Während Opel in dieser Saison auf Alter und Erfahrung im verkleinerten Fahrerkader setzt, kommen bei Audi ebenso wie bei Mercedes vier DTM-Lehrlinge zum Einsatz. Über mangelnde Qualitäten der Schulungsfahrzeuge können diese sich dabei nicht beklagen: Allan McNish, bereits im reiferen Rennfahreralter, stellen die Ingolstädter einen der aktuellen Audi A4 zur Verfügung, die restlichen drei Debütanten kommen in den Genuss des letztjährigen A4, der Audi gleich in dreifacher Hinsicht zu Meisterschaftsehren gereichte.

Auch die Audi-Neueinsteiger verfügen in ihrer Eigenschaft als Elite-Fahrschüler dabei bereits über reichliche autofahrerische und motorsportliche Kenntnisse - vielmehr galt es für das Debütantenquartett, sich während ihrer ersten sechs Rennwochenenden auf die Eigenheiten eines DTM-Boliden, seine Erfordernisse bei der Abstimmung und das DTM-spezifische Zweikampfverhalten einzustellen. Doch wem ist dies am besten gelungen?

Allan McNish - in der Ruhe liegt die Kraft

Allan McNish hat in seiner Rennfahrerkarriere gelernt, sich in Ruhe Geduld zu üben. Etwa ein durch zahlreiche Testfahrerengagements geprägtes Jahrzehnt wartete der Schotte, bis er 2002 endlich sein lang ersehntes Formel-1-Cockpit bekam. Und so sah es auch in McNishs erster DTM-Saison zunächst so aus, als müsse er sich einmal mehr gedulden, um sich in der DTM zu etablieren.

Die Heckansicht von McNishs A4 sehen die Gegner immer öfter., Foto: Sutton
Die Heckansicht von McNishs A4 sehen die Gegner immer öfter., Foto: Sutton

Die ersten drei Rennwochenenden des Schotten waren geprägt von einer Qualifying-Schwäche, die ihm eine äußerst innige Beziehung zur siebten Startreihe, nicht jedoch eine gute Ausgangsposition für das Rennen einbrachte. Zwar zeigte sich McNishs Performance im Rennen ansprechender als im Rennen, die schlechten Startpositionen vereitelten jedoch das Einfahren erster Punkte. Der letztjährige Audi-R8-Fahrer hatte somit zeitweise einige Kritik einzustecken; DTM-Experte Klaus Ludwig brachte die Debüt-Vorstellungen McNishs im ARD-Rennkommentar bereits mit dem Begriff "Flop" in Verbindung...

Doch McNish ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, stattdessen ging es mit dem Lernerfolg aufwärts: In Brünn brachte es der 16-fache Grand-Prix-Teilnehmer erstmals in die Super Pole, die er mit Rang sieben abschloss. Im Rennen lag McNish lange auf Podestkurs, scheiterte allerdings an einer Durchfahrtsstrafe, die ihn auf Rang sieben zwang. Nachdem McNish in Oschersleben ebenfalls in die Super Pole einzog und schließlich mit weiteren drei Punkten im Gepäck abreiste, bereitete dem 35-Jährigen der Norisring zunächst einige Probleme: Nur langsam konnte sich McNish auf den ihm unbekannten Kurs einstellen, bevor er allerdings im Rennen trotz eines arg lädierten Fahrzeugs bis auf Platz vier vorfuhr.

Und so verlief Allan McNishs DTM-Debüt zwar nicht so fulminant wie das Mika Häkkinens; die Lerngeschwindigkeit des Schotten erscheint im Vergleich zu der des Finnen weniger rasch. Dennoch zeigt der Aufwärtstrend McNishs, dass er sich im Laufe der Saison durchaus noch zum etablierten DTM-Piloten mausern und sein Cockpit im Abt-Team nachhaltig rechtfertigen könnte.

Pierre Kaffer - eine Gefahr für den Lehrmeister

Ein erfolgreiches Langstrecken-Engagement bei Audi im vergangenen Jahr brachte Pierre Kaffer in einen Vorjahres-A4 des Joest-Teams. Hier konnte sich der unweit vom Nürburgring geborene Rheinländer zwar noch nicht mit dem Prädikat "Musterschüler" auszeichnen, vermochte aber dennoch schon früh zu überzeugen:

Pierre Kaffer im Kampf gegen Gary Paffett, Foto: Sutton
Pierre Kaffer im Kampf gegen Gary Paffett, Foto: Sutton

Bereits im zweiten Rennen auf dem Eurospeedway Lausitz ließ der 28-Jährige aufhorchen: Nach einem respektablen zwölften Rang im Qualifying fuhr Kaffer souverän auf Rang fünf vor. Zu einem ähnlichen Resultat hätte es auch in Spa-Francorchamps nach einem beachtlichen fünften Platz im spektakulären Regen-Qualifying reichen können, hätte ihn nicht eine unverschuldete Kollision mit Gary Paffett zurückgeworfen.

Zwar fielen die Qualifying-Resultate ansonsten eher durchschnittlich aus, doch bremsten auch in Brünn und Nürnberg mehr oder weniger unverschuldete Berührungen seinen Vorwärtsdrang; auf dem Norisring sprang dennoch immerhin noch ein Punkt heraus. Und so ist es Pierre Kaffer, der an die Leistung des zurzeit im Joest-Team alles überstrahlenden Lehrmeisters Christian Abt am ehesten heranreicht. Seine DTM-Qualitäten hat der frühere Porsche-Cup-Pilot bereits durchaus unter Beweis gestellt.

Frank Stippler - Bewährungsprobe bestanden

Bereits 2004 durfte Frank Stippler erste Erfahrungen in einem DTM-Fahrzeug sammeln, als er im modifizierten Abt-Audi TT-R am 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring teilnahm. Dies kam dem in Bad Münstereifel geborenen Rheinländer offenbar zu Gute, fuhr er doch bereits im ersten Qualifying mit seinem A4-Jahreswagen den 13. Rang ein. Handlingprobleme im Rennen offenbarten allerdings wohl zunächst noch die Notwendigkeit, das Abstimmen des neuen Dienst- und Schulungsfahrzeugs zu verinnerlichen.

Stippler blickt auf eine zufrieden stellende erste Saisonhälfte, Foto: Sutton
Stippler blickt auf eine zufrieden stellende erste Saisonhälfte, Foto: Sutton

Doch schon auf dem Eurospeedway Lausitz schloss sich der erste Erfolg an: Hinter Teamkollege Pierre Kaffer eroberte Stippler Rang sechs und komplettierte so ein hervorragendes Ergebnis der Joest-Jahreswagen. Einem Wochenende der Pleiten, Pech und Pannen in Spa-Francorchamps folgten in Brünn und Spa zwei recht überzeugende Vorstellungen, die den 30-Jährigen auf die Ränge acht und neun brachte.

Die Nullrunde auf dem Norisring, ausgelöst durch den Folgeschaden einer Kollision, ändert am recht positiven Gesamteindruck nichts: Ähnlich wie Pierre Kaffer hat sich Frank Stippler in der DTM bereits jetzt gut eingelebt und offenbart in keinem Bereich den Bedarf von Nachhilfestunden.

Rinaldo Capello - der Senior-Fahrschüler

Mit seinen mittlerweile 41 Jahren kann sich Rinaldo Capello wohl nur noch dunkel an seine Fahrschulzeit erinnern; dafür sind seine motorsportlichen Erfahrungen umso reichhaltiger. Schon seit 1994 haben die Rennboliden Capellos stets vier Ringe im Kühlergrill, so auch sein Schulungsfahrzeug in der DTM. Sonderlich viel Glück hat ihm sein pechschwarzer A4 allerdings noch nicht gebracht.

Rinaldo Capello: Lernphase noch nicht beendet, Foto: Sutton
Rinaldo Capello: Lernphase noch nicht beendet, Foto: Sutton

Auf den letzten Platz im Qualifying beim Debütwochenende in Hockenheim folgte im Rennen sogleich die Verwicklung in die Startkarambolage, die den Italiener ins Aus riss. Weder in der Lausitz noch in Spa lief es wesentlich besser: An die Startplätze 16 und 18 schlossen sich im Rennen Positionen fernab der Punkte an. Einen leichten Aufwärtstrend verzeichnete der Le-Mans-Sieger von 2003 und 2004 in den folgenden beiden Rennen, als er mit den Rängen zwölf und elf beachtliche Qualifying-Resultate zeigte und sich im Rennen immerhin jeweils auf Rang zehn verbesserte - was in einem Jahreswagen keine Schande ist.

Ein Rückschlag erfolgte auf dem Norisring, wo der zweifache Familienvater bei der Ausfahrt aus dem Schöller-S das Heck seines A4 im wahrsten Sinne des Wortes verlor. Und so ist leider festzustellen, dass Rinaldo Capello noch nicht so recht in der DTM angekommen zu sein scheint. Während seine drei Joest-Kollegen im Jahreswagen insgesamt 25 Punkte einfuhren, wartet der Italiener noch immer auf seine ersten Zähler. Die Lernphase des Senior-Fahrschülers scheint, obgleich seine rennfahrerischen Qualitäten angesichts der Langstreckenerfolge außer Frage stehen, in vielerlei Hinsicht noch längst nicht beendet zu sein.