Foren-Übersicht / Formel 1 / Historisches

"Pionierzeit"

Das Formel 1 Forum früherer Tage...

Beitrag Montag, 18. März 2002
Tom Tom

Beiträge: 2713
Hier hab Ihr die Möglichkeit, Fragen zu stellen, historische Auszüge zu veröffentlichen und diese zu diskutieren.......von der Pionierzeit bis zur "Silberpfeil - Ära" !

Einführungstext:

Das (inoffiziell) erste Rennen wurde 1887 in Paris ausgeschrieben, fand aber nur einen Teilnehmer, den De Dion -Bouton -Dampfwagen.

Entscheidend war das Jahr 1894, als die Zeitschrift \"Le Petit Journal\" einen Wettbewerb ausschrieb. Wagensysteme ohne Pferde von Paris nach Rouen (126 km). Als erster kam Graf de Dion in 6 Stunden und 48 Minuten ins Ziel, damals entsprach sein Dion -Bouton nicht der Ausschreibung und die Siegerprämie von 5000 Franc wanderte zu Peugeot und Panhard - Levassor, die mit einem Zweizylindermotor von Daimler unterwegs waren.

De Dion ärgerte sich fürchterlich und gründete mit Baron van Zuylen, Paul Meyan (Pariser Journalist) und Marquis de Chasseloup den französischen Automobilclub, der (de Dion) auch Veranstalter des ersten offiziellem Automobilrennes am 11.06.1895 ( Start) von Paris - Bordeaux- Paris war. Das Preisgeld lag bei 70 000 Franc und wurde unter den ersten Sieben aufgeteilt.

1895 benötigte man für die knapp 1200 Kilometer lange Strecke 48 Stunden und 47 Minuten, also eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 24 km/h. Emile Levassor, der gleichzeitig Konstrukteur, Hersteller und Rennfahrer war, erreichte diese Zeit. Marquis de Chasseloup stellte 1898 mit 63,1 km den damals offiziellen Geschwindigkeitsrekord auf.

Weitere historische Erinnerungen wurden unter der "Frage des Tages.....im März (Seiten 4 - 6)" diskutiert und in einigen anderen Threads, die mit der Option Suche zu finden sind.

[br]----------------[br]Gruß

Tom
Herzliche Grüße

Tom

Beitrag Dienstag, 19. März 2002

Beiträge: 950
Hier noch mal ein paar Bilder aus meinem Archiv zu der Suchaktion in der 'Frage des Tages März' zum Thema Levassor 1895 oder 1896. Beide Bilder unten aus meinem Archiv (ein Gemälde und ein Foto vom Start) sind datiert zum Rennen Paris - Bordeaux - Paris. Auf dem Foto im Hintergrund is offensichtlich wieder unsere #5, der Levassor zu sehen. Das Fahrzeug im Vordergrund mit der #12 kann ich nicht einordnen - muß das wohl noch weitere Untersuchungen anstellen.

Nach den vielen Bildern über den 1895er Levassor halte ich es für wahrscheinlich, daß das erste gepostete Bild von Michael von eben diesem Rennen stammt - vergleicht man nur einmal die Motorhaube und die Schutzbleche über den Rädern.

Außerdem habe ich jetzt in mehreren Quellen nachgelesen - und diue Geschichte mit dem Hund scheint sich zu bestätigen...

Würde mich freuen noch mehr zu diesem Themen zu hören...

Bild

Bild

Beitrag Freitag, 07. Juni 2002

Beiträge: 950
@Michael (und alle die es sonst interessiert):
vor einigen Wochen hatten wir ja das Thema Lion Peugeot und (ich habe es gerade im Thread über DB erwähnt) manchmal finde ich auf der Suche nach etwas ganz anderem eben auch zu alten, abgeschlossenen Thema noch etwas. Da ich es nicht im Rätsel-Thread aufwärmen wollte habe ich mich entschlossen es hier zu posten. Also hier kommts. Wir hatten ja damals eine längere Diskussion über das Thema:

Bild

Wenn ich dem Buch (Flower; 'Autorennen') glauben kann zeigt das Bild Jules Goux 1910 beim Coupe des Voiturettes. Selbes Buch entält übrigens auch das damalige Rätselbild und definiert es als Boillot in Brookslands bei einem Rekordversuch. Über das Jahr schweigt sich das Buch allerdings aus. Ich hoffe jetzt mal, das Rätselbild stammte nicht aus diesem Buch. :)

Beitrag Freitag, 07. Juni 2002

Beiträge: 383
Mc, ich kann leider deine beiden Bilder des Rennens Paris - Bordeaux - Paris nicht sehen :(

... nichts desto trotz, ich glaube, ich kenne das Bild: das Auto mit der #12 ist ein Roger (nicht 'Roger-Benz'), ein französischer Lizenz-Benz sozusagen, pilotiert von Herrn Emile Roger selbst. Seinerzeit kaufte Roger einen Benz, den ersten Export dieser Marke. Im Anschluß wurde er General-Importeur für Frankreich und erwarb eine Lizenz von Benz zum Nachbau der 'Victoria'. Später (1897) wurde seine Firma in 'Maison Parisienne' umgetauft und baute weiter Autos in Benz-Lizenzen, genannt 'Parisienne'.

Wenn ihr euch tatsächlich für derart alte Karren interessiert (Rennwagen waren das jedenfalls noch keine ;) ), hier ein paar Bilder dazu:

http://mitglied.lycos.de/HISTORIC_GP/Pictures%20Of%20Great%20RacingCars/album/RC_1894.html

http://mitglied.lycos.de/HISTORIC_GP/Pictures%20Of%20Great%20RacingCars/album/RC_1895.html

http://mitglied.lycos.de/HISTORIC_GP/Pictures%20Of%20Great%20RacingCars/album/RC_1896.html

http://mitglied.lycos.de/HISTORIC_GP/Pictures%20Of%20Great%20RacingCars/album/RC_1897.html

E.T.

Beitrag Samstag, 08. Juni 2002

Beiträge: 1477
Das damalige Rätselbild mit dem Lion-Peugeot stammte aus "Oude Racers", einem holländischen Büchlein aus den 60er Jahren.

Beitrag Samstag, 08. Juni 2002

Beiträge: 950
Also irgendwie verrückt; ich suche nach Material zum Thema Deutsch Bonnet und finde stattdessen einen Lion Peugeot-Voiturette nach dem anderen! Das hier muß allerdings ein frühes Exemplar gewesen sein, denn es sieht nicht ganz so radikal überzogen aus wie die 5 vorher gezeigten Bilder.
Das dumme an Bildern aus der Zeit ist dass sie eben oft ungenau, falsch oder gar nicht datiert sind. Das untere wird beschrieben als Coupé des Voiturettes, 1909; Jules Goux steuert einen kleinen Lion Peugeot mit Zweizylindermotor. Man beachte die 'Hubbel' auf der Motorhaube!

Bild

@Egon:
Die Bilde oben aus der Pionierzeit sind leider nicht mehr sichtbar weil (momentan) mein Webspace sehr begrenzt ist - und ich muß die Bilder immer nach einer gewissen Zeit wieder vom Server runterschmeissen um Platz für neue Bilder zu bekommen. Ist mir gestern auch schon aufgefallen, als ich diesen Thread quasi wiedereröffnet habe - weil er ja ca. 3 Monate stillgelegen war - und (ooops!) meine alten Bilder waren schon gelöscht. Ich arbeite an dem Problem und habe auch schon Platz, aber momentan noch Probleme es von meinem Server aus ins Netz zu stellen. Hoffe es klappt demnächst - dann kann ich vielleicht auch mehr aus meinen Sammlungen zu Schau stellen. Leider ist aber momentan auch meine Zeit etwas knapp.
Und zu den wirklich frühen Rennen kann ich nur sagen; für mich ist auch ein solches Thema immer interessant - und an Beiträgen Deinerseits (oder auch von anderen) bin ich IMMER interessiert. Schließlich hängt es ja direkt mit dem heutigen Rennsport zusammen. Wir befinden und (gerade in der F1) immer mehr in einer derart hermetischen, abgekapselten Welt das ich eher hier die Frage stellen würde was das noch mit Rennsport zu tun hat. Das ist keine Wertung - ich schaue es immer noch mit grenzenloser Begeisterung an - meine Bewunderung gilt allerdings, ganz klar, anderen Epochen!

Beitrag Samstag, 08. Juni 2002

Beiträge: 383
Lion Peugeot:

Bereits im ersten Coupe des Voiturettes (damals oft auch Coupe de L'Auto genannt) am 12. November 1906 in Rambouillet war Lion-Peugeot werkseitig mit drei Autos dabei, gefahren von Giosue Guippone, Jules Goux und einem gewißen Aime. Dieser Coupe war ja damals von 'L_Auto' ins Leben gerufen worden, um den Motorsport wieder in 'normale Bahnen' zu lenken bzw auch kleineren Firmen die Teilnahme zu ermöglichen. Hauptintention war somit, die Kosten für die Teilnehmer zu minimieren. Echte Rennwagen sollten definitiv ausgeschlossen werden. Bereits für 1905 hatte L'Auto den Coupe ausgeschrieben, aber es gab erhebliche Probleme mit der Durchführung und die Veranstaltung war letztlich kein Rennen im eigentlichen Sinn. Während sechs Tagen hatten sich die Teilnehmer überhaupt erst zu qualifizieren! Schlußendlich gab es aber kein Rennen,sondern nur Bremstests(!) und ein paar Rekord-Wettbewerbe. Dieser Wettbewerb war auf Fahrzeuge mit maximal 1000 ccm Hubraum beschränkt. Das ganze war ein Fiasko, aber L'Auto ließ sich nicht entmutigen. Für 1906 wurde also eine echte Rennformel kreiert, wobei nur Ein- oder Zwei-Zylinder-Fahrzeuge zugelassen waren (wiederum, um 'echte Rennwagen' auszuschliessen). Zusätzlich wurde die Bohrung beschränkt, nämlich auf 90 mm für Zweizylinder und auf 120 mm für Einzylinder. Als Mindestgewicht wurden 700 kg festgelegt. Die Formel schlug ein wie ein Dampfhammer! Die alte ACF-Voiturettenformel von 1901 (Gewicht zwischen 400 und 650 kg) wurde praktisch weggefegt. 1906 beteiligten sich folgende Hersteller werksseitig:

Automobiles Delage: Delage mit DeDion-Motor (2 Autos)
Edmont Gentil: Alycon (2 Autos)
Ets. Sizaire et Naudin: Sizaire-Naudin (3 Autos; Sizaire und auch sein Teilhaber Naudin starteten sogar selbst, Sizaire siegte)
Auto Stands: Auto-Stands (1 Auto)
Voiturettes le Metais: Le Metais mit de Dion-Motor (1 Auto)
Automobiles Vulpes: Vulpes mit De Dion-Motor (1 Auto)
G Fouillaron: Fouillaron (1 Auto)
SA des Auto Peugeot (hatte nichts mit Auto et Cycles Peugeot zu tun, die beiden Firmen wurden aber 1911 verschmolzen !!!): Lion-Peugeot (3 Autos)
A Bailleau: Bailleau (1 Auto)

weiters genannt, aber nicht angetreten:
Ste. L'Auto-Reparation: Bolide (2 Fahrzeuge genannt, jedoch nicht angetreten)
Automobiles Ibis: Ibis (1 Fahrzeug genannt, jedoch nicht angetreten)
Civelli de Bosch et Cie: Civelli de Bosch (3 Fahrzeuge genannt, jedoch nicht angetreten)
ACMA Mieusset: Mieusset mit de Dion-Motor (1 Fahrzeug genannt, jedoch nicht angetreten)

Auffallend, daß keine Privatnenneungen abgegeben wurden, offensichtlich war auch in dieser Serie die Teilnahme auf die Hersteller beschränkt, wie auch bei den GPs.

Zurück zu Lion-Peugeot: Die tec specs des 1906-Autos fehlen mir gänzlich, vielleicht kann da ja wer nachhelfen. Bekannt ist mir nur, daß es sich um einen Einzylinder-Motor handelte. Cecil Clutton schreibt dazu: A Peugeot, which run third, was uninterestingly conventional by comparison with the winning Sizaire-Naudin. (Der hatte übrigens auch einen Einzylinder, 120x120, was einen Hubraum von 1356 ccm ergab und bei 2000 Umdrehungen ca. 18 PS leistete. Das Auto war nicht nur deswegen seiner Zeit voraus, weil es unabhängige Vorderradaufhängungen hatte.)

1907 änderte sich praktisch nichts: Die Formel blieb die gleiche, die Autos zumeist auch, Sizaire-Naudin siegte wieder, diesmal aber Naudin am Steuer - und Lion-Peugeot war wieder nur Dritter. Doch, eines hatte sich geändert: Die Teilnehmer-Liste explodierte förmlich: 67 Nennungen, 65 Teilnehmer, 32 beendeten die neun Runden.

1908 gab es eine neue Formel: Erstens wurden 4-Zylinder zugelassen und zweitens wurde die max. Bohrung wie folgt festgelegt: 100 / 80 / 65 (Für 1, 2, oder 4 Zylinder). Und dann geschah etwas, was man eigentlich schon fast erwarten mußte: der ACF nämlich hatte sich entschlossen, auch für GP-Fahrzeuge eine Formel mit limitierter Bohrung festzulegen und dann gleich auch die Voituretten neu zu definieren. Dabei konnte man sich natürlich nicht verkneifen, es 'besser' zu machen als L'Auto (was verstanden die denn schon von Rennautos?) und legte folgende Maximalbohrungen für Voituretten fest: 100 / 78 / 62. L'Auto war nicht gerade begeistert, aber weil das ACF-Rennen bereits zwei Monate früher stattfand und man den Unsinn zweier Parallel-Formel vermeiden wollte, übernahm man die ACF-Formel auch für den Coupe des Voiturettes. Wie sich dann zeigte, favorisierte diese Formel die Einzylinder ganz klar und L'Auto wäre mit dem ursprünglichen Ansatz wohl besser gelegen. Lion-Peugeot brachte - die neue Formel erforderte dies ohnehin - ein neues Auto mit folgenden Daten: 1 Zylinder 100x170 = 1335 ccm; Zum Sieg reichte es wieder nicht. Erneut blieb Sizaire-Naudin erfolgreich, Doppelsieg. Lion-Peugeot wieder nur Dritter. Langsam wurde dieser dritte Platz zur Qual.

Für 1909 zog man wohl zusätzliche Register, denn endlich klappte es: Guippone holte den ersten Sieg. Aber: Lion Peugot hatte zur Sicherheit zwei Autos entwickelt! Einen Einzylinder mit 100x250 und eine Zweizylinder von 80x192, was beidesmal Hubräume von annähernd zwei Litern ergab. Vorausgegangen war eine erneute Formeländerung durch L'Auto, diesmal im Alleingang. L'Auto's Intention war es ja gewesen, mit 'ganz gewöhnlichen Autos' zu fahren, nicht mit extremen Rennmonstern mit nur einem Zylinder extremer Dimensionen. Man wollte also Mehrzylinderfahrzeuge favorisieren. Die Formel wurde aber leider extrem kompliziert, weil man sich als Hersteller nun für die 1- / 2- / 4- Zylinder-Varianten entweder für eine maximale Bohrung oder einen maximalen Hub entscheiden mußte und zusätzlich dann aber wiederum höchszulässige Hub- oder Bohrungs-Dimensionen berücksichtigt werden mußten. (Falls das jetzt wirklich noch jemanden interessieren sollte, können wir das ja noch weiter ausführen). Das Auto oben (Goux #24) zeigt den Zweizylinder, von dem Clutton schreibt, daß er sich dem Einzylinder als klar unterlegen zeigte. Aber Goux wurde damit immerhin zweiter und lag lediglich 6 Minuten hinter Giuppone, der wie Boillot den Einzylinder fuhr. Ich habe ein Bild eines Lion-Peugeot vom 26.4.1909 (Madonie), der ist sichtlich höher gebaut und offensichtlich der Einzylinder. Leider ist mein Scanner seit zwei Wochen im Eimer und ich bin derzeit nicht in der Lage, die Bilder hier zu posten - mal sehen, wer das für mich erledigen könnte.

1910 legte Lion-Peugeot wiederum zwei Varianten auf. Einerseits den legendären VX-5, oben zu sehen mit #16, ein Zweizylinder mit 80x280 mm = 2803 ccm und andereseits einen Vierzylinder mit 65x260 = 3440 ccm. Meines Erachtens zeigt sich hier wieder einmal der enge Grat zwischen Genie und Wahnsinn. De Dion hält übrigens (zumindest meines Wissens, was nichts heißen muß) mit seinem Einzylinder von 300mm Bohrung für den 1910-Corre-La Licorne den ewigen Hub-Rekord. Diesmal fuhr Boillot den kränkelnden Vierzylinder, während Guippone und Goux mit dem sauschnellen Zweizylinder wohl besser bedient waren. Tja, und dann schlug Zucarelli mit dem Hispano-Suiza zu. Der war offensichtlich noch schneller. Das ist Racing.

Die Geschichte endet hier eigentlich noch nicht, aber 1911 wurden die beiden Peugeot-Schmieden zusammengelegt und ab dann waren auch die 'L'Auto'-Voituretten echte Peugeots. Insoferne kann man es auch als das Ende der Lion-Peugeots sehen.

E.T.

Beitrag Samstag, 08. Juni 2002

Beiträge: 950
Vielen Dank für den tollen & ausführlichen Nachbericht. Ich finde es immer ganz nett wenn eine Frage nicht nur einfach so aufgelöst wird, sondern auch noch etwas drumherum erzählt/diskutiert/berichtet wird. Das macht das ganze dann auch für mich (und viele andere, denke ich) viel wertvoller. Gerade solche kuriosen Teile wie z.B. der Lion Peugeot haben eine umfangreichere Berichterstattung verdient.

Thanx - und bitte weiter so. :)


Zurück zu Historisches