Der Schweizer Fabio Scherer sorgte beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans für eine unglaubliche Geschichte. Obwohl er sich am Samstag eine Verletzung kurz nach dem Rennstart an seinem linken Fuß zuzog und kaum noch gehen konnte, fuhr er nicht nur weiter, sondern gewann mit Inter Europol Competition und seinen Teamkollegen Jakub Smiechowski und Albert Costa am Ende sogar die LMP2-Klasse.

Der Beginn dieser unglaublichen Geschichte ereignete sich beim ersten Fahrerwechsel im Oreca 07 mit der Nummer 34. Scherer war eigentlich für den Start-Stint vorgesehen gewesen, doch da es bereits nach wenigen Minuten eine Safety-Car-Phase gab, entschied sich das Team dazu, ihn aus dem Auto zu holen. Man ersetzte Scherer durch Amateur-Fahrer Smiechowski, damit der nominell langsamste Pilot des Trios einen Teil der vorgeschriebenen Mindestfahrtzeit unter SC-Bedingungen - und somit ohne Zeitverlust - abspulen konnte.

Corvette fährt Fabio Scherer über den Fuß

Doch bei dem Fahrerwechsel kam es zu dem verhängnisvollen Zwischenfall. "Die Corvette ist mir über den Fuß gefahren, und zwar ordentlich", erklärte Scherer noch während dem Rennen und rechnete mit einer schwereren Verletzung. "Ich weiß nicht, ob er gebrochen ist oder nicht. Aber ich will es auch nicht wissen", so Scherer.

Für seine Mannschaft wäre ein so früher Ausfall von Scherer dramatisch gewesen, denn dadurch hätte das Team als Duo das Rennen durchfahren müssen und wäre durch die längere Fahrtzeit von Silber-Pilot Smiechowski wohl weit zurückgefallen. "Ich dachte, dass mein Rennen nach 15 Minuten vorbei ist. Es schmerzte sehr. Mit viel Eis und Behandlung war ich in der Lage zu fahren", sagte der ehemalige DTM-Pilot.

"Spätestens sobald das Adrenalin seine Wirkung stark genug entfaltete, konnte ich wieder fahren und anschließend kam ich in den Flow und es funktionierte einfach", beschrieb Scherer. Bei den späteren Fahrerwechseln trat zutage, wie stark die Verletzung die Bewegungsfreiheit von Scherer einschränkte. Bei den jeweiligen Fahrerwechseln hüpfte der 23-Jährige auf einem Bein in die Box beziehungsweise zu seinem Auto.

Scherer ändert Bremsstil: Bein statt Fuß

Obwohl sein linker Fuß ihm viel Schmerzen bereitete, stieg Scherer weiterhin damit auf die Bremse und wechselte nicht auf den anderen Fuß: "Ich habe noch nie mit dem rechten Fuß gebremst, ich dachte deshalb, es ist unmöglich, das umzustellen." Seinen Bremsstil musste er dennoch etwas anpassen. "Anstatt nur mit dem Fuß zu bremsen, nutzte ich das ganze Bein beim Bremsen", erklärte Scherer.

Der Weg zum Sieg war dennoch kein Spaziergang. Denn in keiner Klasse blieb es bis ins Ziel so spannend, wie in der LMP2-Kategorie. Nach einer Strafe trennten Inter Europol Competition nur etwa zwanzig Sekunden von ihren ersten Verfolgern, dem #41 WRT-Team. Bis zum letzten Boxenstopp hatte Scherers Landsmann Louis Deletraz den Rückstand auf etwa acht Sekunden zugefahren. Doch wiederum war es Scherer, der auf den letzten Metern den Vorsprung verwalten und ins Ziel bringen konnte.

Nach Le-Mans-Sieg: Egal, wenn ich nicht gehen kann

"Wir haben Le Mans gewonnen, da ist es mir egal, wenn ich nicht mehr hier rausgehen kann", jubelte Scherer bei der Pressekonferenz nach dem Rennen. Auch unabhängig vom Verletzungspech des Schweizers war der Sieg von Inter Europol Competition eine kleine Sensation. Denn das polnische Team ging als Außenseiter ins Rennen.

Fahrer-Teamboss Jakub Smiechowski gab sich überrascht: "Es war immer unser Traum, in Le Mans zu sein und ich dachte immer, als wir das erreicht haben, dass das das Maximum des Erreichbaren ist. Aber dieses Jahr hat sich das Auto so gut angefühlt und wir waren von Anfang an konkurrenzfähig. Wir rechneten, dass wir vielleicht um ein Podium mitfahren könnten". Dass es am Ende für den Sieg reichen würde, schockte selbst das Team. Kurios: Die Corvette, die am Anfang des Rennens Scherer über den Fuß gerollt war, holte sich in der LMGTE-Am-Klasse ebenfalls den Sieg.

Update: Bänderverletzung und Fuß angebrochen

Am Mittwoch gab Inter Europol Competition das Ausmaß der Verletzungen bekannt. In einem Tweet teilte das Team mit, dass bei Fabio Scherer nach weiteren Untersuchungen eine Bänderverletzung und eine unvollständige Fraktur im linken Mittelfuß diagnostiziert hatte. Der Rennstall zeigte sich überzeugt davon, dass Scherer für das nächste WEC-Rennen am 9. Juli in Monza wieder vollkommen genesen sein wird.