Die DTM macht sich bereit für das prestigeträchtigste Rennwochenende der Saison 2023: das 80. Int. ADAC Norisring Speedweekend (07.-09. Juli) auf dem berühmten Stadtkurs in Nürnberg. Auf der 2,162 Kilometer kurzen Rennstrecke warten die Saisonrennen Nummer fünf und sechs auf die deutsche Traditionsrennserie. Erstmals dabei im Rahmenprogramm ist auch das ADAC GT Masters, das sein zweites Event in diesem Jahr bestreitet. Motorsport-Magazin.com beleuchtet die wichtigsten Brennpunkte vor dem Norisring-Wochenende.

Brennpunkt 1: Crash-Gefahr auf dem Norisring

Auf dem Norisring mit seinen unnachgiebigen Mauern herrscht stets größtes Crash-Potenzial. Zahlreiche Kollisionen und Unfälle sorgten im vergangenen Jahr für Schäden in Millionenhöhe bei den privaten Rennställen, die unter den erhöhten Kosten für zerstörte Autos ächzen.

Die traurige Bilanz des Samstagsrennens 2022: 16 Ausfälle, nur elf Autos im Ziel - so wenige wie nie zuvor seit der DTM-Rückkehr 2000. Ein außerplanmäßiges Treffen mit der Rennleitung zeigte Wirkung: Im Sonntagsrennen gingen die Fahrer unter Androhung harter Strafen auf Kuschelkurs: Nur sechs Fahrer sahen nicht die Zielflagge.

Im Feld der 27 GT3-Boliden von sechs Marken dürfte es auch dieses Wochenende ordentlich zur Sache gehen. Zuletzt in Zandvoort fielen immerhin zehn Piloten vorzeitig im Samstagsrennen aus. Die beiden Läufe beim Saisonauftakt in Oschersleben hatten jeweils sieben vorzeitige Ausfälle zu beklagen. Der erfahrene DTM-Rennleiter Sven Stoppe dürfte die Teilnehmer in der Fahrer-Besprechung noch einmal deutlich darauf hinweisen, in den Rennen doch bitte auf Harakiri-Aktionen zu verzichten.

Brennpunkt 2: Klimaaktivisten kündigen Protestaktionen an

In der aktuellen Zeit besteht immer ein gewisses Risiko, dass Großveranstaltungen durch Klimaaktivisten gestört werden. So auch dieses Wochenende auf dem Norisring, wo unterschiedliche Gruppierungen wie Fridays For Future oder Extiction Rebellion zu Protesten aufgerufen haben. Fahrrad-Demos rund um die Rennstrecke und eine Mahnwache vor dem Eingang sind bereits angekündigt worden.

Ähnliche Aktionen gab es bereits im vergangenen Jahr beim Speedweekend, die Abläufe auf der Strecke wurden allerdings nicht beeinträchtigt. Gefährlich wird es, wenn Aktivisten auf die Idee kommen, die Rennstrecke zu stürmen. Das gab es dieses Jahr schon beim Formel-E-Rennen in Berlin, als Chaoten sich während des Startprozederes auf dem Asphalt festkleben wollten. Dank schnellen Eingreifens durch Polizei und Sicherheitskräfte konnte eine potenziell lebensbedrohliche Situation verhindert werden. Der MCN Nürnberg als Veranstalter des DTM-Wochenendes ist gewarnt.

Brennpunkt 3: Hitzeschlacht am Norisring

Zuschauer sollten für den Besuch in Nürnberg ausreichend Sonnencreme und Wasser mitnehmen: Es wird brutal heiß am Wochenende! Am Sonntag soll das Thermometer auf bis zu 35 Grad klettern. Der Samstag wird mit Spitzenwerten von bis zu 31 Grad kaum kühler. Die erwartete Bruthitze wird ebenso zur absoluten Herausforderung für Mensch und Material auf der Rennstrecke. Ob die Fahrer diesmal zugunsten der Performance auch auf die in den meisten GT3-Modellen verbauten Klimaanlagen verzichten?

Für die Bremsen werden die hochsommerlichen Temperaturen zur Nagelprobe: Auf keiner anderen Strecke wird so hart und häufig verzögert wie auf dem 2,162 Kilometer langen Stadtkurs. Auf die drei Geraden folgen enge Kurven und Kehren, vor denen die Fahrer teilweise von gut 250 bis auf 60 km/h abbremsen müssen. Die schnellen Class-1-Autos der DTM-Vergangenheit wurden extra für den Norisring mit speziellen Kühlsystemen samt Wassereinspritzung ausgestattet.

Brennpunkt 4: BoP wird zur Herausforderung

Die SRO als ADAC-Dienstleister für die Erstellung der Balance of Performance verfügt über unzählige Daten von Rennen weltweit - der Norisring ist wegen seines einzigartigen Layouts allerdings eine spezielle Angelegenheit. Hier gibt es deutlich weniger verfügbare Realdaten als von permanenten Rennstrecken.

Die SRO-BoP ist streckenabhängig gestaltet, der Norisring zählt wie auch Oschersleben zur Kategorie 'D'. Den größten Ballast mit 70 Zusatz-Kilo erhält der Lamborghini Huracan GT3 Evo2, der mit seinem jüngsten Evo-Update ebenso neu ist in diesem Jahr wie die komplett neuen Modelle Ferrari 296 GT3 und Porsche 911 GT3 R. Der Lambo und der Mercedes-AMG GT3 bringen mit jeweils 1.320 Kilogramm das meiste Gewicht auf die Waage. Die mit 1.300 Kilo leichtesten Autos im Feld sind der Ferrari und der Audi R8 LMS GT3.

Ausschlaggebend für die Performance sind ebenso Werte wie die Restriktorgröße, der maximale Ladedruck oder die Fahrzeughöhe. Die SRO hat die Möglichkeit, die BoP während eines Wochenendes auf Basis zusätzlich erhaltener Streckendaten anzupassen. Das ist nur bei den ersten drei Rennwochenenden erlaubt. Zuletzt in Zandvoort kam es zu mehreren Änderungen im Verlauf des Wochenendes.

Balance of Performance am Norisring (Version 1)

AutoGrundgewichtBoP-BallastGesamtgewichtRestriktor/Ladedruck
Audi R8 LMS GT3 Evo II1.260 kg40 kg1.300 kg2 x 36 mm
BMW M4 GT31.265 kg45 kg1.310 kg2,71 bar bei 6.250 rpm
Ferrari 296 GT31.275 kg25 kg1.300 kg2,40 bar bei 5.000 rpm
Lamborghini Huracan GT3 Evo21.250 kg70 kg1.320 kg1 x 51 mm
Mercedes-AMG GT31.285 kg35 kg1.320 kg2 x 34,5 mm
Porsche 911 GT3 R1.250 kg55 kg1.305 kg2 x 38 mm

Brennpunkt 5: Qualifying wird aufgeteilt

Wegen des großen Teilnehmerfeldes bestehend aus 27 Autos, werden am Norisring wie im Vorjahr die beiden Qualifyings in jeweils zwei Startgruppen ausgetragen, die auf Basis der Freien Trainings am Freitag zusammengestellt werden. Der insgesamt schnellste Fahrer steht auf Platz eins, neben ihm geht der Beste der anderen Gruppe von Rang zwei aus ins Rennen.

Der Pilot mit der zweitschnellsten Zeit in der Gruppe des Pole-Setters ist Dritter, dann wird wieder zur anderen Gruppe gewechselt. Dementsprechend ergibt sich die Startreihenfolge nicht aus den reinen Zeiten, sondern den Platzierungen nach den Zeittrainings. Mit diesem System sollen die unterschiedlichen Streckenbedingungen bei den zeitversetzten Qualifyings neutralisiert werden.

Wichtig zu wissen: Fahrer, deren Rundenzeiten im Qualifying gestrichen wurden, werden hinter den Fahrer in ihrer jeweiligen Gruppe am Ende der Startaufstellung platziert. Strafen, wie die Rückversetzung um Startplätze wegen vorangegangener Vergehen, finden auf die kombinierte Startaufstellung Anwendung, auch wenn sich dadurch die jeweilige Gruppenzuordnung (Startseite) ändert.

Brennpunkt 6: Doppel-Belastung für zahlreiche Teams

Einigen Teams steht ein höchst geschäftiges Wochenende bevor - an allen Ecken und Enden rund um den Globus werden Rennen gefahren! Abt Sportsline erwartet etwa eine Doppelbelastung mit dem DTM-Einsatz und dem parallel stattfindenden Sardinien-Event der Extreme E, wo Rallye-Legende Sebastien Loeb zum Kemptener Rennstall stößt. Ähnlich sieht es bei Project 1 aus: In der DTM wartet das Engagement als BMW-Kundenteam mit Lokalmatador Marco Wittmann, zeitgleich setzt die Mannschaft einen GT3-Porsche bei der Langstrecken-WM (WEC) in Monza ein.

Stressig wird es auch für die Teams, die sowohl in der DTM als auch im ADAC GT Masters an den Start gehen. Die 'Liga der Supersportwagen' gastiert am Norisring erstmals im Rahmenprogramm der DTM und trägt dort ihr zweites Rennwochenende aus. GRT-Lamborghini, HRT-Mercedes mit Ex-DTM-Champion Maximilian Götz, Schubert-BMW, Engstler-Audi und Landgraf-Mercedes bestreiten Doppelprogramme. Immerhin können die Teams von doppelten Streckendaten profitieren.

Bei den Motorsport-Fans steht die DTM medial am Wochenende in Konkurrenz zum Formel-1-Rennen in Silverstone und dem NLS-Lauf am Samstag auf der Nürburgring-Nordschleife.

2021 DTM-Meister, 2023 wieder im GT Masters: Maximilian Götz, Foto: Mercedes-Benz AG
2021 DTM-Meister, 2023 wieder im GT Masters: Maximilian Götz, Foto: Mercedes-Benz AG

Brennpunkt 7: Wer sind die DTM-Titelanwärter?

Eine Hierarchie lässt sich nach den ersten vier Saisonrennen noch nicht erkennen. Ändert sich das nach dem Norisring? Den meisten Fans würde es sicherlich gefallen, wenn sich ein überschaubarer Kreis an Titelwärtern abzeichnet. Kandidaten sind der aktuelle Spitzenreiter Thomas Preining (Manthey-Porsche), der ebenso wie der Gesamt-Zweite Franck Perera (SSR-Lamborghini) und der an fünfter Stelle liegende Tim Heinemann (Toksport-WRT-Porsche) bereits zweimal aufs Podium fahren konnte.

Preining bescherte Porsche 2022 auf dem Norisring den historischen ersten Sieg in der DTM und kann sich dieses Jahr wieder gute Chancen ausrechnen: Der Stadtkurs gilt als prädestinierte Strecke für den 911er. Die beiden Zandvoort-Sieger Ricardo Feller (Abt-Audi) und Maro Engel (Landgraf-Mercedes) konnten wie Preining und Perera in allen vier Rennen punkten und mischen ebenfalls vorne mit.

Rene Rast (Schubert-BMW) kehrt nach dem verpassten Zandvoort-Event in die DTM zurück. Mit bislang 11 gesammelten Punkten ist eine Aufholjagd nötig, um den vierten Titelgewinn anzuvisieren. Das gilt auch für Lokalmatador Marco Wittmann (Project-1-BMW), der sich in Zandvoort gut verkaufte und nach dem Sieg beim 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps mit breiter Brust zum Heimrennen reist.