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Die GP-Geschichte von Renault

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Beitrag Samstag, 24. Oktober 2015

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Sieger des Premieren-GP
Inzwischen ist es offiziell: Renault will das Rennteam aus Enstone zurück und damit wieder mit einer eigenen Werksmannschaft in der Formel-1 an den Start gehen. Anlass genug, auf die höchst interessante GP-Geschichte des französischen Automobilherstellers zurückzublicken. Und sie beginnt auch mit der Geburt des Grand-Prix-Sports 1906.

Damals war das Renault-Werk gerade mal sieben Jahre alt. Und irgendwie auch noch ein Familienunternehmen. Louis Renault höchstpersönlich legte jedenfalls den GP-Rennwagen auf Kiel. Auch Fiat (heute Ferrari-Besitzer) und Mercedes waren damals schon mit von der Partie. Darüber hinaus aber auch neun weitere Marken. In der Frühphase des Automobils waren sportliche Wettkämpfe extrem wichtig für die Hersteller.

Vielleicht wäre Renault sonst auch gar nicht beim allerersten Grand Prix 1906 im französischen Le Mans gestartet. Denn bis dato machte Renault eher Bekanntschaft mit der tragischen Seite des Rennsports: Marcel Renault, Louis‘ Bruder und einer der Mitbegründer von Renault, verstarb 1903 beim Rennen von Paris nach Madrid, das wegen zahlreichen tödlichen Unfällen in Bordeaux vorzeitig abgebrochen wurde. Damit waren die Zeiten der Stadt-zu-Stadt-Rennen vorbei.

Frankreich als dominierende Automobilnation

Und auch der Gordon-Bennett-Cup kriselte. Um eine gewisse Chancengleichheit zu gewähren, waren von jedem Land nur drei Autos zum Rennen zugelassen. Frankreich war damals allerdings mit Abstand die erfolgreichste Autonation Europas. Für den Gordon-Bennett-Cup 1904 kamen aus Frankreich für die drei Plätze 29 Meldungen, 1905 waren es immerhin noch 24 Meldungen! Das französische Vorentscheidungsrennen war fast spannender als die Hauptveranstaltung selbst. Und kannte eben auch prominente Verlierer. Auch Renault: 1905 wurde Ferenc Szisz im Renault nur Fünfter – damit konnte auch Renault nicht zum Gordon-Bennett-Cup reisen.

Der Veranstaltungsort wurde nach dem Verfahren bestimmt, das man heute vom Eurovision-Songcontest kennt: Die Siegernation trägt das nächstjährige Rennen aus. 1905 gewann einmal mehr ein französischer Hersteller. Der nationale Automobilverband ACF wollte aber nicht mehr länger mit zusehen, wie die meisten französischen Autos nicht an den Start rollen durften. Man schrieb also eine neue Veranstaltung aus, den ersten offiziellen Grand Prix, für den nicht das Land die Meldungen einreichte, sondern jeder Hersteller teilnehmen durfte, der auch wollte und die nötigen Kriterien erfüllte.

Die britischen Hersteller (1905 waren beim Gordon-Bennett-Cup die Marken Wolseley und Napier dabei), sowie die amerikanischen Hersteller (1905 mit Pope-Toledo und Locomobile vertreten) machten zwar einen Bogen ums Rennen, weil sie eine herbe Niederlage gegen die Vielzahl französischer Hersteller fürchteten, aber dafür gab es Konkurrenz aus Deutschland und Italien. Gab es beim Gordon-Bennett-Cup 1905 nur 18 Starter, so waren es 1906 beim ersten Grand Prix stolze 32 Fahrzeuge! Die meisten kamen aus Frankreich, von den Herstellern Renault, Clément-Bayard, Brasier, Panhard, Lorraine-Dietrich, Hotchkiss, Darracq, Gabron-Brillié und Grégoire. Nur Serpollet, Turcat-Méry, Automoto und CGV, die sich noch 1904 oder ’05 am französischen Ausscheidungsrennen teilgenommen haben, fehlten.

Michelin als Rennentscheider


Der Grand Prix fand damals übrigens unter der Woche statt – und an zwei Tagen! Zwölf Runden mussten die Fahrer auf der rund 103 Kilometer langen Piste zurücklegen, das ergab eine Renndistanz von 1238 Kilometer. Gestartet wurde um sechs Uhr morgens, damit auch die langsamen Teilnehmer noch eine Chance hatten, bei Tageslicht das Ziel zu erreichen. Gestartet wurde übrigens auch nacheinander im 90-Sekunden-Intervall, den Massenstart, der inzwischen in allen Rundstreckenrennen zu sehen ist, kam erst in den 20er Jahren in Mode.

Die Strecke wurde eigens für die Veranstaltung geteert. Damals bestanden die Straßen meist aus Schotterwegen, noch aus Zeiten der Pferdefuhrwerke. Auch die Teertechnologie steckte damals noch in den Kinderschuhen: In der sengenden Hitze schmolz der Asphalt und brach auf. Steinschläge waren die Folge, die Mensch und Material zusetzten. Es gab Verletzungen und Reifenschaden zuhauf.

Gerade wegen den diversen Reifenwechsel wurde das Rennen auch über den Reifenhersteller entschieden: Renault arbeitete damals mit Michelin zusammen – und die brachten abnehmbare Felgen mit zu den Rennen. Die Reifen konnten also als Ganzes gewechselt werden, was die Reifenwechsel erheblich beschleunigte. Weil diese damals nur vom Fahrer und dem Beifahrer getätigt werden durften, war dies ein immenser Vorteil.

13 Kilogramm Gold als Siegerpreis

Die Eckdaten des Renault-GP-Rennwagens, genannt Renault 3B 90 CV, waren für die damaligen Verhältnisse aber durchaus beachtlich: Der Reihen-4-Zylinder-Motor leistete bei 13 Liter Hubraum rund 90 PS. Die Kraft wurde mittels eines Dreiganggetriebes übertragen – manuell versteht sich. Damals mussten vor allem die Beifahrer Schwerstarbeit verrichten: Sie pumpten mit Hand und Fuß unter anderem Öl in den Motor.

Ferenc Szisz, der für Renault den Grand Prix vor Fiat-Fahrer Felice Nazzaro gewinnen konnte, begann seine Rennkarriere als solcher Beifahrer von Marcel Renault. Der Ungar war eigentlich Eisenbahn-Ingenieur, wurde dann aber von der aufkeimenden Automobiltechnik angesteckt und vom Rennbazillus infiziert. Sein Durchschnittsrenntempo betrug damals 101,195 km/h. Abgewunken wurde er übrigens mit der schwarzen Flagge, die heute als Zeichen der Disqualifikation verwendet wird. Das Preisgeld für den Sieg hatte den Wert von 13 Kilogramm Gold!

In den folgenden zwei Jahren konnte Renault den Erfolg nicht mehr wiederholen. 1907 wurde das Ergebnis umgedreht: Nazzaro gewann vor Szisz. 1908 war der Wagen veraltet. Beim Frankreich-GP, das noch immer der Jahreshöhepunkt war, wurde der Russe Sergey Dimitriewich im besten Renault noch Achter. Danach zog sich der französische Hersteller vom GP-Sport zurück – und kehrte erst rund 70 Jahre später wieder zurück.

Beitrag Sonntag, 25. Oktober 2015

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Turbo-Pionier
Fast 70 Jahre vergingen, bis Renault sich 1977 mit Pauken und Trompeten zurückmeldete und wieder in den GP-Sport einstieg. Inzwischen hatte sich viel verändert: Die GP-Rennen wurden zu einer Weltmeisterschaft zusammengefasst, das Ganze unter dem Namen Formel-1. Darüber hinaus gab es nicht mehr nur Automobilhersteller als Teilnehmer, sondern professionelle Rennteams. Im Vordergrund standen die Chassis, denn diverse Teams fuhren alle mit demselben Motor von Cosworth – und der wurde schon Jahre eingesetzt, in nur leicht überarbeiteter Version.

Mit dem Einstieg von Renault änderte sich das wieder. Nicht, weil neben Ferrari damit wieder ein zweiter großer Automobilkonzern mitmischte, sondern weil Renault nicht einfach so in die Formel-1 kam, sondern mit einer revolutionären Innovation: Einem Turbo-Motor. Die Idee griff sich Motorenchef Bernard Dudot von den IndyCars ab, wo Turbomotoren schon Standard waren. Doch die Konkurrenz belächelte das Vorhaben, weil die IndyCars hauptsächlich auf Ovalkursen unterwegs waren, auf denen meist Vollgas gegeben wird. Der große Nachteil des Turbolochs in unteren Drehzahlbereichen kam im amerikanischen F1-Pendant also kaum zum Tragen, bei den Streckentypen der Formel-1 mit vielen Kurven und auch langsamen Passagen jedoch sehr wohl.

Das Renault-Team wurde von Gérard Larrousse geleitet, der 1974 für die Scuderia Filipinetti selbst noch einen Grand Prix als Fahrer bestritt: Mit dem Kunden-Brabham Ford konnte Larrousse den Belgien-GP jedoch nicht beenden. Er wurde daraufhin Teamchef der Elf-Mannschaft in der Formel-2. Sie verwendete bereits Renault-Motoren, die Chassis wurden von Alpine gebaut. 1976 wurde Jean-Pierre Jabouille F2-Europameister. Auf Basis dieses Teams fußte auch das Renault-Werksteam, Alpine baute sogar das erste F1-Chassis, Larrousse wurde Teamchef, Jabouille der einzige Fahrer.

Wegen „gelben Teekessel“ belächelt

Wie von der Konkurrenz erwartet, war der Einstand eine Farce. Ab dem Großen Preis von England fuhr Renault 1977 fünf Testrennen, nie erreichte man das Ziel, immer wieder machte der Motor Faxen. Durch die gelbe Lackierung und durch die spektakulären weißen Rauchfahnen, mit denen sich die Motoren stets verabschiedeten, betitelte die Fachwelt den Renault-Turbo bald als „gelben Teekessel“. Doch Renault verfolgte das Konzept unbeirrt weiter.

1978 stimmte zumindest schon der Speed des Fahrzeugs. Zwei Mal konnte sich Jabouille mit dem Renault für den dritten Startplatz qualifizieren. Aber die Ausfallquote war noch immer ernüchternd: Im Sommer musste man sieben Ausfälle in Folge hinnehmen, nur fünf Mal erreichte man überhaupt das Ziel. Rang vier beim USA-GP brachte die ersten WM-Punkte, aber Platz zwölf in der Gesamtwertung hinter Bastlerteams wie Wolf, Fittipaldi und Shadow waren kein würdiger Auftritt eines Automobilgiganten.

Die Erlösung kam 1979: Jabouille gewinnt den Großen Preis von Frankreich, ein Rennen, das heute als ein Thriller gilt. Hinter Jabouille tobte nämlich ein Jahrhundert-Zweikampf um Rang zwei zwischen Draufgänger Gilles Villeneuve im Ferrari und dem zweiten Renault-Fahrer René Arnoux, der nach zahlreichen Platzwechseln und leichten Berührungen sich dem Kanadier geschlagen geben musste. Noch immer war die Zuverlässigkeit die Achillesferse bei Renault. Designer Michel Tétu, der zuvor bei Ligier F1-Erfahrung gesammelt hat, verpasste dem Renault-Chassis den von Lotus ein Jahr zuvor salonfähig gemachten Bodeneffekt, der einen Quantensprung im aerodynamischen F1-Rennwagenbau darstellte. Zusammen mit dem 520 PS starken Renault-Turbo gab es fünf Pole-Positions, drei Mal durch Jabouille, zwei Mal durch Arnoux. Aber nur vier Mal kam ein Renault überhaupt ins Ziel.

Ferrari aus dem Stand heraus stärker


Nichts desto trotz hat auch die Konkurrenz die Zeichen der Zeit erkannt: Ferrari fühlte sich ermutigt, einen eigenen Turbomotor zu entwickeln. Die Tatsache, dass die Motoren in der Formel-1 plötzlich wieder eine gewichtige Rolle spielten, ermutigte auch diverse Hersteller zum Einstieg in den GP-Sport. Porsche, Honda, Alfa Romeo – nach und nach kehrten diverse bekannte Namen zurück auf die internationale Rennsportbühne, die die Formel-1 nach wie vor bot.

Damit bekam aber auch Renault Konkurrenz. Ferraris Turbomotor war aus dem Stand heraus leistungsstärker als das Triebwerk von Renault. Trotzdem fuhr man mit Alain Prost 1982 und vor allem 1983 um den WM-Titel. Prost dockte 1981 eigentlich nur als Notlösung bei Renault an, weil Jabouille nach einem schweren Testunfall seine Karriere beenden musste. Doch Prost, der später mit McLaren und Williams auch vier Weltmeisterschaften gewann, wurde zum goldenen Fang. Auch wenn er mit Renault nur zwei Mal die Vizemeisterschaft holte.

Besonders 1983 wurde es eng. Erst im Finale musste sich Prost dem Brabham-Fahrer Nelson Piquet beugen, der mit einem Turbomotor von BMW ausgerüstet war und damit der erste F1-Turbo-Weltmeister wurde. 1982 konnte sich noch einmal Keke Rosberg mit einem Ford-Cosworth-Sauger durchsetzen, in einer Saison, die elf verschiedene Sieger kannte, weil diverse Teams schnell, aber unzuverlässig waren. Die Turboära war die mit der höchsten Ausfallbilanz. Der Titel von Piquet war durchaus umstritten. Angeblich stimmte die Oktanzahl im Benzin nicht ganz. Um aus den Turbos die letzte Leistungssteigerung herauszuquetschen, experimentierten die Teams und Hersteller viel mit dem Treibstoff.

Knappe Niederlage als Höhepunkt


Mit der Saison 1983 war Renault auch schon am Höhepunkt angekommen. Prost wechselte 1984 zu McLaren – bis heute hält sich das Gerücht, er hätte damals mit der Frau eines Vorgesetzten eine Affäre begonnen. Renault versuchte in der Folge immer wieder einen neuen Spitzenmann zu verpflichten. Gespräche mit Niki Lauda, Nelson Piquet und Keke Rosberg liefen aber jeweils ins Leere. Derek Warwick und Patrick Tambay galten damals zwar als viel versprechende Fahrer mit WM-Potenzial, aber zu den ganz großen gehörten sie nicht.

Ab 1984 wurde die Formel-1 auch von Porsche dominiert. Die Turbomotoren waren extrem teuer, um das Überleben der kleinen Teams zu sichern, wollten die Regelhüter die kostengünstigeren Saugermotoren am Leben und konkurrenzfähig halten. Die Turbomotoren, die teilweise schon die 1000-PS-Marke überschritten und damit fast doppelt so viel Leistung hergaben, als noch wenige Jahre zuvor, wurden daher mit Limits etwa beim Ladedruck, aber auch beim Benzinverbrauch eingebremst. Effizienter Umgang mit dem Sprit war wichtig. Porsche hatte hier als Dominator der Langstreckenszene einen klaren Erfahrungsvorsprung, den die Deutschen bei McLaren auch voll ausspielten.

Renault hatte dagegen immer mehr Baustellen. Rennleiter Larrousse verließ das Team und gründete später seine eigene F1-Mannschaft. Der Ersatz Gerard Toth war im Rennsport noch völlig unerfahren. Besonders im Bereich des elektronischen Motormanagements hatte Renault gegenüber den anderen Herstellern das Nachsehen. In der letzten Saison 1985 rutschte man auf Platz sieben in der Konstrukteurs-WM ab – und lag damit hinter McLaren Porsche, Ferrari, Williams Honda, Brabham-BMW und sogar den beiden Renault-Kundenteams Lotus und Ligier! 1986 blieb man noch als Motorlieferant für Tyrrell und Ligier an Bord, dann aber kehrte Renault der Formel-1 endgültig wieder den Rücken.

15 GP-Siege als Bilanz


Renault war also der innovative Pionier, der die Turboära der Formel-1 und damit das Gesicht des GP-Sports für nicht ganz ein Jahrzehnt maßgeblich prägte. Aber den großen Erfolg feierten die anderen. Immerhin resultierten aus dieser Phase des Renault-Engagements 15 GP-Siege.

Beitrag Sonntag, 25. Oktober 2015
CMR CMR

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MichaelZ hat geschrieben:

Renault hatte dagegen immer mehr Baustellen. Rennleiter Larrousse verließ das Team und gründete später seine eigene F1-Mannschaft. Der Ersatz Gerard Toth war im Rennsport noch völlig unerfahren. Besonders im Bereich des elektronischen Motormanagements hatte Renault gegenüber den anderen Herstellern das Nachsehen. In der letzten Saison 1985 rutschte man auf Platz sieben in der Konstrukteurs-WM ab – und lag damit hinter McLaren Porsche, Ferrari, Williams Honda, Brabham-BMW und sogar den beiden Renault-Kundenteams Lotus und Ligier! 1986 blieb man noch als Motorlieferant für Tyrrell und Ligier an Bord, dann aber kehrte Renault der Formel-1 endgültig wieder den Rücken.

1986 belieferte man neben Ligier und Tyrrell immer noch Lotus und holte mit Senna die meisten Pole Positions. Im Rennen hatte man aber nicht so ein gutes Leistungs-/Verbrauchsverhältnis wie die Honda und musste mit weniger Ladedruck fahren um nicht ohne Benzin liegen zu bleiben.

Beitrag Montag, 26. Oktober 2015

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Williams-Weltmeistermacher
Man war nur zwei Jahre raus aus der Formel-1, als man 1989 schon wieder zurückkehrte. Das Verbot der Turbomotoren sorgte zwischenzeitlich für eine Senkung der Kosten. Als F1-Motorenlieferant aufzutreten, war plötzlich wieder attraktiv. Renault legte daher einen V10-Saugermotor auf Kiel und schloss sich dem Ex-Weltmeisterteam Williams an. Es entstand eine der erfolgreichsten Ehen aller Zeiten.

Williams verlor Ende 1987 Motorpartner Honda an McLaren. Das Übergangsjahr 1988 bestritt das damalige Topteam mit Motoren von Judd, die überhaupt nicht konkurrenzfähig waren. Daher empfing man Renault natürlich mit offenen Armen. Für die Saison 1989 überarbeitete Williams das Chassis nur marginal. Hauptsächlich ging es darum, den V10-Motor von Renault ins Auto zu integrieren. Das Judd-Triebwerk hatte nur acht Zylinder.

Schon von Anfang an war klar: Mit dem neuen Sauger-Reglement kommt Renault bestens zurecht. Riccardo Patrese raste beim Comeback-Rennen in Brasilien gleich auf Startplatz zwei, drehte die Schnellste Rennrunde und hatte auch lange Zeit die Führung inne – wegen eines defekten Dämpfers musste der Italiener allerdings vorzeitig die Segel streichen. Auch in Ungarn war er auf dem Weg zum Sieg, als sein Williams Renault überhitzte und schlapp machte. Teamkollege Thierry Boutsen gewann dafür das Regenrennen in Ungarn und feierte damit seinen ersten GP-Sieg überhaupt!

Wende mit Mansell


Die Saison 1990 war noch eine Übergangssaison. Patrese und Boutsen holten sich jeweils einen Sieg, Williams landete am Ende auf Rang vier in der Konstrukteurswertung. Doch die Mannschaft aus Grove erkannte: Boutsen und Patrese sind zwei gute Fahrer, aber auch keine herausragende Talente. Die Verpflichtung von Michele Alboreto, der 1985 immerhin Vizemeister im Ferrari wurde und damit als einziger McLaren-Porsche-Fahrer Alain Prost Contra geben konnte, scheiterte an seinem Tyrrell-Vertrag. Am Youngster Johnny Herbert ließ Williams dann lieber die Finger, als er bei einem Formel-3000-Crash schwere Beinverletzungen erlitt. Zwar gewann Herbert später noch drei F1-Rennen, aber der Brite litt seine gesamte Laufbahn über unter Folgeproblemen.

Für 1991 konnte Williams dann einen großen Fahrer verpflichten: Nigel Mansell kehrte zurück, nachdem er 1986 wegen eines dramatischen Reifenschadens die Weltmeisterschaft verlor und auch 1987 teamintern in einem packenden Teamfight Nelson Piquet unterlag. Darüber hinaus verpflichtete Williams auch Adrian Newey, einen der besten Aerodynamiker der F1-Geschichte, der auch heute bei Red Bull noch eine wichtige Figur ist. Und tatsächlich deutete sich 1991 schon an, was in den folgenden Jahren passieren wird: Williams-Renault wird zum dominierenden Team: Fünf Rennen gewann Mansell, zwei noch Patrese.

1992 holte sich Mansell mit 39 Jahren doch noch seinen lang ersehnten WM-Titel. Es war seine Saison: Bereits beim elften von 16 Saisonrennen im Juli sicherte er sich vorzeitig die Meisterschaft – eine derartige Überlegenheit hat die Formel-1 zuvor noch nicht gesehen. Und trotzdem zogen dunkle Wolken auf: Am Ende der Saison wechselte Mansell in die IndyCar zu Newman Haas. Williams suchte nämlich eifrig nach Mansell-Nachfolgern und wurde in Alain Prost fündig, mit dem Mansell 1990 schon bei Ferrari zusammenfuhr und nicht unbedingt die besten Erinnerungen daran hatte. Auch flirtete Williams bereits eifrig mit Ayrton Senna.

Wechselnde Weltmeister

Neben Williams rüstete Renault 1992 auch erstmals das Ligier-Team mit einem Jahr alten Renault-Motoren aus. Ligier versuchte auch Prost als Fahrer zu gewinnen um noch einmal einen Versuch zu starten, die Spitze anzugreifen. Doch vergebens: Prost lehnte ab und Ende 1992 war Ligier finanziell so sehr in Bedrängnis geraten, dass das Team zum Verkauf stand. McLaren-Chef Ron Dennis wollte Ligier übernehmen, um die Renault-Motoren zu McLaren zu bringen. Nach dem Rückzug von Honda brauchte McLaren einen neuen Partner. Gespräche liefen mit Chrysler, aber eben auch mit Renault. Doch zwischen Renault und Dennis herrschte über das Benzin keine Einigkeit: Renault hatte Mineralölhersteller Elf als Partner, McLaren jedoch Shell. Statt Dennis schlug daher Cyril de Rouvre zu, Ligier lebte weiter, Renault lieferte die Motoren, aber wirklich konkurrenzfähig war man nicht.

Anders als Williams: Prost dominierte 1993 in ähnlicher Manier wie Mansell ein Jahr zuvor und sicherte sich nach einer Saison Pause seinen vierten WM-Titel. Dann trat er aber endgültig zurück, weil 1994 Ayrton Senna andockte. Der Unfalltod des Brasilianers beim Imola-GP war der Tiefpunkt der Williams-Renault-Geschichte. Die Weltmeisterschaft verlor man außerdem an das trickreiche Benetton-Team und den neuen Superstar Michael Schumacher. Benetton-Teamchef Flavio Briatore setzte außerdem den Dennis-Plan von zwei Jahren zuvor in die Tat um: Nachdem De Rouvre im Dezember 1993 verhaftet wurde, kaufte sich Briatore das Ligier-Team und zog die Renault-Motoren zu Benetton ab.

Renault war darüber sogar froh und gab Benetton aktuelle Motoren, statt wie Ligier nur Vorjahresaggregate. Dank Michael Schumacher gab es in Deutschland nämlich einen riesigen Fan-Hype und Renault hoffte mit einem weiteren Titelgewinn die Absatzzahlen in Deutschland deutlich in die Höhe treiben zu können. Michael Schumacher wurde auch tatsächlich Weltmeister, im Kampf gegen Damon Hill, der bei Williams ebenfalls einen Renault-Motor fuhr. Nachdem Schumacher 1996 allerdings zu Ferrari wechselte und einige wichtige Mitarbeiter mitnahm, fiel Benetton zurück – und Williams war quasi wieder ganz alleine an der Spitze.

Weltmeister mit Schumacher

Damon Hill 1996 und Jacques Villeneuve 1997 holten sich daher recht unspektakulär den WM-Titel in einem Williams-Renault. Doch dann entschied sich Renault Ende 1997 zum Rückzug aus der Formel-1. Weil alle Weltmeister von Williams im Jahr danach bereits die Flucht ergriffen, egal ob Mansell, Prost oder Hill, konnte Renault nie ein eigenes Aushängeschild präsentieren. Doch der sportliche Erfolg von Renault in dieser Ära war herausragend: Nur in den ersten drei Jahren, sowie 1994 verlor man den WM-Titel, ansonsten wurde der Weltmeister in den 90er Jahren stets von einem Renault-Motor angetrieben.

Logisch, dass die Triebwerke der Franzosen auch nach dem Werksrückzug noch begehrt waren und daher weiterhin ihren Platz in der Formel-1 hatten. Mécachrome war schon seit Jahren bei Renault in der F1-Motorentwicklung involviert und wartete die Motoren weiterhin. Ab 1999 übernahm außerdem Supertec den Vertrieb. Hinter Supertec steckte kein geringerer als Flavio Briatore, der bei Renault in Zukunft noch eine größere Rolle spielen sollte.

Als Mécachrome und Supertec hatten die Renault-Motoren ab 1998 nicht mehr ansatzweise den Erfolg wie mit der Werksunterstützung, schon alleine deswegen, weil sie kaum mehr weiterentwickelt wurden. Williams suchte sich mit BMW daher einen neuen Motorpartner, aber die Deutschen waren erst 2000 mit der Lieferung bereit. Benetton wollte 1999 den Rennstall an Ford verkaufen, aber Ford vertiefte die Partnerschaft mit dem Stewart-Rennstall von Ex-Weltmeister Jackie Stewart und dessen Sohn Paul. 2000 wurde die Mannschaft in Jaguar umgetauft, einer bekannten Ford-Marke. Benetton fuhr daher weiter mit den Supertec-Motoren und auch BAR und Arrows bauten die Triebwerke ins Heck. Mehr als einzelne Podestplätze waren damit aber nicht mehr zu holen, einen Sieg gab es ab 1998 nicht mehr.

Beitrag Montag, 26. Oktober 2015
CMR CMR

Beiträge: 4496
MichaelZ hat geschrieben:

Teamkollege Thierry Boutsen gewann dafür das Regenrennen in Ungarn und feierte damit seinen ersten GP-Sieg überhaupt!

Anstelle Ungarn 1989 sollte da Kanada stehen. In Ungarn war es trocken und es gewann Mansell von 12 Startplatz aus.

Beitrag Montag, 26. Oktober 2015

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Stimmt natürlich, sorry.

Beitrag Dienstag, 27. Oktober 2015

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Werksrückkehr
Es ist wie eine Sucht: Man kann nicht lange ohne die Droge. Im Fall von Renault heißt die Droge Formel-1. Nachdem man erst Ende 1997 den Rückzug antrat, kaufte sich Renault im März 2000 bereits das Benetton-Team für 125 Millionen US-Dollar auf und bereitete auf Basis der Weltmeistertruppe von 1994 und ’95 das nächste F1-Comeback vor.

2001 nannte sich das Team weiterhin Benetton. Die Mannschaft fiel von der Spitze bis fast ganz nach hinten zurück und bevor Renault sich auch als Namensgeber des Projekts outete, musste der Rennstall wieder konkurrenzfähig werden. 2002 war es dann so weit. Jenson Button und Jarno Trulli fuhren in den neun hellblau-gelben Werks-Renault-Boliden. An der Boxenmauer zog Flavio Briatore die Fäden, der Benetton schon einmal zum Weltmeister machte und die Mannschaft aus Enstone daher sehr gut kannte. Und Briatore vertrieb in den Jahren zuvor unter dem Supertec-Banner die alten Renault-Motoren.

Von Anfang an wollte Renault das F1-Projekt innovativ angehen – wie schon in den 70er Jahren mit den Turbomotoren. Auch dieses Mal versteifte man sich wieder auf die Triebwerke: Die V10-Aggregate hatten einen ungewöhnlichen 111-Grad-Winkel. Damit wollte man den Einbau ins Chassis möglichst kompakt gestalten, um den Aerodynamikern mehr Raum für Spielereien zu lassen. Längst wurden F1-Rennen hauptsächlich über eine gute Aerodynamik gewonnen.

Motor nie auf der Höhe

Schon nach einem Jahr wich Renault aber wieder vom Konzept ab: Die Motoren waren zu schwer und zu durstig. Mit Fernando Alonso holte sich Renault 2003 außerdem einen hoffnungsvollen Nachwuchsfahrer aus Spanien ins Team, der auch von Briatore gefördert wurde. Alonso sicherte sich in Ungarn seinen ersten F1-Sieg – als bis dato jüngster Fahrer! Besonders auffallend waren die Raketenstarts von Renault, auch in den folgenden Jahren. Eine Startautomatik war damals ja noch erlaubt – und hier war Renault federführend.

Unter der Leitung von Briatore gab es um Renault wie schon in den 90er Jahren bei Benetton viele Diskussionen. 2004 ging es los, mit der überraschendenden Entlassung von Jarno Trulli, der drei Rennen vor Saisonende von Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve ersetzt wurde. Trulli holte noch in Monte Carlo den einzigen Renault-Sieg des Jahres, erlebte dann aber einen riesigen Einbruch mit vielen Defekten. Manche werfen Briatore vor, er wollte seinen Schützling Alonso wieder zur klaren Nummer eins machen, nachdem sich der Spanier 2004 erstaunlich schwer gegen Trulli tat.

Aus der Nummer-1-Fahrerpolitik machte Briatore auch nie einen Hehl. Mit Giancarlo Fisichella wurde ab 2005 ein Fahrer Alonso-Gefährte, der zwar schnell war, aber nicht die Klasse eines Alonsos hatte – und daher sich bestens zum Wasserträger eignete. Renault profitierte 2005 auch vom Reifenkrieg, in dem Ferrari nach fünf WM-Titeln in Folge den Kürzeren zog. Ferrari wurde von Bridgestone so sehr bevorzugt, dass immer mehr Teams in die Arme von Michelin flüchteten, 2005 sogar Ferrari-Kundenteam Sauber! Michelin erhielt bei den damals noch offenen Testfahrten so viele Daten, dass sie gegenüber Bridgestone einen riesigen Vorteil entwickelten.

WM-Titel gegen Schumacher


Renault war 2005 daher Spitze, hatte nur McLaren als Gegner. Der McLaren Mercedes erwies sich aber als unzuverlässig, der WM-Kampf zwischen Fernando Alonso und Kimi Räikkönen wurde also auch über die Ausfallquote entschieden. Alonso setzte sich durch und er war gemeinsam mit seinem schillernden und auch in den Boulevardmedien prominent vertretenen Teamchef Briatore am F1-Olymp angelangt. Renault war erstmals in der Firmengeschichte F1-Weltmeister.

Noch bedeutender war der Titelgewinn 2006. Alonso wurde einst so zitiert: „Ich habe immer gesagt, ich möchte den Titel holen, solange Michael Schumacher noch fährt. Ich bin sehr stolz, gegen ihn gefahren zu sein.“ Der WM-Kampf 2006 zwischen Alonso und Schumacher polarisierte. Erstmals hatte man das Gefühl, dass ein jüngerer Fahrer Schumacher das Wasser reichen konnte. In seiner letzten Saison vor dem Rücktritt – wie wir heute wissen, seinem vorrübergehenden Rücktritt – bäumte Schumacher mit Ferrari aber nochmal alle Kraft auf. Gegen Alonso führte er einen packenden WM-Kampf, erst ein Motorschaden in Japan brachte die Vorentscheidung zugunsten von Alonso und Renault.

Ein bestimmendes Thema war auch die Diskussion um die Legalität des Massedämpfers, den viele Teams einsetzten, der aber vor allem bei Renault extrem gut funktionierte. Im Herbst 2005 wurde dieser Dämpfer, der für ein besseres Fahrverhalten der Boliden auf der Strecke sorgte, von Renault salonfähig gemacht. Mitten in der Saison 2006 entschied der Automobilweltverband FIA plötzlich, dass es sich dabei um ein bewegliches aerodynamisches Hilfsmittel handelte und daher vom Reglement her untersagt war. Vor allem Renault fühlte sich betrogen, glaubte die FIA wolle die WM zugunsten von Ferrari spannender halten oder sogar entscheiden. Der Massedämpfer wurde verboten, Renault wurde aber trotzdem noch Weltmeister.

Immer wieder Diskussionen


Schon im Dezember 2005, kurz nach seinem ersten Titelgewinn, unterzeichnete Alonso einen Vertrag mit McLaren für die Saison 2007. Renault stand daher ohne das eigene Aushängeschild dar – und fiel ins Mittelfeld zurück. Mit Giancarlo Fisichella und Heikki Kovalainen gelang kein einziger WM-Titel, am Ende war man nur das viertbeste Team. Weil bei McLaren aber ein fürchterlicher Streit herrschte, unter anderem zwischen Fernando Alonso und Neuling Lewis Hamilton, kehrte der Spanier schon 2008 wieder in Briatores Arme zurück.

Renault aber sackte noch weiter ins Mittelfeld ab. Im Herbst gelang Alonso ein Doppelschlag: Sieg bei den Großen Preise von Singapur und Japan. Ein Jahr später kam heraus: Renault hat in Singapur betrogen. Alonsos Teamkollege Nelson Piquet jr., Sohn des dreimaligen Weltmeisters Nelson Piquet, hat damals absichtlich einen Unfall gebaut. Er löste damit eine Safety-Car-Phase aus, auf die sich Renault und Alonso strategisch im Wissen, was passieren würde, bestens vorbereitet hatten. Alonso kam sehr früh zum Tanken, das Safety-Car führte das Feld zusammen und als alle anderen Fahrer Sprit nachfassten, wurde Alonso nach vorne gespült.

Dieser Betrug schlug hohe Wellen. Renault wurde für zwei Jahre gesperrt, allerdings auf Bewährung. Auch Teamchef Flavio Briatore und Cheftechniker Pat Symonds mussten ihre Posten aufgeben. Bob Bell übernahm übergangsweise die Geschicke des Renault-Teams, aber die Franzosen machten sich fortan sogar für einen Rückzug aus der Formel-1 stark. Seit Herbst 2008 hatten im Zuge der Wirtschaftskrise aber auch schon Honda, BMW und Toyota die Formel-1 verlassen. F1-Chefvermarkter Bernie Ecclestone versuchte Renault daher bei der Stange zu halten. Die Lösung: Renault verkauft das Werksteam, blieb aber als Motorhersteller an Bord.

Verkauf an Lopez

Sportlich lief es für Renault auch schlecht. Man sackte auf Rang acht in der Tabelle ab, nur die kleinen Teams Force India und Toro Rosso waren schlechter platziert. Seit 2006 die F1-Motoren eingefroren wurden und an ihnen nichts mehr entwickelt werden durfte, verlor Renault sukzessive Zeit auf die Konkurrenz, die es besser verstand, aus dem Motorenumfeld mehr Leistung zu erzielen als Renault. Für Renault wurden daher Ausnahmeregelungen geschaffen, die es ihnen erlaubte, etwas nachzubessern.

Das Renault-Team wurde indes von der Investmentfirma Genii Capital gekauft. Dahinter steckt Gérard Lopez, ein Luxemburger Geschäftsmann, der aber auch Amateur-Rennen bestreitet und in seiner Autosammlung mehrere F1-Rennwagen hat, darunter einen Benetton-F1-Boliden. Renault blieb mit 35 Prozent am Team beteiligt und war 2010 auch noch Namensgeber.

Während Alonso die Mannschaft in Richtung Ferrari verließ, kam Robert Kubica als große neue Hoffnung an Bord. Dem Polen wurden Weltmeisterschafts-Qualitäten bescheinigt, er gewann 2008 im BMW Sauber auch den Großen Preis von Kanada. Vor der Saison 2011 zog er sich bei einem Rallye-Unfall aber schwere Verletzungen zu – bis heute fuhr er keine Rundstreckenrennen mehr, geschweige denn F1-Rennen. 2011 übernahm Genii Capital dann auch die restlichen Renault-Anteile und taufte das Team 2012 auch in Lotus um. Von der Traditionsmarke erkaufte und erstritt man sich die Namensrechte. Das Band zu Renault war damit endgültig gelöst, wenngleich man neben Red Bull und Williams noch mit Motoren von Renault versorgt wurde.

Mit 19 GP-Siegen und zwei WM-Titel als Bilanz ging jedenfalls das zweite Renault-Werkskapitel in der Formel-1 zu Ende. Nun spannte man voll mit Red Bull zusammen.

Beitrag Mittwoch, 28. Oktober 2015

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Hassliebe zu Red Bull
War das F1-Projekt mit Red Bull viel zu halbherzig? Trotz vier WM-Titeln mit Red Bull war die Ehe mit Red Bull für Renault eine Farce: Selbst als Sieger stand man nie wirklich zusammen, als Verlierer arbeitet man gegen- statt miteinander – und wäscht öffentlich schmutzige Wäsche.

Seit 2007 fährt Red Bull mit Motoren von Renault, 2015 wird das wohl das letzte Mal sein. Man muss sich aber noch einmal daran erinnern, wieso Red Bull überhaupt erst zu Renault gewechselt ist: Red Bull kaufte vor der F1-Saison 2005 die Reste des Jaguar-Teams und fuhr auch weiterhin mit den Cosworth-Motoren, die schon 2004 eingesetzt wurden. 2006 wechselte Red Bull auf Ferrari – was aber nie die Lieblingslösung der Bullen war.

Dafür gibt es verschiedene Gründe. Natürlich wusste man auch damals schon, als man ja noch im Mittelfeld festhing: Würde man eines Tages erfolgreich sein, so würde Ferrari wohl kaum dulden, dass ein Kundenteam der Werksmannschaft um die Ohren fährt. Doch diese Gedanken dürften damals noch eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Viel mehr war Ferrari damals weder Klassenprimus, noch hatten die Motoren die Eigenschaften, die Red-Bull-Star-Designer Adrian Newey unbedingt wollte. Klassenprimus war damals Mercedes, doch ein Wechsel zu Mercedes-Motoren scheiterte mehrmals am Veto von McLaren-Chef Ron Dennis. Damals war Mercedes noch Premiumpartner von McLaren, hielt auch einige Teamanteile.

Newey wollte Renault


Also wollte man für 2007 Motoren von Renault. Dafür unterschrieb angeblich erst Toro Rosso einen Vertrag mit Renault, aber dann tauschte Red Bull und brachte Ferrari zu Toro Rosso und Renault zum Mutterteam. Der Renault-Motor galt damals zwar als schwachbrüstig, aber die Leistungsunterschiede zwischen den einzelnen Herstellern waren eher gering. Und Red Bull machte solange Politik für Ausnahmeregelungen, bis Renault ganz gut aufholen durfte.

Der Renault-Motor hatte aber auch sehr gute Eigenschaften: Er glänzte mit einer ausgezeichneten Fahrbarkeit, er verbrauchte wenig Benzin – und war vor allem platzsparend. Newey brauchte für seine aerodynamischen Spielchen extrem viel Platz zwischen Motor und Getriebe. Der Auspuff musste möglichst weit unten und hinten angelegt werden, damit die Auspuffgase den Diffusor, also den hinteren Teil des Unterbodens, perfekt anströmen und so den Abtrieb des Fahrzeugs steigern konnten. Red Bull trieb diesen technischen Kniff an die Spitze: Gemeinsam mit Renault entwickelt man ein Motorprogramm, dass auch beim Bremsen dafür sorgte, dass der Motor Gas gab und daher Abgase produzierte, damit der Abtrieb durch das Anströmen des Diffusors immer gleich blieb und in Kurven, wo eine optimale Haftung ohnehin am wichtigsten ist, nicht einfach abriss.

Renault hatte also einen maßgeblichen Anteil daran, dass Red Bull mit Sebastian Vettel vier Mal in Folge ab 2010 Weltmeister wurde. Doch wirklich gut verkaufen konnte Renault seine Erfolge nicht: Red Bull ist ein Meister der Marketing, drängte sich stets in den Vordergrund, jeder feierte Red Bull und Vettel – aber Renault wurde stets nur beiläufig erwähnt.

Weltmeister trotz oder wegen Renault?


Und die Schwächen bei Renault wurden stets hervorgehoben. Zunächst vor allem aus politischen Interessen. Red Bull musste Renault richtig schwach reden, damit der Automobilweltverband FIA Einsicht zeigt und Renault aufholen durfte. Eigentlich waren Entwicklungen am Motor ja verboten, aber die FIA wollte keinesfalls, dass ein Hersteller über Jahre hinweg einen festzementierten Rückstand hatte – vor allem weil Renault einem F1-Ausstieg aufgeschlossen gegenüberstand.

Die fehlenden PS auf die Konkurrenz machten sich besonders auf der Hochgeschwindigkeitsbahn in Monza bemerkbar: Vettel wurde 2010 mit Ach und Krach noch Vierter und erklärte hinterher: „Auf den Geraden fehlt uns etwas, da haben wir nicht genügen Schmackes.“ Zu allem Überfluss stieg auch die Ausfallquote: Ein Pleuelschaden sorgte beim Südkorea-GP für einen spektakulären Motorschaden bei Vettel, der ihm beinahe die WM gekostet hätte.

Renault wurde aber auch von Red Bull immer wieder zu Extremlösungen getrieben. Zusammen mit Magneti Marelli wurde 2012 eine Lichtmaschine entwickelt, die immer wieder zu Ausfällen führte. Renault musste auf die Vorjahresversion zurückgreifen, die keine Zicken machte.

Hybrid-Motoren unterschätzt

Besonders schlimm ist es aber seit 2014: Renault betrieb die Formel-1 mit einem zu geringem finanziellen Aufwand. Geld ist in der Formel-1 zwar kein Garant für den Erfolg, wie beispielsweise Toyota schmerzhaft bemerkt hat, aber Geld ist eine Voraussetzung für Erfolg in der Formel-1. Renault scheint die Herausforderung der neuen, hochkomplexen Turbo-Hybridmotoren völlig unterschätzt zu haben. Gegen Mercedes war 2014 kein Kraut gewachsen. Auch hat Renault versucht, die Bedürfnisse aller Kunden, also auch von Lotus beispielsweise, gerecht zu werden. Doch unter dem aktuellen Reglement ist der perfekte Einbau des Antriebsstrangs, der ja aus sechs größeren Teilen besteht, das A und O.

In diesem Jahr dann der Tiefpunkt: Die Zuverlässigkeit ist noch schlechter als 2014, die Leistungssteigerung zu gering, die Fahrbarkeit des Motors nicht besonders gut. Und die Weiterentwicklung findet quasi nicht statt. Erst für den USA-GP brachte Renault eine Ausbaustufe. Red Bull versuchte Renault unter die Arme zu greifen, engagierte die Motorenschmiede Ilmor, die neue Zylinderköpfe entwickelte, die als eine der großen Renault-Schwachstellen gelten. Renault lehnte die Ilmor-Verbesserungsvorschläge, die von Red Bull bezahlt wurden, jedoch rigoros ab – vielleicht aus Stolz, vielleicht aber auch, weil man die Ehe mit Red Bull eh schon abhakte. Offiziell jedenfalls sprach man von eigenen Lösungen, die mehr Erfolg versprachen.

Für den USA-GP brachte Renault ein Motorupdate mit – zündete dabei elf der restlichen zwölf Tokens. Tokens sind Wertmarken für Motorverbesserungen, jeder Hersteller hat davon pro Saison nur 35. Renault spricht von Verbesserungen im Bereich von 0,3 Sekunden, Red Bull von 0,15 Sekunden. Red Bull zögert mit dem Einsatz der neuen Motoren daher noch. Sie werden frühestens in Brasilien erstmals verwendet werden.

Red Bull doch weiter mit Renault?


Der Ton zwischen Red Bull und Renault wurde 2015 jedenfalls rauer und obwohl der Vertrag noch für 2016 läuft, haben sich beide Parteien dafür entschlossen, den Kontrakt vorzeitig zu lösen. 2016 gibt es keine weitere Zusammenarbeit mehr, trotz zuletzt anders lautenden Gerüchten. Weil kein Hersteller gewillt ist, Red Bull mit Motoren auszustatten, ist ein weiteres Jahr Zweckehe angeblich doch wieder denkbar. Experten zweifeln, dass es dazu kommen wird. Auch Renault-Berater und Ex-Weltmeister Alain Prost glaubt nicht mehr an eine Versöhnung zwischen Red Bull und Renault.

Beitrag Donnerstag, 29. Oktober 2015

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Und wie geht's jetzt weiter?
Im September unterzeichnete Renault eine Absichtserklärung, 65 Prozent des Lotus-Teams zurückkaufen und damit wieder als Werksteam in der Formel-1 antreten zu wollen. Doch bis heute ist die Übernahme nicht perfekt. Rauft man sich doch wieder mit Red Bull zusammen oder steigt man sogar ganz aus dem GP-Sport aus?

Schon im Februar gab es erste Gespräche über eine Werksrückkehr. Nicht nur wegen des schwachen Motors dämmerte den Franzosen: So kann man nicht Formel-1 machen. Es boten sich drei Alternativen: Rückzug, Intensivierung der Zusammenarbeit mit Red Bull, oder aber auch volle Kraft voraus – mit einem eigenen Rennstall. Die Partnerschaft mit Red Bull wurde auch in der Tat intensiviert: Red Bull beauftragte auf eigene Kosten Ilmor, Renault unter die Arme zu greifen, doch Renault lehnte die Verbesserungsvorschläge ab. Die Ehe Red Bull mit Renault geriet noch mehr ins Wanken, der Scheidungsanwalt wurde kontaktiert, ein Weg zurück ist kaum denkbar. Weil Renault auch weiß: Erfolge lassen sich als Juniorpartner kaum vermarkten, bei Misserfolgen aber wird sofort mit dem Finger auf Renault gezeigt.

Bleiben noch Ausstieg und Werksrückkehr als Alternativen – beides steht noch heute im Raum, trotz der Absichtserklärung. Eine Werksrückkehr macht nur mittels einer Teamübernahme wirklich Sinn. Lotus war wegen den hohen Schulden gar nicht die erste Wahl. Zunächst liefen Verhandlungen mit Force India und Toro Rosso. Bei Toro Rosso ging es nur darum, die Fahrzeuge in Renault-Farben zu lackieren und so eine größere Außendarstellung zu bekommen. Das Team wäre aber im Besitz von Red Bull geblieben – eine auf dem zweiten Blick daher auch nicht wirklich attraktive Option für Renault.

Vasseur als Teamchef?

Also doch Lotus, jene Mannschaft aus Enstone, an der man noch bis 2011 selbst Anteile hatte. Kurios: Erst in diesem Jahr trennte Lotus das Band zu Renault und wechselte auch in Sachen Antriebsstrang zu Mercedes. Nach 20 Jahren hatte Enstone mit Renault damit nichts mehr zu tun – jetzt scheint eine Rückkehr anzustehen, und das gleich auf ganzer Linie.

Es wird wohl sogar noch bis Dezember dauern, bis Renault alle Fragen zum Comeback geklärt hat – und damit an die Öffentlichkeit gehen wird. Die Fragen sind: Wie finanziert sich das Team? 50 Millionen Dollar spart sich Renault durch die Einstellung der Renault-World-Series ein. Dazu sollen Mineralölkonzern Total, sowie Nissan-Tochter Infiniti als Großsponsoren einsteigen. Von F1-Chefvermarkter Bernie Ecclestone will man wie die anderen großen Teams eine Bonuszahlung aus dem F1-Einnahmetopf. Die Rede ist derzeit von rund zwölf Millionen Dollar. Dazu kommen noch die Preisgelder des Lotus-Teams. Den Rest müsste der Renault-Konzern zuschießen. Angepeilt ist ein Budget von rund 300 Millionen Dollar – also in etwa die Summe, die auch die anderen Spitzenmannschaften in der Formel-1 verschleudern.

Auch noch ungeklärt ist, wer Teamchef wird. Der aktuelle Besitzer Gerard Lopez hat nicht die Zeit, bei jedem Rennen an der Boxenmauer zu sitzen. Mit Federico Gastaldi hat er sich daher in diesem Jahr bereits Verstärkung geholt. Ob der Argentinier auch das Renault-Team führen würde, ist eher unwahrscheinlich. Renault-Botschafter Alain Prost, der aktuell das Formel-E-Team von Renault e.dams leitet, wird eine Rolle wie sein früherer WM-Rivale Niki Lauda bei Mercedes bekommen: Das Bindeglied zwischen dem Werk und dem Rennstall. Anteile wird er aber wohl nicht übernehmen. Renault-Motorsportchef Cyril Abiteboul wird genauso als möglicher Teamchef eines Renault-Teams gehandelt, wie der frühere Renault-Teamchef Bob Bell. Jüngster Favorit in der Gerüchteküche ist Frédéric Vasseur, der mit dem ART-Team einen der erfolgreichsten Nachwuchsteams aller Zeiten leitet.

Palmer wird zweiter Fahrer

Das Fahrergespannt steht schon fest. Neben Pastor Maldonado wird Jolyon Palmer sein F1-Debüt geben. Der Sohn des ehemaligen F1-Fahrers Jonathan Palmer wurde 2014 GP2-Meister und war in diesem Jahr Lotus-Testfahrer. Seine Beförderung gilt als Überraschung, vor allem der Zeitpunkt der Verpflichtung – Renault hat bisher noch nicht das Sagen, Palmer ist also nicht die Wahl von Renault. Statt Palmer wurden eher Fahrer wie Kevin Magnussen (2013 World-Series-by-Renault-Meister), Stoffel Vandoorne (für ART dieses Jahr GP2-Meister) oder Jean-Eric Vergne (Franzose) gehandelt. Aber wer weiß: Vielleicht werden die einen oder anderen Bausteine noch einmal versetzt, wenn Renault die Mehrheit am Team übernimmt.


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