Hoher Besuch stellte sich für die DTM auf dem Norisring ein. Auf eine private Einladung hin trat Max Mosley, vornehmlich für seine zuweilen skurrilen Regelvorschläge in der Formel 1 bekannt, die Reise nach Nürnberg an: Der FIA-Präsident zu Gast bei Konkurrenten? Der oberste Kopf der Sporthoheit FIA, die in der WTCC das Zepter in der Hand hält, zu Gast beim Erzrivalen? Ein niederschmetterndes Urteil Max Mosleys von wegen Silhoutten-Fahrzeugen ohne Serienbezug und vermeintlicher deutscher Provinzialität? - Weit gefehlt.

Der FIA-Präsident, der auch abseits des Motorsports beispielsweise mit Blick auf die Crashsicherheit von Serienfahrzeugen über die Automobilindustrie wacht, zeigte sich von der DTM durchaus angetan. Schwärmerisch nahm Mosley, der erstmals ein DTM-Rennen live vor Ort verfolgte, das Motorenreglement zur Kenntnis, das je Fahrzeug nur einen Motor pro Saison vorsieht, geradezu neidisch blickte er auf die gelungenen Anstrengungen der ITR bezüglich der Kostenreduktion - ein Projekt, das ihm in der Formel 1 bis heute noch nicht gelingen will. Auch in der Formel 1 wäre doch die Regelfindungsarbeit um so viel leichter, gäbe es nur zwei Hersteller, fabulierte Mosley...

Mosley sieht die WTCC in der Gunst der Hersteller vorne, Foto: Sutton
Mosley sieht die WTCC in der Gunst der Hersteller vorne, Foto: Sutton

Wird die DTM jedoch bestenfalls in Deutschland mit Blick auf die Zuschauergunst als Konkurrent der Formel 1 gesehen, so hat der "Feind" in der Tourenwagenszene einen Namen: Die WTCC. Akribisch beäugen sich die beiden Serien gegenseitig, stellen einander ihre Zuschauerzahlen in Frage und werben um dieselben Hersteller - im aktuellen Falle Toyota-Tochter Lexus.

DTM und WTCC als Konkurrenten? Mosley kann jener Sichtweise nicht zustimmen. "Nein, ich denke, dass es eine ganz andere Basis ist", antwortet der Brite in fast perfektem Deutsch, "die DTM ist viel näher an die Silhoutten-Formel, die wir Ende der 80er-Jahre machen wollten - mit Autos, die ausschauen wie normale Serienfahrzeuge, aber unten drunter eine absolute Rennbasis aufweisen." Mit Wehmut erinnert sich Mosley an das Silhouetten-Konzept der FIA zurück, das mit nur einem gebauten Alfa-Romeo-Prototypen im Sande verlief.

"In der WTCC sind die Autos verändert, aber es sind grundsätzlich dieselben Autos. Die Grundbasis der Autos sind anders, was mit verschiedenen Methoden ausgleicht - mit Gewicht etc.", spielt Mosley auf das eigene Gewichtsreglement der WTCC an, das u.a. Unterschiede zwischen Kompaktklassefahrzeugen wie dem Seat Leon und Mittelklassewagen wie dem BMW 3er auszugleichen hat. Und wenngleich sich das internationale Zuschauerinteresse an der WTCC insgesamt nach wie eher vor in Grenzen hält, zieht Mosley dennoch auch Folgendes zur Verneinung einer Konkurrenzsituation heran: "Die DTM ist grundsätzlich deutsch, teils auch europäisch. Es dauert immer, bis sich eine nationale Meisterschaft weiter verbreitet."

Mit dem Konzept der seriennahen Tourenwagen sieht Max Mosley "seine" WTCC bei der Suche nach neuen Herstellern im Vorteil: "Es gibt mehr Hersteller in der WTCC als in der DTM, denn es passt ihnen einfach besser. Viele haben Hersteller haben verschiedene Philosophien, manche sagen: Ich möchte mein Rennauto möglichst nah an meinen Serienautos haben." Nachteile der WTCC sieht der FIA-Präsident in ihrem Status als Weltmeisterschaft, der sich auch in hohen logistischen Kosten äußert: "In dem Moment, in dem eine Serie eine Weltmeisterschaft mit Rennen auf drei Kontinenten ist, hat man immer Probleme."

Mosley bescheinigt der DTM, aus alten Fehlern gelernt zu haben, Foto: DTM
Mosley bescheinigt der DTM, aus alten Fehlern gelernt zu haben, Foto: DTM

Bei allen Präferenzen, wie sie die WTCC angesichts ihres FIA-Prädikats genießt, gibt Mosley allerdings auch der DTM in nicht allzu ferner Zeit die Chance, das FIA-Prädikat zu erhalten. "Eines haben wir von dem Silhouetten-Konzept Ende der 80er gelernt: Die FIA kann keine Serie erfinden. Man lässt die Leute machen, was sie wollen", lässt Mosley Veranstaltern wie der ITR zunächst freie Hand, um ihr Konzept zunächst eigenständig zum Erfolg zu führen - und sich dann um eine Zusammenarbeit mit der FIA zu bewerben. Eine Zusammenarbeit, wie sie allerdings in der Endphase der alten DTM nicht allzu erfolgreich verlief: Unter Obhut von Formel-1-Patriarch Bernie Ecclestone und der FIA wurde 1995 und 1996 der Bogen der technischen Extravaganzen und der motorsportlichen Weltreisen überspannt, wie auch Mosley zugeben muss:

"Wir haben gemeinsam mit der DTM vielleicht zu schnell versucht, es zu internationalisieren. Die ITC ist nicht nur gescheitert, weil es zu teuer war, sondern es gab auch im Ausland zu wenig Interesse", blickt der ehrenamtlich arbeitende Brite auf die 90er-Jahre zurück, bescheinigt der DTM jedoch: "Die DTM hat viel von dem ersten Versuch, von der alten DTM, gelernt..."