Mit dem Kampf um den Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Le Mans 2023 hatte der NASCAR-Camaro natürlich nichts am Hut, dennoch darf sich das einzigartige Projekt als Gewinner beim 100. Geburtstag des Langstreckenklassikers bezeichnen. Wenn der US-Dampfhammer unter dem Banner der 'Garage 56' mit seinem bollernden V8-Smallblock an den Zuschauern vorbeiröhrte, ging stets ein Raunen durch die Tribünen. Der Camaro war der Fan-Liebling schlechthin!

Der erste Auftritt eines NASCAR-Autos in Le Mans seit 1976 darf als voller Erfolg bewertet werden. Mit den Piloten Mike Rockenfeller, Jenson Button und Jimmie Johnson hatte das von NASCAR, Hendrick Motorsports, Chevrolet, Goodyear und IMSA initiierte Großprojekt ohnehin große Fan-Favoriten an Bord. Das internationale Trio zahlte das Vertrauen mit einer starken Performance im umgebauten NextGen-Camaro vollends zurück.

NASCAR-Auto bei 24h Le Mans 2023 im Ziel

Beim zehnjährigen Jubiläum der 'Garage 56' für innovative Autokonzepte fuhr der Camaro per Reglement außerhalb des Wettbewerbs. Im Gesamtklassement erreichten Rockenfeller/Button/Johnson den 39. von 62 Plätzen und mit der Zielankunft eines der größten selbstgesteckten Ziele. Mit Blick auf die Performance bewegte sich der Camaro deutlich hinter den LMP2 und einige Sekunden vor den GTE-Autos.

Ein besseres Gesamtergebnis wäre nach 285 zurückgelegten Runden sicherlich möglich gewesen, wenn nicht in der Schlussphase das Getriebe gestreikt hätte. Ansonsten meisterte der NASCAR-Bolide den ungewohnten, 13,626 Kilometer langen Circuit de la Sarthe ohne größere Schwierigkeiten. Rund zwei Jahre Entwicklungszeit flossen in dieses einmalige Projekt ein, das für die neue Sportwagenverbindung zwischen europäischem (WEC) und US-amerikanischem Motorsport (IMSA) steht.

Hingucker in Le Mans: Der NASCAR-Camaro beim Boxenstopp, Foto: Rolex/Stephan Cooper
Hingucker in Le Mans: Der NASCAR-Camaro beim Boxenstopp, Foto: Rolex/Stephan Cooper

Le Mans: 314 km/h Topspeed im Camaro

Rockenfeller, der die 24 Stunden von Le Mans 2010 für Audi gewann und bereits 2005 mit Porsche einen Klassensieg feierte, sorgte schon im Qualifying mit einem wilden Ritt für Furore bei den Fans. Wie zu besten Tourenwagenzeiten räuberte Rocky über die Kerbs und slidete nur so durch die Kurven. Mit bis zu 314 km/h Topspeed jagte er den auf 1.342 Kilogramm abgespeckten Camaro mit seinen Goodyear-Spezialreifen über den Highspeedkurs.

Dabei gelang Rockenfeller bei seinem elften Einsatz in Le Mans eine Qualifying-Fabelrunde von 3:47.976 Minuten. Zwei Sekunden schneller als die GTE-Autos und so rasant, dass die FIA kurzfristig beschloss, den Camaro im Rennen am Ende des LMP2-Feldes statt in einem eigenen Slot vor der GTE-Meute starten zu lassen.

Rennsieger und Sieger der Herzen: Ferrari trifft Chevrolet in Le Mans, Foto: Getty Images
Rennsieger und Sieger der Herzen: Ferrari trifft Chevrolet in Le Mans, Foto: Getty Images

Rockenfeller schnellster Fahrer im NASCAR-Camaro

Im Rennen war Rockenfeller der schnellste der drei Top-Piloten auf dem #24 Camaro. Der langjährige Audi-Werksfahrer erreichte einen Rundendurchschnitt von 3:52.247 Minuten bei seinen 91 Umläufen, während Teamkollege und Ex-Formel-1-Weltmeister Button im Mittel 3:52.905 Minuten bei 97 Umläufen benötigte. NASCAR-Rekordchampion Johnson legte auf dem ihm unbekannten Kurs ebenfalls 97 Runden zurück und erreichte laut Berechnungen von 'The B-Pillar' einen Schnitt von 3:55.584 Minuten.

Für Rockenfeller war es eine absolute Ehre, Teil des prestigeträchtigen NASCAR-Projekts zu sein, für das er einen Großteil der Entwicklungsarbeit geleistet hatte. Gleichzeitig dürfte es ein einmaliger Auftritt gewesen sein, denn in Zukunft will der DTM-Champion von 2013 wieder um Gesamtsiege bei den 24 Stunden von Le Mans kämpfen. Für Rockenfeller geht es jetzt in den USA weiter, wo er für das Porsche-Kundenteam JDC-Miller Motorsports die weiteren IMSA-Rennen auf einem Porsche 963 bestreitet.

Jenson Button und Camaro-Kumpel Mike Rockenfeller in Le Mans, Foto: LAT Images
Jenson Button und Camaro-Kumpel Mike Rockenfeller in Le Mans, Foto: LAT Images

Rockenfeller will wieder um Le-Mans-Siege kämpfen

Mit seinen 39 Jahren hat Rockenfeller noch lange nicht genug vom Profi-Rennsport und so fuchste es ihn laut eigener Aussage doch ein wenig, dass er diesmal in Le Mans wegen des Garage-56-Reglements nicht um Siege mitfahren konnte. Ursprünglich hatte er sich schließlich erhofft, mit Audis LMDh-Auto in Le Mans starten zu können. Doch das bereits halbfertige Programm wurde zugunsten des Formel-1-Einstieges vorzeitig begraben und Rockenfeller verabschiedete sich Ende 2021 nach 15 gemeinsamen Jahren vom Autobauer aus Ingolstadt.

So kam das Angebot von NASCAR-Boss Jim France gerade recht. "Wenn ich bei einem Hersteller gewesen wäre, der immer noch LMDh machen würde statt das Programm einzustellen, hätte sich die Frage nie gestellt, das zu machen", sagte Rockenfeller in Le Mans zu Motorsport-Magazin.com. "Die Dinge sind anders gelaufen und ich bin sehr dankbar, was daraus geworden ist. Damals ging es um die Entwicklung (des NASCAR-Camaro) und es war zunächst nicht klar, ob ich auch das Rennen fahren würde."

In der Entwicklungsphase konnte Rockenfeller, der auch in den USA wegen seiner Historie zu den bekanntesten Fahrern zählt, den NASCAR-Chef offensichtlich überzeugen. Rocky weiter: "Das ist etwas, was ich nicht jedes Jahr in Le Mans machen möchte, aber gleichzeitig etwas, das ich rückblickend nicht missen möchte. Ich hoffe, dass ich wieder in Le Mans und dann um den Gesamtseig fahren kann. Deshalb fahre ich jetzt ja auch in Amerika wieder einen Prototypen."

20 Jahre später: Schließt sich der Kreis?

2024 könnte sich eine neue Chance bieten, schließlich setzt Porsche den 963-LMDh sowohl in der WEC als auch in der IMSA ein. Das Le-Mans-Debüt des neuen Prototypen aus Weissach gestaltete sich schwierig: Die drei Penske-Werksautos sowie ein Privateinsatz von JOTA mit Ex-Audi-Motorsportchef Dieter Gass litten unter zahlreichen Technikproblemen und waren beim Kampf um den Sieg chancenlos.

Das Potenzial des 963 ließ JOTA-Pilot Yifei Ye aufblitzen, als er zwischenzeitlich Führungsrunden drehte, bevor er den Porsche crashte. Ein Le-Mans-Veteran wie Rockenfeller wäre sicherlich eine Verstärkung und damit würde sich genau 20 Jahre später ein Kreis schließen: Im Jahr 2004 bestritt Rocky das erste seiner inzwischen elf Le-Mans-Rennen auf einem Porsche 911.

24h Le Mans 2023: Zusammenfassung und Video-Highlights (10:01 Min.)

24h Le Mans 2023 Ergebnis: Top-5 aller Klassen

Hypercar

Pos.AutoFahrerRückstand
1#51 FerrariPier Guidi, Calado, Giovinazzi342 Runden
2#8 ToyotaBuemi, Hartley, Hirakawa1:21.793 Minuten
3#2 CadillacBamber, Lynn, Westbrook+1 Runde
4#3 CadillacBourdais, van der Zande, Dixon+2 Runden
5#50 FerrariFuoco, Molina, Nielsen+5 Runden

LMP2

Pos.AutoFahrerRückstand
1#34 Inter EuropolSmiechowski, Scherer, Costa328 Runden
2#41 WRTAndrade, Delétraz, Kubica+21,015 Sekunden
3#30 DuqueineBinder, Jani, Pino+1 Runde
4#36 AlpineVaxiviere, Milesi, Canal+1 Runde
5#31 WRTGelael, Habsburg, Frijns+1 Runde

LMGTE-Am

Pos.AutoFahrerRückstand
1#33 Corvette RacingKeating, Varrone, Catsburg313 Runden
2#25 TF Aston MartinAl Harthy, Dinan, Eastwood+1 Runde
3#86 GR Racing PorscheWainwright, Barker, Pera+1 Runde
4#85 Iron Dames PorscheBovy, Gatting, Frey+1 Runde
5#54 AF Corse FerrariFlohr, Castellacci, Rigon+1 Runde