Spekulationen gab es seit langer Zeit, doch erst jetzt gibt es einen offiziellen Beschluss: Audi dampft sein Engagement im Kundensport ab dem kommenden Jahr 2024 stark ein. Die Abteilung namens 'Audi Sport customer racing' wird zwar nicht geschlossen, eine finanzielle Unterstützung für Kundenteams bei prestigeträchtigen Programmen wie der DTM und den großen 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring oder in Spa-Francorchamps wird es jedoch nicht mehr geben.

Diesen Beschluss hat der Vorstand der Audi AG final am Montag (10. Juli 2023) dieser Woche gefasst, wie Audi-Motorsportchef Rolf Michl im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com bestätigte. Der gleichzeitige Geschäftsführer der Audi Sport GmbH sowie Kundensportleiter Chris Reinke haben im direkten Anschluss begonnen, Teams, Fahrer und Partner über diese umwälzende Neuaufstellung von Audi Sport customer racing mit Beginn der Saison 2024 zu informieren.

Audi: Voller Fokus auf den Formel-1-Einstieg

Der Hauptgrund für diesen Schritt: Audi will seinen vollen Fokus auf den bevorstehenden Einstieg in die Formel 1 zum Jahr 2026 richten. Dafür hatte sich in der Vergangenheit vor allem der Audi-Vorstandsvorsitzende Markus Duesmann eingesetzt. Den geplanten F1-Start wird Duesmann in dieser Funktion allerdings nicht mehr erleben, er wird ab dem 01. September 2023 durch Nachfolger Gernot Döllner ersetzt.

Das bei Fans und Medien stets umstrittene, zunächst auf drei Jahre (bis 2024) angelegte Dakar-Werksprojekt mit den Top-Fahrern Mattias Ekström, Carlos Sainz Senior und Rekordsieger Stephane Peterhansel wird nach 2024 ebenfalls beendet. Mit dieser Entscheidung wird Audi für die kommenden Jahre faktisch nur noch die Formel 1 als professionell betriebenen bzw. werksseitig unterstützten Motorsport im Portfolio haben.

Weitere Gründe für die Entscheidung des Audi-Vorstandes, kein Geld mehr in potenzielle weitere DTM-Meisterschaftsgewinne oder Gesamtsiege bei 24-Stunden-Rennen zu investieren: Der Lebenszyklus des Audi R8 endet, ein direkter Nachfolger ist aktuell nicht in Sicht. Zudem will der Autobauer aus Ingolstadt ab 2030 nur noch rein elektrische Straßenautos produzieren. Da passt eine Fortsetzung etwa des Audi R8 LMS GT3 mit seinem V10-Saugmotor offenbar nicht mehr ins Konzept.

Audi bei den 24h Nürburgring 2023, Foto: Audi Communications Motorsport
Audi bei den 24h Nürburgring 2023, Foto: Audi Communications Motorsport

Michl: "Audi Sport customer racing wird nicht zugesperrt"

Ob 2024 noch Kundenteams den seit 2009 höchst erfolgreichen GT3-Audi in der finanziell aufwendigen DTM oder bei den kostspieligen 24-Stunden-Rennen ins Feld führen werden, ist aktuell unklar.

Der Einsatz mit komplett eigenem Budget von Kunden wäre faktisch möglich, wie Audi-Motorsportchef Michl, der diesen Job seit September 2022 bekleidet, beschrieb: "Audi Sport customer racing wird nicht abgewickelt oder zugesperrt. Audi Sport customer racing wird nach wie vor bestehen. Wir haben die Genehmigung für alle Umfänge erhalten, also sowohl die technische Unterstützung, den Ersatzteile-Service auch vor Ort und die gesamte Kunden-Betreuung, die uns seit Jahren auszeichnet."

Audi-Kundensportleiter Chris Reinke, Audi-Vorstandsmitglied Oliver Hoffmann und Audi-Motorsportchef Rolf Michl, Foto: Audi Communications Motorsport
Audi-Kundensportleiter Chris Reinke, Audi-Vorstandsmitglied Oliver Hoffmann und Audi-Motorsportchef Rolf Michl, Foto: Audi Communications Motorsport

Homologation für Audi R8 LMS GT3 soll verlängert werden

Der bis 2024 laufende Homologations-Zyklus des Audi R8 LMS GT3 evo2 soll verlängert werden, damit private Kundenteams den Rennwagen auch in Zukunft bei Rennen einsetzen können. Was vielen Fans nicht bewusst ist: Aktuell sind weltweit rund 600 Audi-Rennwagen der Kategorien GT3, GT4, GT2 und RS 3 LMS (TCR) durch Kunden im Einsatz. Daran soll sich nichts ändern, doch ohne den bisherigen finanziellen Support dürfte es schwierig werden, bei den bekannten 24h-Rennen und hart umkämpften Rennserien wie der DTM oder der GT World Challenge um Gesamtsiege zu kämpfen.

2022, im 14. Jahr des Kundensportprogrammes, erlebte Audi Sport customer racing laut eigenen Angaben seine erfolgreichste Saison im Motorsport. Audi-Kundenteams erzielten global 76 Titelgewinne, 290 Einzelsiege - darunter drei bei 24-Stunden-Rennen - und 651 Podestplätze. Der Audi R8 LMS GT3 sei mit 121 Siegerpokalen nach Einzelsiegen das erfolgreichste der vier Modelle gewesen.

Audi-Motorsportchef: "Ab 2024 leider kein finanzieller Support mehr"

Michl: "Das ist die ganz klare Beschlusslage, dass es mit dem Fokus auf den Formel-1-Einstieg 2026 hier ab 2024 leider keinen finanziellen Support mehr für die Einsatzteams von unserer Seite geben wird. Das bezieht sich konkret auf den Support von Teile-Paketen und Audi-Sport-Fahrern. Wir werden absichern, dass unsere heutigen Fahrzeuge in jeder Hinsicht in Betrieb bleiben können. Aber der strategische Einsatz ist ab 2024 für uns nicht mehr genehmigt worden. Den Beschluss aus dem Audi-Vorstand haben wir schweren Herzens akzeptieren müssen."

Das Ende des werksunterstützten Kundensports fügt sich bei Audi in eine lange Reihe an Entscheidungen bezüglich des Motorsports ein. 2022 wurde das größtenteils fertige LMDh-Projekt für die Langstrecken-WM WEC und die IMSA beerdigt, 2021 erfolgte der Ausstieg aus der Formel E und 2020 zog sich Audi werksseitig aus der Class-1-DTM zurück.

Dafür feierten werksseitig unterstützte Kundenteams weiter große Erfolge: 2022 errang Phoenix Racing für Audi den sechsten Gesamtsieg beim 24h-Rennen Nürburgring. Zu den weiteren Prestige-Erfolgen zählen zwei Klassensiege des GT3-Audi bei den 24 Stunden von Daytona, drei Gesamtsiege bei den 12 Stunden von Bathurst, zudem triumphierte das Modell je viermal in Macau sowie bei den 24 Stunden von Spa.

In der DTM-Saison 2022 gewann Audi die Hersteller-Meisterschaft und holte mit Rene Rast den dritten Platz in der Fahrer-Wertung.

Fünf Audi R8 LMS GT3 starten in der DTM 2023, Foto: LAT Images
Fünf Audi R8 LMS GT3 starten in der DTM 2023, Foto: LAT Images

Abt, Phoenix und Co.: Wie geht es mit den Audi-Teams weiter?

"Wir haben annähernd 1.000 Fahrzeuge montiert, von denen rund 600 weltweit im Betrieb sind", sagte Audi-Kundensportleiter Chris Reinke nach der Vorstandsentscheidung zu Motorsport-Magazin.com. "Es ist zunächst einmal wichtig, dieses Volumen im Markt zu respektieren. Aber natürlich fällt uns das auch schwer, weil Teile der gesamten Biosphäre, die wir betreiben - auch vor Kunden, diese Fahrzeuge zu vermarkten - dann wegfallen werden."

Beim diesjährigen 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring im 40-jährigen Bestehen der Audi Sport GmbH erhielten vier der sechs von Land-Motorsport, Scherer-Phoenix und Car Collection eingesetzten Audi R8 LMS GT3 eine werksseitige Unterstützung. Bei den 24h Spa schlug Audi mit einem Rekordaufgebot von 13 GT3-Autos auf, drei davon werksunterstützt. In der DTM kämpfen aktuell die Teams Abt Sportsline, Attempto und Engstler um Siege, während in der GT World Challenge Europe elf GT3-Boliden starten.

Nachdem sich zum Ende der vergangenen Saison bereits das langjährige Erfolgsteam WRT mit MotoGP-Legende Valentino Rossi in Richtung BMW verabschiedet hatte, ist die gemeinsame Zukunft mit Teams wie Abt Sportsline, Scherer-Phoenix oder Land-Motorsport unklar. Die Äbte sind dieses Jahr bereits mit einem Lamborghini Huracan auf dem Nürburgring angetreten. Audi-Motorsportchef Michl: "Die Planungen sind im vollen Gange, damit wir verbindlich sagen können, was bei uns möglich ist im Rahmen eines erweiterten Kundenservice mit den Methoden, die wir haben, und was nicht."

Der frühere DTM-Champion und heutige Motorsportdirektor von Abt Sportsline, Martin Tomczyk, sagte auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com: "Zunächst einmal ist es eine positive Nachricht, dass Audi Sport customer racing weiterbesteht und die Teileversorgung und der technische Support auch in Zukunft gewährleistet ist. Das gibt uns grundsätzlich die Option, weiter mit Audi in der DTM zu starten. Wir als Team haben nun Klarheit und werden in intensive Gespräche mit Audi und unseren Partnern gehen, wie es für uns weitergeht. ABT und Audi gehören in der DTM seit 24 Jahren zusammen. Das ist einzigartig. Aber natürlich beschäftigen wir uns auch mit anderen Szenarien."

Audi beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring 2023, Foto: Audi Communications Motorsport
Audi beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring 2023, Foto: Audi Communications Motorsport

Audi-Sport-Fahrerkader wird eingestellt

Für die Saison 2024 müssen sich auch alle aktuellen Audi-Sport-Fahrer neue Jobs suchen. 14 Piloten gehören dem Aufgebot an, darunter der frühere Formel-1- und DTM-Fahrer Markus Winkelhock und weitere 24h-Nürburgring-Sieger wie Christopher Mies, Christopher Haase, Frank Stippler oder Pierre Kaffer. Die derzeitigen DTM-Piloten Ricardo Feller, Patric Niederhauser, Luca Engstler und Mattia Drudi müssen sich ebenso umorientieren.

Erfolgreiche Piloten wie der dreifache DTM-Champion Rene Rast, Dries Vanthoor (beide zu BMW), der zweimalige DTM-Vizemeister Nico Müller, Kelvin van der Linde oder Robin Frijns hatten sich über den Jahreswechsel von Audi Sport getrennt. Ende 2021 hatte bereits der frühere DTM-Meister Mike Rockenfeller unter der Führung des damaligen Audi-Motorsportchefs Julius Seebach das Unternehmen verlassen.

Michl, den Fahrer und Teams als 'echten Racer' schätzen: "Der klassische Fahrerkader wird nicht mehr existieren. Dennoch haben wir überlegt, ob es mit dem einen oder anderen Fahrer Möglichkeiten einer Funktion geben wird, und ob er aufgrund seiner persönlichen und fahrerischen Fähigkeiten gegebenenfalls andere Möglichkeiten bei Audi haben könnte."