."

Auch die Ruhe des Testfreitags wird noch nicht durch allzu aufwändige Kontrollen unterbrochen. Neben einer ersten Vorführung der teilnehmenden DTM-Fahrzeuge vor Beginn des ersten freien Trainings werden lediglich die verwendeten Reifen in Augenschein genommen. Befinden sich die verlosten Reifensätze am korrekten Fahrzeug - oder hat ein Mechaniker versehentlich eine zweite Losung initiiert? Erste Flüchtigkeitsfehler schleichen sich ein, deren Konsequenzen allerdings noch überschaubar sind.

"Wenn wir einen Verstoß gegen das Reglement feststellen, schreiben wir eine Meldung an die Sportkommissare und den Renndirektor", berichtet Noeske, "diese entscheiden über die Höhe der Strafe - oder ob eine Strafe überhaupt verhängt wird." Je fortgeschrittener das Rennwochenende, desto wahrscheinlicher wird für Teams und Piloten eine solche unangenehme Überraschung: Ab dem Qualifying-Samstag wird die Einhaltung des Technischen Reglements peinlich genau kontrolliert - mit besonderer Konzentration auf die Top 3...