Bei Ferraris Festspielen in Imola erlebte Peugeot ein ernüchterndes Qualifying-Debüt mit seinem stark überarbeiteten Hypercar. Die beiden 9X8 Evo, jetzt auch mit Heckflügel und der standardmäßigen 29/34-Räderkombination ausgestattet - fuhren bei der Zeitenjagd ziemlich chancenlos hinterher und landeten in der Startaufstellung nur auf den Plätzen 14 und 15.

Rund 1,5 Sekunden fehlten Stoffel Vandoorne im #94 Peugeot (Di Resta, Duval, Vandoorne) während der Gruppenphase auf die pfeilschnellen Ferrari 499P, die beim Heimspiel die ersten drei Startplätze verbuchten. Der zweifache Formel-E-Champion Jean-Eric Vergne konnte im Schwester-Peugeot mit der #93 (Jensen, Müller, Vergne) ebenso wenig mithalten.

Peugeot in Imola: Viel Gewicht, wenig Leistung

Dass Peugeot mit seinem Evo-Hypercar keine Bäume ausreißen würde, hatten die meisten Experten schon beim Blick auf die Balance of Performance erwartet. Mit 1.061 Kilogramm ist der 'neue' 9X8 das schwerste Auto im Feld und mit 510 kW (693 PS) maximaler Systemleistung obendrein das zweitschwächste nach dem Porsche 963 (508 kW bei 1.033 kg). Unbekannte Rennwagen werden üblicherweise erst einmal konservativ eingestuft, um keinen Ausreißer zu riskieren.

Dennoch überwog im Peugeot-Lager die Enttäuschung über das schwache Abschneiden im Qualifying. "Uns fehlen 1,5 Sekunden, das hatten wir uns garantiert nicht zum Ziel gesetzt", sagte Vandoorne zu Motorsport-Magazin.com. Ob das auf die BoP zurückzuführen sei, wollten wir wissen. Vandoorne, der weiß, dass er laut Sportlichem Reglement (!) die Balance of Performance nicht öffentlich kommentieren darf, meinte vielsagend: "Wir sind ja in Italien..."

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Jetzt auch mit Heckflügel: Der Peugeot 9X8 Evo für 2024, Foto: LAT Images

Stoffel Vandoorne: "Waren einfach zu langsam"

Die meisten Wettbewerber sehen Ferrari beim Heimspiel auf dem Autodromo Enzo e Dino Ferrari im BoP-Vorteil. Dem in Katar siegreichen #6 Porsche 963 (Estre, Lotterer, Laurens Vanthoor) fehlten als Viertplatziertem mehr als sechs Zehntelsekunden zu Pole-Setter Antonio Fuoco im #50 Ferrari 499P (Fuoco, Molina, Nielsen). Porsche-Ass Estre zu Motorsport-Magazin.com: "P3 war 1,5 Zehntel entfernt. Vielleicht wäre das mit der perfekten Runde möglich gewesen. Ferrari ist schon das ganze Wochenende stark."

Im Gegensatz zum Estre-Porsche gelang den beiden Peugeot nicht einmal der Einzug in die Hyperpole-Runde der schnellsten Zehn. Das Auto habe sich laut Vandoorne "nicht super-schlecht angefühlt", aber "wir waren einfach zu langsam". Zwar hätten die Franzosen bei ihren Testfahrten keinen Fokus auf eine schnelle Qualifying-Runde gelegt, aber "selbst mit viel Testerei hätten wir hier keine 1,5 Sekunden gefunden".

Nico Müller: "Performance ist noch nicht da"

Generell sei der Evo-9X8 ein Schritt in die richtige Richtung, war Vandoorne nach den bisherigen Privat-Testfahrten und Eindrücken aus Imola überzeugt: "Es fühlt sich mehr an wie ein Rennauto. Aber wir befinden uns in einer Phase, in der wir noch das Setup lernen müssen. Das ist ziemlich anders als beim alten Auto." Der Aufwärmprozess mit den kalten Michelin-Slicks aus der Box heraus sei auf dem 4,9 Kilometer langen Old-School-Kurs ein großes Problem und koste auf den Outlaps unnötig viel Zeit, fand Vandoorne etwa.

Beim zweiten Rennen der WEC-Saison 2024 (Start am Sonntag um 13:00 Uhr) mit einer Dauer von 6 Stunden dürften die Peugeot beim Kampf ums Podest noch außen vor sein. Das große Ziel ist, bis zu den 24 Stunden von Le Mans ein siegfähiges Auto hinzustellen. "Die Performance ist noch nicht da, um ganz vorne mitzukämpfen, da muss man realistisch sein", sagte Nico Müller zu Motorsport-Magazin.com. "Aber die Basis ist sehr gesund, das stimmt mich optimistisch."

Der zweifache DTM-Vizemeister weiter: "Die Traktion ist besser, aber noch nicht da, wo wir sein wollen. Die Ferrari und Toyota kommen hier aus den langsamen Ecken besser raus. Wir haben vor allem versucht, die Fahrbarkeit zu verbessern, auch über die Kerbs. Das war früher nicht gerade die Stärke des 9X8. Das ist jetzt deutlich besser geworden."

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Peugeot startet mit zwei 9X8 in der Langstrecken-WM, Foto: LAT Images

Peugeot mit gleichem Chassis und vielen Neuteilen

Peugeot nutzt bei seiner Evo-Version das gleiche Chassis wie bisher, hat aber laut eigenen Angaben 90 Prozent der Aero-Teile verändert. Das Auto wurde zu einer Zeit entwickelt, als die Planungen deutlich leistungsstärkere Hypercars und einen höheren Einfluss des Hybridsystems vorsahen. In der vergangenen Saison war Peugeot der einzige Hersteller, der die veraltete 31-Zoll-Räderkombination rundherum fuhr, während Toyota rechtzeitig neuentwickeln konnte.

Müller: "Das Konzept wurde komplett umgestellt. Vieles wurde verändert, auch Dinge, die man vielleicht nicht ändern wollte, was jetzt aber nötig wurde, damit die Gewichts- und Aero-Balance stimmt. Du merkst schon aus der Box heraus, dass ich etwas getan hat. Es ist aber kein Unterschied wie Tag und Nacht, sondern eine Evolution."