Viele Gerüchte gab es in der letzten Zeit um die Zukunft von Jean Alesi. Aufhören oder nicht aufhören, selbst ein Zerwürfnis mit Mercedes wurde ihm angedichtet, "weil da in Italien eine Geschichte mit völlig verfälschten Aussagen von mir erschien", wie sich der Franzose noch heute ärgert. Im Gespräch mit der adrivo Sportpresse redete Jean Alesi Klartext: Er würde gerne mit Mercedes in der DTM weiter machen.

Wie fällt Deine bisherige Saisonbilanz 2006 aus?
Jean Alesi: Außer, dass ich in diesem Jahr noch keinen Sieg auf meinem Konto habe, war es für mich vielleicht sogar meine bisher erfolgreichste DTM-Saison. In meiner bisherigen Karriere habe ich fast in jeder Saison immer mindestens ein Rennen gewonnen. Aber ich fahre in einem neuen Team, ich habe dort eine fantastische Beziehung zu meinem Renningenieur - und mir macht das Fahren richtig Spaß. Ich habe Glück gehabt, dass es am Nürburgring dieses Regenrennen gab. Dadurch hatte ich noch viel mehr Spaß - und auch ein richtiges Erfolgserlebnis. Und abgesehen von zwei Ausfällen wegen technischer Probleme war ich auch immer in den Punkten.

Als Du in Zandvoort Sonntag früh aus dem Fenster geschaut hast und den Regen gesehen hast, hast Du sicher gehofft, dass es so bleibt?
Jean Alesi: Klar habe ich gehofft, dass es nass bleibt - und im nassen Warmup habe ich ja als Schnellster auch gezeigt, warum. Aber es erfüllen sich halt nicht alle Wünsche - und außerdem hatte ich dann ja im Rennen sowieso das Problem mit der Servolenkung, wie andere auch.

Musstest Du durch den Teamwechsel innerhalb von Mercedes komplett neu anfangen - oder ist der Unterschied gar nicht so groß?
Jean Alesi: Es ist vor allem eine Frage der "human relationship". Ein DTM-Auto zu fahren, ist technisch nicht so schwierig. Das wichtigste ist die Beziehung zu den Leuten, mit denen man arbeitet. Fahrer stellen immer nur Forderungen. Wenn man sich dann wirklich zuhört und man auch das bekommt, was man will, dann kommt auch der Erfolg. Wir haben eine gute Mischung zwischen einem alten und zwei jungen Fahrern. Alex ist ein sehr aggressiver Fahrer, der einen tollen Job macht. Bei Mathias kenne ich ja eigentlich seinen Vater noch viel besser. Ich fühle mich ihm gegenüber ein bisschen wie ein großer Bruder, der ihm Ratschläge gibt, wann genau er zum Beispiel im Qualifying die neuen Reifen einsetzen soll, um das Optimale heraus zu holen. Es macht mir wirklich Spaß, den jungen Fahrern zu helfen.

Jean Alesi möchte gerne weiter Rennen fahren - in der DTM., Foto: DTM
Jean Alesi möchte gerne weiter Rennen fahren - in der DTM., Foto: DTM

Nachdem deine Formel-1-Pläne mit Direxiv gescheitert sind, würdest Du jetzt doch gerne noch einmal ein Jahr mit Mercedes in der DTM dranhängen?
Jean Alesi: Ich fühle mich in dieser Umgebung sehr wohl, ich kenne die Leute jetzt schon seit Jahren, ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, noch einmal für ein anderes Werk oder Team zu arbeiten. Wir sprechen miteinander, Norbert Haug ist da natürlich wieder der wichtigste Ansprechpartner. Wir reden gegenwärtig darüber, was möglich ist.

Wie lange hast Du noch gehofft, dass es klappen würde, das Direxiv-F1-Team auf die Beine zu stellen?
Jean Alesi: Ich habe bis zum letzten Moment gekämpft, bis ich im Juni das endgültige Nein bekommen habe. Das war zwei Jahre lang praktisch ein Full-Time-Job, unendlich viele Meetings. Deshalb war es dann natürlich schon sehr hart, dass es nicht geklappt hat.

Hast Du dich daraufhin sofort entschieden, dass Du dann doch noch selbst weiterfahren willst?
Jean Alesi: Ja, das war mir sehr schnell klar. Ich habe mit Mario, meinem Manager gesprochen, ihm gesagt, dass ich unbedingt weiter Rennen fahren will. Jetzt ist es seine Aufgabe, das unter Dach und Fach zu bringen. Und ganz oben an erster Stelle unserer Wunschliste steht natürlich Mercedes.

Die Formel-1-Pläne hast du endgültig aufgegeben?
Jean Alesi: Es ist immer noch mein Traum, einmal wieder in der Formel 1 zu arbeiten, natürlich nicht mehr als Fahrer. Aber ich bin erst 42, da besteht eine gute Chance, dass sich noch einmal etwas ergibt.

Wenn Du die Formel 1 mit der DTM vergleichst...
Jean Alesi: ...dann sage ich, dass das eigentlich gar nicht zu vergleichen ist. Es sind zwei völlig verschiedene Felder, mit verschiedenem Ambiente, auch mit verschiedener Zielrichtung. Aber beide haben nebeneinander und jeder für sich ihre absolute Faszination und Daseinsberechtigung. Wenn man das Thema Fans anspricht, kann man sicher sagen, dass die DTM mehr auf die Zuschauer an der Strecke ausgerichtet ist. Die Formel 1 ist in der Beziehung vor allem eine große Show für das Fernsehen, die DTM ist für die Fans an der Strecke und für das TV-Publikum gemacht.

Und wie fällt ein Vergleich aus Fahrersicht aus? Warum scheint der Umstieg für Formel-1-Piloten in die DTM nicht einfach?
Jean Alesi: Ich finde schon, dass es einfach ist. Denn der Fahrer kann in der DTM viel mehr machen. In der Formel 1 ist fast alles elektronisch kontrolliert, in der DTM sind diese Systeme viel einfacher, und deshalb liegt es dann an den Fähigkeiten des Fahrers, das Maximum herauszuholen. Es kann höchstens sein, dass Leute, die heute aus der Formel 1 kommen, sich damit schwer tun, weil sie es nicht mehr gewöhnt sind. In meiner Zeit gab es das alles auch in der Formel 1 noch nicht so, da haben wir gar nicht erst gelernt, uns auf so viele elektronische Hilfsmittel zu verlassen.

In dieser Beziehung findest Du offensichtlich die alten F1-Zeiten attraktiver - aber hat sich die Formel 1 von heute in manchen Punkten auch verbessert?
Jean Alesi: Ganz bestimmt, vor allem, was die Sicherheit angeht und auch die Zuverlässigkeit. Heute fallen ja kaum noch Autos aus, man fährt zwei Rennen mit einem Motor. Und die Technologie ist schon faszinierend. Deshalb macht es mir schon viel Spaß, ab und zu mal bei einem Grand Prix in einer Box zu stehen und zu sehen, was die da heute alles haben.

Würdest Du auch gerne noch mal in eines der heutigen Autos steigen? Du könntest doch Norbert Haug mal fragen, ob Du nicht mal einen kleinen Test in einem McLaren-Mercedes fahren dürftest?
Jean Alesi: Nein, überhaupt nicht. Mein Interesse beschränkt sich darauf, zuzuschauen, zu sehen, wie sich das alles weiter entwickelt. Fahren will ich nicht mehr, das würde zu wehtun. Dafür bin ich einfach nicht mehr fit genug, die körperlichen Belastungen sind doch noch ganz anders als in der DTM.