Mattias Ekström war sechs Jahre alt, als die automobilen Errungenschaften seines Heimatlandes im Ausland noch oftmals nur für bedingt begehrenswert gehalten wurden: Wahlweise mit älteren Herren im karierten Sakko mit Ellenbogenschützern oder in der Kombiversion mit jenem schwarz lackierten Fahrzeug assoziiert, mit dem ein jeder die "letzte Fahrt" antritt, fristete Volvo auf dem deutschen Markt eher ein Schattendasein. Volvo - 1984 noch ein Auto für sicherheitsbewusste Individualisten, zu deren lobenswerteren Eigenschaften es zählte, das Foto einer Radarfalle nur dann zu zieren, wenn sie sich von der Lichthupe des 3er-BMWs im Rückspiegel zu sehr hatten irritieren lassen...

Soweit das Klischee. Die Existenz sportlicher Qualitäten von Autos mit Volvo-Emblem war in Motorsportkreisen jedoch schon in den 80er-Jahren kein Geheimnis mehr. Im Rahmen der Tourenwagen-EM scheute sich Volvo nicht, mit den Modellen der 240er-Baureihe werksseitig auf Triumphjagd zu gehen - wenngleich selbst die zweitürige Version jener voluminösen Limousine, damals sogar ohne allgemeine Belustigung "Coupé" getauft, rein äußerlich kaum zur blechgewordenen Sportskanone taugte. Rasch hatten sich die Volvo-Boliden den Beinamen "Taxi" eingehandelt - so auch in der DTM-Welt...

(10) Wölfe im Elchspelz

Und obwohl die dortigen Volvo-Piloten nach damaligen Gepflogenheiten ohne Werksunterstützung auskommen mussten, gelang es bereits im DTM-Debütjahr 1984 auf Anhieb, den nicht nur auf Grund des Handicapreglements früher DTM-Jahre schweren Volvo 240 Turbo Respekt zu verschaffen: Zwar war der Titelkampf schon allein wegen der noch unregelmäßigen Volvo-Einsätze in BMW- und Rover-Hand - an so manchem Achtungserfolg änderte dies jedoch nichts. Bereits beim vierten Saisonlauf reichte es für Per Stureson - für den Schweden war es ebenso das erste DTM-Rennen wie für seinen Volvo - zu einem überlegenen ersten Sieg. Dass der skandinavische Erfolg keine Eintagsfliege darstellte, bewies Sturesons Landsmann Per-Gunnar Andersson beim zehnten Saisonlauf auf dem Hockenheimring:

Auch Andersson erklomm im 240 Turbo mit Rang zwei gleich bei seinem ersten DTM-Rennen das Podest. Dass das Duo Andersson/Stureson beim Finallauf auf dem Nürburgring die Ränge vier und sieben einfuhr, konnte bei 35 Rennteilnehmern, von denen 29 die Zielflagge sahen, ebenso als Erfolg gesehen werden wie die Pole Position Sturesons sowie die Schnellste Rennrunde von Seiten Anderssons - und gab zugleich die Richtung für 1985 vor. Dass sich im voluminösen Motorraum des Volvo 240 nur ein 2,1-Liter-Vierzylinderaggregat befand, stellte zwar auf den ersten Blick ein Kuriosum dar - angesichts der Turboaufladung des Motors schwammen die Volvo-Privatiers jedoch auf jener Turbo-Welle, die bis Ende der 80er-Jahre nicht abebben sollte.

So überraschte es nicht, dass das letzte Saisondrittel 1985 mit Klaus Ludwigs Ford Sierra ein weiterer Vertreter der Turbo-Fraktion dominierte. Dass die Titel-Avancen von Seiten Fords jedoch zu spät kamen, stellte jedoch ebenso wenig eine Überraschung dar: Als zu konstant hatte sich bis dahin insbesondere Per Stureson im eigenen IPS-Team erwiesen. Beim zweiten Saisonlauf, dem Flugplatzrennen in Wunstorf, hatte der Schwede seinen einzigen Saisonsieg eingefahren, um sich fortan auf konstante Platzierungen in den vorderen Punkterängen zu verlegen. Dass insbesondere die damals zahlreichen Flugplatzrennen, die die Vorteile des Turbo-Aggregats besonders zur Geltung kommen ließen, das Metier des Volvo 240 waren, bewies Per-Gunnar-Andersson ebenso wie Hans-Friedrich Peil:

Der Deutsche im Kissling-Team wurde ausgerechnet in einem silbernen Viertürer, der dem Taxi-Image nochmals besondere Ehre machte, mit zwei Erfolgen zweitsiegreichster Pilot hinter Klaus Ludwig und trat auch im Titelkampf bis zuletzt in Erscheinung - am Ende setzte sich jedoch mit einem deutlichen Abstand von 17,5 Punkten auf Rover-Pilot Olaf Manthey Per Stureson durch. Der Grundstein für einen Durchmarsch bis zum Ende der Turbo-Ära? Als Andersson und Stureson beim ersten Saisonlauf 1986 hinter Rover-Pilot Kurt Thiim souverän die Plätze zwei und drei belegten, schien es noch so; auch der zweite Volvo-Doppelsieg der DTM-Geschichte, den das schwedische Duo beim zweiten Saisonlauf in Hockenheim einfuhr, stimmte optimistisch.

Am Ende reichte es für Stureson und Andersson nur für die Meisterschaftsränge vier und acht, nachdem die gestiegenen Handicap-Gewichte für Turbo-Fahrzeuge den Schwedenstahl hatten zu Blei werden lassen. 1987 traten die betagten Boliden auf Basis des betagten, weil bereits 1974 gebauten 240ers ihre Abschiedstournee an. Die Göteborger Volvo-Werkshallen verließ das letzte Exemplar der skandinavischen Kolosse indes erst sechs Jahre, nachdem Stureson dem 240 Turbo auf dem Norisring einen letzten Podestplatz in der DTM beschert hatte. Und wenngleich Volvo nur ein vergleichsweise kurzes Kapitel der DTM-Geschichte prägte - auch in den Geburtsstunden der neuen DTM war Volvo zunächst in aller Munde.

So hätte ein Volvo C70 im Jahr 2000 unter privater Regie des Zakspeed-Teams die DTM bereichern können - wäre denn in der Volvo-Firmenzentrale grünes Licht gegeben worden. Dass Erfolge auch in der neuen DTM durchaus ohne Werksunterstützung kein Ding der Unmöglichkeit sind, wurde der Volvo-Vorstandsetage wenig später von Seiten Abt-Audis vor Augen geführt. Die Schweden verpassten so möglicherweise eine im doppelten Sinne günstige Gelegenheit, den angestrebten Wandel hin zu einem dynamischeren Image mit motorsportlicher Präsenz in Deutschland zu unterstützen. Und das, obwohl beim durchaus formschönen C70, der sich die Bezeichnung Coupé zweifelsohne verdiente, der Elchspelz bereits lange abgelegt war...