Wie ist die Saison aus Ihrer Sicht verlaufen?
Gerhard Ungar: Es ist alles soweit perfekt gelaufen - insbesondere natürlich mit Bernd. Er hat für mich eine der besten oder vielleicht sogar die beste Saison gefahren seit wir zusammen arbeiten. Mit Bruno sind wir soweit im Plan. Er hat vier Rennen gewonnen und ist Zweiter in der Meisterschaft, noch mehr hätte man in seiner zweiten DTM-Saison sicher nicht erwarten können. Jamie hat erneut gezeigt, dass er den Speed hat. Er hat in der DTM 2006 die meisten Pole Positions eingefahren, jedoch im Rennen wenig daraus gemacht. Diesbezüglich sind wir nicht im Fahrplan, aber das Potenzial ist vorhanden. Ich glaube, dass wir es in Zukunft ausschöpfen können. Bei Mika hat man vielleicht etwas mehr erwartet, aber die Saison ging letztlich ebenfalls nicht ganz daneben. In Hockenheim hätte er noch um den fünften Meisterschaftsrang fahren können.

Das Reglement sah Einschränkungen in verschiedenen Bereichen vor. Was waren Ihre Arbeitsfelder?
Gerhard Ungar: Von der Aerodynamik war nur ein Teil eingefroren, die gesamte Radaufhängung und der Motor waren in der Entwicklung frei. Wir mussten dabei jedoch noch mehr ins Detail gehen. Insofern war noch genügend zu tun.

Wie sieht angesichts des Testlimits eine Weiterentwicklung ohne den Fahrer aus?
Gerhard Ungar: Wir machen uns natürlich sehr viele Gedanken und so werden auch einige unterschiedliche Konzepte geschrieben. Nach diesen Konzepten wird anschließend eine Konstruktion gemacht und danach ein Auto. Außerdem werden verschiedene Simulationen durchgeführt. Das Ganze wird an den Testtagen umgesetzt.

Die Priorität wird der Kostenreduktion beigemessen. Wird dadurch der Spielraum der Techniker geringer? Wünscht man sich mehr Freiraum?
Gerhard Ungar: Wünschen ist relativ. Heutzutage muss man moderner denken. Ein Techniker kann nicht immer nur an seine Technik denken. Man muss das Ganze im Auge behalten und mit den Vorgaben, die vorhanden sind, arbeiten. Wenn die Spielwiese kleiner ist, ist das für uns eine andere Herausforderung. Man darf nicht immer nur jammern: "Wenn man da noch etwas machen könnte und da noch einmal drehen könnte." Man muss umdenken - und dann gibt es meiner Meinung nach immer noch genügend Herausforderungen für einen Techniker.

Mercedes-Benz scheint auf den schnellen, Audi hingegen auf den langsameren Passagen besser zurechtzukommen. Arbeiten Sie direkt daraufhin?
Gerhard Ungar: Diese Auffassung gibt es und ich habe sie auch von anderen gehört, aber ich persönlich bin anderer Meinung. Vor Jahren traf es vielleicht zu, dass wir auf Strecken, auf denen der Anteil der Geraden größer war als der der Kurven, stärker waren. Doch diese Zeiten sind vorbei. Seit mindestens drei Jahren hat jeder ungefähr die gleichen Möglichkeiten, sich auf eine Strecke einzustellen. Ich kann zwar nur für uns reden, aber wir haben kein Fahrzeug gebaut, das ganz spezifisch auf bestimmte Passagen oder Strecken passt. Zudem kennt man den Rennkalender nicht von Anfang an hundertprozentig.

Gerhard Ungar sieht in Jamie Green ungenutztes Potenzial, Foto: DTM
Gerhard Ungar sieht in Jamie Green ungenutztes Potenzial, Foto: DTM

Wie könnte mit den Mitteln der Fahrzeugtechniker die Zahl der Überholmanöver erhöht werden?
Gerhard Ungar: Dass zu wenig überholt wurde, kann man nicht sagen. Ich war sogar überrascht, wie viele Überholmanöver es gab. Ganz speziell Bernd hat viel überholt, nachdem er leider immer wieder mal von weiter hinten gestartet ist - ob in Zandvoort, Le Mans oder auch in Barcelona. Generell stimme ich der Forderung nach mehr Überholmanövern jedoch zu. Was die Fahrzeuge betrifft, so gibt es auch unterschiedliche Philosophien, wie zum Beispiel die eine, wonach man weniger Abtrieb haben müsste. Aber das Wichtigste ist, dass die Strecken die richtigen Charakteristiken aufweisen. Man sieht schließlich, welche die Strecken sind, auf denen überholt wird. Hockenheim ist hierfür eine recht gute Strecke - und ganz speziell der Norisring. Dort sieht man ganz klar die Charakteristik: Zwei Spitzkehren und zwei Geraden. Das ist der Weg, auf dem man am meisten für das Überholen tun kann. Es wird immer darüber geredet, dass die Fahrzeuge weniger Abtrieb haben sollen, weil man dann näher zum Gegner aufschließen und besser überholen kann. Doch ich weiß nicht, ob das der bessere Weg wäre.

Woran liegt es, dass sich die Ex-Formel-1-Fahrer in der DTM so schwer tun?
Gerhard Ungar: Die einen tun sich etwas schwerer, die anderen weniger. Ich glaube, dass Mika es nicht so schwer wie die anderen hat, was daran liegt, wie jemand an die Sache herangeht. Die DTM ist etwas ganz anderes als die Formel 1, es wird anders gearbeitet. Die Fahrer müssen sich da einfach anpassen. Grundsätzlich können die Piloten Autofahren und das sogar sehr gut. Sie haben im Hinterkopf, wie in der Formel 1 mit Blick auf die Simulationen, die Vorgehensweise, die Aerodynamik und einiges andere gearbeitet wird. Doch das sind zwei Paar Schuhe. Hier wird einfach anders gearbeitet als in der Formel 1.

Ist es also eher eine Kopfsache?
Gerhard Ungar: Sehr viel! Ich glaube: Wenn die Jungs einfach sagten "Ich setze mich ins Auto, versuche mein Bestes und höre mir an, was die anderen sagen", dann kämen viele viel weiter.

Betreibt man bei den Freitagstest echte Weiterentwicklung oder doch eher Detailarbeit für das Wochenende?
Gerhard Ungar: Wenn wir auf eine neue Stecke kommen, benötigen wir mehr Vorbereitungszeit als auf einer bekannten Strecke. Aber trotzdem wird die Zeit überwiegend dazu genutzt, sich optimal für das Rennwochenende vorzubereiten. Die Entwicklungsarbeit tritt dabei in den Hintergrund.

Wird das Auto eher auf den Fahrer eingestellt oder muss sich der Fahrer anpassen?
Gerhard Ungar: Beides gleichermaßen. Ich glaube, dass das Fahrzeug eine gewisse Fahrweise vorgibt. Da können sie am Auto ändern, was sie wollen: Das Fahrzeug hat mit dem Fahrer und je nach Zusatzgewicht zirka 1.070 Kilogramm Gewicht, eine bestimmte Leistung, und eine festgelegte Reifensorte. Man muss mit diesen Fixpunkten leben und sich auf sie einstellen. Dass man individuell für den Fahrer Feintuning betreiben kann, steht außer Frage.

Hat Sie die Performance der Jahreswagen überrascht?
Gerhard Ungar: Eigentlich nicht. Hinsichtlich der Gewichtsdifferenzen ist dem DMSB und der ITR eine gute Einstufung gelungen, so dass die Jahreswagen nicht chancenlos sind. Insofern hat mich ihre Performance nicht überrascht.