Ihr Glanz aus DTM-Zeiten ist verblasst: Konnten sich Christijan Albers und Gary Paffett während ihrer kurzen DTM-Karriere unerwartet rasch als HWA-Speerspitzen etablieren und damit selbst Bernd Schneider in die Statistenrolle drängen, so gehen der DTM-Vizemeister von 2003 sowie der DTM-Champion des vergangenen Jahres in der Formel 1 weit gehend in der breiten Masse der Hinterbänkler und Testfahrer unter. Während Albers 2007 vermutlich seine dritte Saison mit unterlegenem Material bestreiten wird, ohne dass die Verantwortlichen der Topteams Notiz von ihm nähmen, droht Paffetts Formel-1-Karriere zu scheitern, bevor sie überhaupt begonnen hat: Nachdem sich die Hoffnung des Briten auf ein McLaren-Stammcockpit bereits zerschlagen hatte, bewarb er sich als Honda-Testpilot - ohne Erfolg.

Der Beleg dafür, dass in der Formel 1 weitaus höhere fahrerische Qualitäten gefordert sind als in der DTM? Keineswegs - schienen und scheinen die Ex-Formel-1-Stars Jean Alesi, Heinz-Harald Frentzen und Mika Häkkinen doch seit Jahren den Gegenbeweis anzutreten... Von den Fans geliebt, von Seiten der Hersteller wie der ITR schon allein auf Grund ihrer Marketingqualitäten mit offenen Armen empfangen, auf der Strecke jedoch mit einer seltsamen Neigung zu fehlender Konstanz - so präsentierten sich die beiden Grand-Prix-Sieger sowie der zweifache Weltmeister von Beginn an. Während sich Alesi während seiner ersten DTM-Rennen 2002 den Ruf des künftigen Champions erwarb, um sich jener Reputation während der kommenden Jahre mehr und mehr zu entledigen, fiel Frentzen die Gewöhnung an die DTM im launischen Opel Vectra GTS von Beginn an schwer.

Zwar lief der Mönchengladbacher während der zweiten Saisonhälfte 2005 zur Hochform auf und bot Leistungen dar, die in den Fahrzeugen der Ingolstädter und Stuttgarter Konkurrenz zum Sieg gereicht hätten, das Ergebnis der Saison 2006 jedoch ist allseits bekannt. Und man wäre geneigt, den gescheiterten Durchbruch lediglich auf teaminterne Querelen sowie die eigenwilligen Charaktere von Temperamentsbündel Alesi und Individualist Frentzen zurückzuführen, die die beiden Motorsportveteranen bereits in der Formel 1 an noch größeren Erfolgen gehindert hatten - gäbe es nicht einen 20-fachen Grand-Prix-Sieger Mika Häkkinen, der teamintern seit jeher durch Ausgeglichenheit, Konzentration, Loyalität und Teamfähigkeit besticht, sich jedoch in der DTM ähnlich schwer tut wie seine beiden Ex-F1-Kollegen...

Verloren in der Masse?

"Wenn man wie ich früher Formel 3 gefahren ist, oder wie Mika, Frentzen und Alesi Formel 1, und dann in die DTM kommt, ist das ein komplett anderer Fahrstil. Es kostet Zeit, das zu erlernen und das limitierte Testen macht es nicht einfacher", schildert HWA-Youngster Jamie Green uns gegenüber die Schwierigkeiten eines jeden DTM-Einsteigers, die Christijan Albers, Gary Paffett und Bruno Spengler jedoch nicht davon abhielten, bereits in ihrer zweiten DTM-Saison mittels regelmäßiger Siege ihre Titelansprüche zu untermauern. Die mit dem Alter abnehmende Lernfähigkeit scheint auch in der DTM ihren Tribut zu fordern - und dennoch sind die Gründe für die Schwierigkeiten der Ex-Formel-1-Piloten auch aus Sicht von HWA-Cheftechniker Gerhard Ungar noch vielschichtiger.

In der zweiten Saisonhälfte 2005 erlebte Frentzen ein kurzes Zwischenhoch, Foto: DTM
In der zweiten Saisonhälfte 2005 erlebte Frentzen ein kurzes Zwischenhoch, Foto: DTM

So vermutet Ungar bei so manchem F1-Veteranen eine - ob bewusst oder unbewusst - zu geringe Bereitschaft zur Anpassung. "Die DTM ist etwas ganz anderes als die Formel 1, es wird anders gearbeitet. Die Fahrer müssen sich da einfach anpassen. Grundsätzlich können die Piloten Autofahren und das sogar sehr gut", stellt er fest und schildert seine Beobachtungen: "Sie haben im Hinterkopf, wie in der Formel 1 mit Blick auf die Simulationen, die Vorgehensweise, die Aerodynamik und einiges andere gearbeitet wird. Doch das sind zwei Paar Schuhe." Es könnte nicht verwundern, sollte Ungar von Alesi sprechen, ohne dabei den Namen des Franzosen zu nennen - gab dieser doch in einem Interview mit der britischen Presse freimütig zu, mit der Mercedes-Technikcrew im Clinch zu liegen...

Eine mögliche Bestätigung für die These Ungars lieferte Frentzen vor einiger Zeit gleich selbst. "Ich gehe da analytisch vor, denn nach meiner langen Zeit im Rennsport weiß ich, was man braucht, um ein siegfähiges Auto, eine siegfähige Gemeinschaft, aufzubauen. Das habe ich über die Jahre gelernt", zeigte sich Frentzen selbstbewusst und versuchte offenbar, seinen Erfahrungsschatz aus der Formel 1 bei Audi einzubringen - ohne dass in den Reihen der Ingolstädter jemand danach gefragt hätte. Die begrenzten Möglichkeiten, über lange Jahre gesammeltes F1-Wissen in der DTM anzuwenden, gab Frentzen derweil indirekt selbst zu: "In der Formel 1 ist man vielleicht noch direkter vom Erfolg abhängig, versucht noch mehr, das Maximale aus jedem Auto herauszuholen - weil man ja nur zwei im Team hat", spielt Frentzen auf die Größe der HWA- und Abt-Rennmannschaften an.

Der Mönchengladbacher führte aus: "Dadurch, dass alles kleiner und überschaubarer ist, ist die Arbeit logischerweise auch intensiver, direkter." Und so scheint die Beschreibung jener für einen früheren Formel-1-Piloten neuen Erfahrung in der DTM durch, die auch für Mika Häkkinen ein "Kulturschock" gewesen sein dürfte: Auch auf den Finnen, der zu Formel-1-Zeiten bei McLaren-Mercedes nicht immer begeistert über die bedingungslose Gleichbehandlung seines damaligen Teamkollegen David Coulthard schien, wartete statt teaminterner Vorschusslorbeeren der Wettbewerb gegen drei Teamkollegen bei HWA-Mercedes, die keinen Grund zur übermäßigen Ehrfurcht sahen. Dass sein Team in den letzten Minuten des Qualifyings von Le Mans beim Reifenwechsel Vizetitelanwärter Bruno Spengler den Vorzug gab, erschien berechtigt - wurde von Häkkinen jedoch eher säuerlich zur Kenntnis genommen...

Das Ende des Fremdelns?

So ist es der harte Wettbewerb um die Gunst des Teams ebenso wie die limitierte Testzeit, mit der sich auch der letzte verbliebene Ex-Formel-1-Star wird arrangieren müssen - was Gerhard Ungar dem 38-Jährigen durchaus zutraut: "Ich glaube, dass Mika es nicht so schwer wie die anderen hat, was daran liegt, wie jemand an die Sache herangeht", lässt der HWA-Cheftechniker bei allen Schwierigkeiten durchaus ein Kompliment an die aus seiner Sicht vergleichsweise hohe Anpassungsfähigkeit des diesjährigen Meisterschaftssechsten, für den auf einen furiosen Sieg beim dritten DTM-Rennen eine lange Phase der Formschwankungen gefolgt war, durchscheinen. Auch Häkkinen zeigte sich im Gespäch mit uns optimistisch, den Sprung vom Marketingzugpferd der DTM zum ernsthaften Titelanwärter meistern zu können:

"Ich habe im Laufe dieser Saison mit der Umstellung auf das Linksbremsen den bestmöglichen Fahrstil für mich in einem DTM-Auto gefunden. Eine Technik, mit der ich mich sehr wohl fühle", berichtet Häkkinen von einer Umstellung, die er zu Jahresbeginn spät, jedoch angesichts seiner anstehenden Vertragsverlängerung offenbar noch rechtzeitig vorgenommen hatte, "jetzt kann ich immer mehr zusätzliche Informationen, die ich gewonnen habe, einsetzen. Und das ist sehr interessant. All diese Informationen an der Strecke in der Zusammenarbeit mit den Ingenieuren, mit den Mechanikern zusammenzusetzen, ist fantastisch. Und ich weiß, dass früher oder später das entsprechende Ergebnis herauskommen wird." Zwar kann dieses "Wissen" bislang noch nicht geteilt werden - zur Ehrenrettung der Ex-F1-Fraktion wäre jedoch zu hoffen, dass sich die Prophezeiung Mika Häkkinens bestätigt...