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Zwischenbilanz 2009

Über Stock & Stein: WRC, Dakar, Rally Raid
Beitrag Montag, 06. Juli 2009

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Die Rallye-Weltmeisterschaft macht Sommerpause und da die Startliste für den IRC-Lauf in Russland nur ganz ganz dünn befüllt ist, mal Zeit eine Zwischenbilanz über die Rallye-Saison 2009 zu ziehen:

WRC:
Zum ersten Mal seit langer Zeit begann die Rallye-WM nicht in Monte Carlo, sondern in Irland. Das amtierende WM-Team Citroen rund um Sébastien Loeb holte sich, fast wie erwartet, auch gleich den ersten Doppelsieg des Jahres, während für Ford, die sich in Irland zwar kein besonderes Resultat erwarteten, das erste Wochenende keinen guten Lauf nahm. Während Latvala nach einem Unfall schon in der 2. Sonderprüfung ausschied, schaffte es Hirvonen gerade noch auf den 3. Platz, nachdem er etwas vom Pech von Sensationsmann Urmo Aava profitierte, der anfangs sogar in Führung lag.

Als nächstes stand die Rallye Norwegen auf dem Programm, bei der alles im Zeichen eines WRC-Rückkehrers stand: Petter Solberg. Nachdem Subaru im Winter ihr langjähriges und traditionsreiches Engagement in der Rallye-WM beendete, stand der Weltmeister von 2003 ohne Arbeitsgerät da. Doch pünktlich zur Heim-Rallye stellte "Hollywood" sein eigenes Rallye-Team auf die Beine, mit einem 3 Jahre alten Citroen Xsara WRC. Besser hätte sein Abenteuer auch nicht beginnen können, auf der Auftakts-Super-Special holte er sich gleich die Bestzeit. Am 2. Tag holte sich dann Hirvonen die Führung, während Privatstarter Per Gunnar Andersson mit einem Skoda Fabia sich zwei SP-Bestzeiten holte. Doch noch am Ende des Tages holte sich Sébastien Loeb die Führung wieder zurück, nachdem Hirvonen an der Spitze sich hinter den Franzosen zurückfallen ließ um eine bessere Startposition für den nächsten Tag zu bekommen. Während Loeb seine Führung hielt und dem Druck von Hirvonen Stand hielt, schied Überraschungsmann P-G Andersson aus. Am letzten Tag ging es dann ins große Finale, bei dem Mikko Hirvonen noch einmal sämtliche Asse aus dem Ärmel schüttelte und seinen Rivalen Loeb noch einmal zusetzte. Der ließ sich jedoch nicht irritieren und holte sich auch den Sieg in Norwegen. Mikko Hirvonen und Jari-Matti Latvala komplettierten das Podest.

Zur dritten Runde in Zypern brachte Petter Solberg neue Teile, einen verbesserten Motor um mit seinem Xsara vorne mitmischen zu können. Zudem kehrt das Munchi's Team in die WM zurück, vorerst mit nur einem Auto, dass vom argentinischen Meister Federico Villagra pilotiert wird. Die Ford-Werkspiloten möchten derweilen zurückschlagen und spulten in Sardinien ein umfangreiches Testprogramm ab um zu verhindern, dass Sébastien Loeb am Wochenende WM-Sieg Nr. 50 einfährt. Doch bereits früh zeigt sich, dass auch hier Loeb nur schwer zu schlagen sein würde. Der 5-fache Weltmeister machte nach nur 3 Sonderprüfungen eine große Lücke nach hinten auf, am Ende des 1. Tages lag Loeb rund 40 Sekunden vor Teamkollegen Sordo und schon über 1 Minute vor dem drittplatzierten Hirvonen. Dementsprechend geknickt die Stimmung bei Ford, zudem noch am Beginn von Tag 2 wieder einmal Jari-Matti Latvala seinen Ford Focus unsanft zerlegte und die nächste Nullnummer schrieb. Positiv dafür dass Daniel Sordo am 2. Tag hinter Mikko Hirvonen zurückfiel und am letzten Tag auch noch von Petter Solberg überholt wurde. Doch all das änderte nichts an Loebs Führung, die er bis zum Ende der Rallye behielt um sich den 50. WM-Sieg zu holen und seinen Vorsprung in der Tabelle auf 8 Punkte auf Hirvonen zu erhöhen. Für Petter Solberg gab es den ersten großen Erfolg mit seinem Team, nämlich mit Platz 3.

In Portugal kam es dann zum nächsten Comeback, nämlich jenen vom 2-fachen Weltmeister Marcus Grönholm der beim 4. WM-Lauf mit einem von Prodrive betreuten Subaru Impreza an den Start ging. Nach dem ersten Tag lag Grönholm sogar auf Platz 4! Nach Tag 1 führte Hirvonen, nachdem Citroen durch Fahrfehler von Loeb und Sordo die Führung verlor. Doch wieder kämpfte Ford bereits früh nur mehr mit einem Auto, denn Latvala baute auf der 4. Sonderprüfung einen Horrorunfall, bei dem er sowie Beifahrer Miikka Anttila jedoch unverletzt blieben. Nicht so Latvalas Ford Focus, der als Folge von mehreren Überschlägen einen Totalschaden erlitt. Am 2. Tag schied Grönholm als Folge eines Unfalls aus, wie auch Citroen-Junior Sébastien Ogier. Die Gesamtführung übernahm wieder einmal Sébastien Loeb, der diese durch Tag 2 und auch Tag 3 hielt und sich Saisonsieg Nr. 4 holte.

Beim fünften WM-Lauf in Argentinien stand Ford unter Zugzwang. Nicht nur dass Mikko Hirvonen nach einem Drittel der Saison bereits 10 Punkte hinter Loeb zurücklag, steht Ford in der Konstrukteurswertung ebenfalls schlecht da nachdem Jari-Matti Latvala nur einmal in die Punkte kam. Der wiederum ist nun heftig in die Kritik geraten, und über seinen Verbleib im Werksteam wird bereits wild spekuliert. In Argentinien soll Latvala endlich wieder in die Punkteränge fahren, damit Ford in der Marken-WM gegen Citroen nicht komplett absackt. Am Freitag fährt Latvala in der ersten Tages-SP gleich einmal Bestzeit, was beim Team gleich alle Alarmglocken schrillen lässt. Der Finne wird aufgefordert ja nicht zu viel zu riskieren und dementsprechend fällt Latvala bis auf Platz 6 zurück. Vorne liefern sich Mikko Hirvonen und Daniel Sordo einen Schlagabtausch um die Führung, den der Spanier am Ende des 1. Tages für sich entschied. Doch am 2. Tag zieht Citroen einmal mehr auf und davon als Loeb zunächst an Hirvonen und kurz später auch an Daniel Sordo vorbeigeht, und es sollte für Ford noch dicker kommen: in der 15. SP scheidet Mikko Hirvonen mit einem überhitzenden Motor an seinem Ford Focus aus. Und auch das war's noch nicht, am letzten Tag bekommt Latvala auf Platz 3 liegend Probleme mit dem Benzindruck und verliert 8 Minuten, was ihn bis auf den 7. Platz zurück wirft. Petter Solberg dem dadurch der dritte Platz zuwinkt, kann sich auch nicht lange freuen denn er scheidet gleich auf der darauffolgenden SP mit dem selben Defekt wie Latvala aus. Am Ende führt Loeb einen weiteren Citroen-Doppelsieg an, Henning Solberg komplettiert das Podium während Lokalmatador Federico Villagra sein bestes WRC-Ergebnis mit Platz 4 holt.

Zum 6. WM-Lauf in Sardinien kommt Ford mit nur mehr wenig Hoffnung auf eine Wende in der Weltmeisterschaft. Mikko Hirvonen liegt nach seinem Ausfall in Griechenland nun schon 20 Punkte hinter Sébastien Loeb zurück. Der 1. Tag verläuft wieder einmal nicht besonders gut für die Mannschaft von Malcolm Wilson, denn während zwar Latvala die Führung nach Tag 1 holt, verschätzt sich Hirvonen beim taktischen Wettbremsen gegen Sébastien Loeb und liegt am Ende der 1. Etappe auf Platz 2 nur 3 Sekunden vor dem WM-Führenden. Am 2. Tag möchte Loeb den führenden Latvala einholen, doch der hält seine Position während Mikko Hirvonen eine ungewöhnliche Begegnung mit ein paar Pferden macht. Doch auf der 11. SP geht es dann Schlag auf Schlag als Latvala sich dreht, Loeb mit Reifenschaden 1 Minute verliert und bis auf Platz 4 zurückfällt. Doch der Reifenwechsel war nicht ganz konform mit den Sicherheitsregeln, denn Daniel Elena schnallte sich zu schnell ab. Nachträglich kassiert der amtierende Weltmeister noch eine 2-Minuten-Zeitstrafe während Ford den ersten Doppelsieg der Saison einfährt und wohl auch aufgrund der schlechten Situation in der WM auf Teamorder verzichtet. Somit gewinnt Latvala nach einem desaströsen Saisonbeginn, Mikko Hirvonen verkürzt derweilen den Vorsprung von Loeb auf 17 Punkte.

Der siebente WM-Lauf findet in Griechenland statt, und es geht zum Klassiker, der Rallye Akropolis. Ford möchte den Aufwärtstrend von Sardinien fortsetzen und dies gelingt auch zunächst: Jari-Matti Latvala führt das Feld an, dahinter Mikko Hirvonen und alles sieht zunächst sehr gut für Ford aus. Doch auf der letzten Sonderprüfung des Tages passiert Latvala wieder einmal ein Fehler mit groben Konsequenzen, als er in einen Graben abrutscht, und dabei über 3 Minuten verliert. Das setzt Hirvonen auf die taktisch ungünstige erste Position, vor beiden Citroens. Somit ist natürlich Loeb wieder einmal der große Favorit, doch es sollte alles ganz anders kommen. Denn gleich auf der ersten SP des zweiten Tages fliegt Sébastien Loeb mit einem riesigen Crash aus der Rallye, doch er wie sein Beifahrer Daniel Elena sind unversehrt. Für Citroen geht das Desaster danach aber gleich weiter, denn nur 2 SPs später trifft Daniel Sordo einen Stein und beschädigt sich seinen Citroen C4, so dass auch für ihn das Ding gelaufen ist. Ein von diesem Zwischenfall uninformierter und nur spärlich von den Marshals gewarnter Henning Solberg passiert dann an der exakt selben Stelle das gleiche Missgeschick. Es folgt ein hitziges Wortgefecht zwischen dem Norweger und dem Spanier. Vorne hält Mikko Hirvonen nun fast ungefährdet seine Führung, am letzten Tag schafft es Latvala dank der vielen Ausfälle und einer sehenswerten Aufholjagd mit aufeinander folgenden SP-Bestzeiten sich bis auf den 3. Platz vor zu kämpfen. Zweiter wird sensationell Citroen Junior Sébastien Ogier, der allerdings nicht für Konstrukteurspunkte nominiert ist. Somit erhält das Ford-Werksteam aus Griechenland die volle Punktzahl und holt in beiden Weltmeisterschaften mächtig auf. Vor allem für Mikko Hirvonen sind nun vor der Rallye Polen wieder alle Chancen auf die Fahrer-Weltmeisterschaft da.

Nach 36 Jahren ist also die Rallye Polen wieder zurück im WM-Kalender. Eine der ältesten Rallyes, genau genommen die zweitälteste nach der dieses Jahr von der WM nicht gefahrenen Rallye Monte Carlo, sieht also eine wieder spannend gewordene Weltmeisterschaft. Sébastien Loeb liegt nun nur mehr 7 Punkte vor Mikko Hirvonen in der Fahrer-WM dieses Mal beginnt für Citroen die Rallye alles andere als ideal: schon in der ersten SP nach dem Zuschauerrundkurs in Mikolajki klagen beide Werkspiloten über einen angeblich überhitzenden C4 und auf der 4. SP kommt es dann ganz dick: Sébastien Loeb rammt einen Baumstumpf den er bei der Besichtigung übersehen hatte und beschädigt sich die Aufhängung so dass für ihn der 1. Tag erst einmal vorbei ist. Somit ist nun Daniel Sordo unter Druck, um den Schaden in der Marken-WM zu minimieren und natürlich vor allem um Mikko Hirvonen, der im Falle eines Sieges und eines Nullers von Loeb sogar die WM-Führung übernehmen würde. Nach dem 1. Tag führt ein sichtlich komplett verwirrter Hirvonen der seinen Augen nicht glauben kann. Am 2. Tag geht es nun darum, dem Druck von Daniel Sordo Stand zu halten, denn der Spanier erhöht das Tempo erstmal und holt kontinuierlich auf beide Fords auf. Doch beim zweiten Befahren der Samstag-SPs ist der Nachteil des Strassenkehrens wieder weg und somit behalten Hirvonen und Latvala die Doppelführung. Sordo verliert nach einem Fehler am 3. Tag sogar weitere 30 Sekunden und findet sich mit Platz 3 ab. Desweilen beordert Citroen beide Juniorenpiloten Rautenbach und Novikov, stehen zu bleiben - Rautenbach muss sogar ganze 13 Minuten warten - um Sébastien Loeb vorbei zu lotsen und doch noch in die Punkteränge vorzuschieben. Auf der letzten Sonderprüfung, dem Zuschaerrundkurs, passiert dann das für Ford fast Unbegreifliche als Jari-Matti Latvala ein am Strassenrand stehendes Fass rammt und mit seinem Ford Focus frontal in die Leitplanken kracht. Er bricht sich dabei die Lenkung und auch sämtliche Anschiebeversuche des Finnen und seines Beifahrers Anttila nützen nichts. Latvala scheidet aus und verspielt somit den sicheren Ford-Doppelsieg, was nicht nur die Situation in der Marken-WM sogar noch einen Tick verschlechtert sondern auch Sébastien Loeb einen weiteren Punkt beschert.

Nach acht von insgesamt zwölf WM-Läufen liegt also Mikko Hirvonen fast sensationell an der Spitze der WM-Tabelle mit nur einem Punkt Vorsprung auf Sébastien Loeb. In der Marken-WM liegt allerdings weiterhin Citroen mit 17 Punkten Vorsprung auf Ford in Führung.

Nun geht es also zum Klassiker nach Finnland, bei dem Mikko Hirvonen also vor heimischem Publikum als WM-Führender die Chance hat, zum ersten Mal die ursprünglich genannte 1000 Seen Rallye zu gewinnen. Der Gastauftritt schlechthin ist wohl jener von F1-Weltmeister Kimi Räikkönen, der mit einem Fiat Grande Punto S2000 in Finnland sein WRC-Debüt gibt.

Hinter den Kulissen wird desweilen nun wieder heftig über Latvalas Zukunft spekuliert. Die verzweifelten Aussagen von Ford-Teamchef Wilson deuten wohl darauf hin, dass Latvalas Tage im Ford-Werksteam gezählt sind. Zwar wird der Finne auch bei seiner Heim-Rallye mit einem Werks-Focus antreten, doch was danach passiert ist wohl noch unklar. Mehrere Fahrernamen werden von den Gerüchteköchen in den Ring geworfen, die Latvalas Platz nach der Rallye Finnland im Extremfall einnehmen könnten. Neben Petter Solberg wird auch Ford-Tester Markko Märtin als Kandidat gehandelt, sowie Altmeister Marcus Grönholm. Auch Asphalt-Spezialist Francois Duval, der bereits 2008 die Rolle des Ersatzmanns für Latvala übernahm, könnte ein möglicher Kandidat sein. Oder aber Latvala überzeugt in Finnland und sichert sich selber den Verbleib. Fragen über Fragen...

Gleichzeitig wird an einer Umstrukturierung der WRC gearbeitet. Unter anderem soll das Super Rally-Reglement abgeschafft werden, es wird eine Anpassung des WRC-Motors an jenen der WTCC für 2011 angepeilt. Für 2010 soll als Übergang von den aktuellen WRCs zu den S2000plus ein sogenannter WRC S2000 Cup parallel zur WM ausgetragen werden. Mit der Zurückstufung auf S2000-Boliden möchte man wieder mehr Werke anlocken. Als Kandidaten gelten Skoda und FIAT, die bereits ihre Modelle in der IRC einsetzen. Peugeot wohl nicht, da bei PSA sämtliche Projekte zusammengefasst werden (siehe Le Mans), und es von daher unlogisch wäre, wenn die Franzosen mit einem Werksengagement zweigleisig mit Citroen und Peugeot an den Start gehen. Vielleicht wäre aber Kronos daran interessiert, als Kunde die 207 S2000 in der WM einzusetzen, schliesslich betreut man ja auch den IRC-Einsatz. Zudem man ja auch massig WRC-Erfahrung hat.

Das umfangreiche Maßnahmenpaket für die kommenden Jahre umfasst auch eine Verbesserung der Vermarktung der WRC, die sowohl Citroen als auch Ford forderten. Weniger erfreut dürfte vor allem Citroen-Chef Quesnel aber darüber sein, dass auch 2010 die Rallye Monte Carlo nicht im Kalender ist.

IRC:
Auch die IRC prägte die Rallye-Saison 2009. Der große Auftakt fand nirgendwo geringer als in Monte Carlo statt, wo sich Sébastien Ogier in einem von Kronos Racing betreuten Peugeot 207 S2000 den Sieg holte. Doch bereits beim 2. Lauf in Curitiba fand sich ein dezimiertes Starterfeld wieder, was auch sehr symptomatisch für die IRC ist. Zu wenige permanente Starter, und nach der Rallye Monte Carlo eine sehr dürftige Übertragung von IRC-Mitgründer Eurosport. In der Gesamtwertung führt nach 5 von 11 Runden (nachdem die Rallye Japan von den Veranstaltern gestrichen wurde) Kris Meeke, der für Peugeot UK startet, mit 30 Punkten. Einen Gastauftritt bei seiner Heim-Rallye in Ypern in Belgien wagte Francois Duval mit einem Skoda Fabia. Dieser Auftritt war allerdings nach wenigen Metern bereits beendet denn der Belgier baute gleich in der ersten Wertungsprüfung einen Unfall und fiel aus. Die nächste Runde findet dieses Wochenende in Russland statt. Allerdings findet sich kein einziger Kronos Peugeot in der Startliste wieder so dass unter den 15 IRC-Startern nur 6 S2000 sind. An der Serie muss noch heftig gefeilt werden, möchte man der WRC den Rang ablaufen.

Bitte um eure Kommentare und euer Feedback! :D

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