Wenn 2024 in der WEC erstmals GT3-Rennwagen an den Start gehen, klingt das Starterfeld dieser neueingeführten Kategorie spektakulär: 18 Autos von neun unterschiedlichen Herstellern machen die Klassensiege unter sich aus. Mit BMW, Porsche, Ferrari, Lamborghini, Corvette, Ford Mustang, Aston Martin, McLaren und Lexus samt ihren jeweiligen GT3-Autos sind berühmte Marken in der Langstrecken-Weltmeisterschaft samt ihrem Kalender-Highlight, den 24 Stunden von Le Mans, vertreten.

Im Reigen dieser Autobauer fehlen allerdings zwei Hersteller mit nicht weniger klangvollem Namen in der weltweiten Automobilbranche: Audi und Mercedes-AMG. Die beiden deutschen Premiumhersteller sind mit ihren seit Jahren erfolgreichen GT3-Fahrzeugen nicht von der FIA und dem WEC-Veranstalter ACO berücksichtigt worden. Die Absagen für die beiden in Süddeutschland beheimateten Autobauer sind seit der Bekanntgabe der WEC-Starterliste am Montag dieser Woche ein großes Thema in den internationalen Medien.

WEC-Chef Lequien: Starterfeld ist begrenzt

Die Auswahl obliegt dem ACO in Zusammenarbeit mit der FIA. Aufgrund des großen Interesses hatten Hersteller, die mit eigenen Hypercars in der WEC-Topklasse antreten, ein Vorrecht. Das gilt für BMW, Porsche, Ferrari, Lamborghini, Corvette (dank Cadillac-Hypercar) und Lexus (dank Toyota-Hypercar). Aston Martin hat angekündigt, für 2025 ebenfalls ein Hypercar zu entwickeln.

Ford mit seinem neuen GT3-Mustang und McLaren haben keine eigenen Prototypen. Sie wurden offenbar aufgrund ihrer Langstrecken-Historie und weiteren für den ACO relevanten Parametern ausgewählt. Insgesamt standen nur 37 Startplätze für die Hypercars und GT3-Autos zur Verfügung, da damit bei den drei Rennstrecken in Imola, Austin und Fuji die Maximalkapazität in der Boxengasse erreicht ist.

"Es war nicht einfach, einige Entscheidungen zu treffen", sagte WEC-CEO Frederic Lequien in einer internationalen Medienrunde. "Wir haben ein begrenztes Feld von 37 Autos, und wir müssen alle verschiedenen Kriterien berücksichtigen. Durch die Bestimmungen des Sportreglements gibt es Kriterien, die vom Auswahlkomitee verwendet werden, das sich auf die Historie eines Teams, die Leistung des Autos und viele verschiedene Kriterien stützt. Ich denke, wir haben einige logische und richtige Entscheidungen getroffen, auch wenn es nicht einfach war."

Enttäuscht: So reagieren Audi und Mercedes-AMG

Bei Audi und Mercedes-AMG ist die Enttäuschung groß, keine Chance auf einen Start in der Langstrecken-WM oder einen Klassensieg in Le Mans bekommen zu haben. Beide Marken hatten sich für Startplätze beworben. "Unter anderem auf Grund der großen Nachfrage unserer Teams, haben wir dem Veranstalter frühzeitig unsere Ambitionen mitgeteilt, ab der Saison 2024 an der LMGT3 teilzunehmen", sagte Christoph Sagemüller, Leiter Mercedes-AMG Motorsport, zu Motorsport-Magazin.com, und betonte, dass alle Anforderungen und Auflagen erfüllt worden seien.

Während Audi von der FIA über die Ablehnung kurz vor der Veröffentlichung der Starterliste in Kenntnis gesetzt wurde, schien das bei Mercedes-AMG nicht der Fall gewesen zu sein. "Es ist erstaunlich, aber eine offizielle Absage haben wir bisher nicht erhalten", meinte Sagemüller. "Dennoch bleiben wir nach wie vor im Austausch mit dem ACO und bemühen uns weiterhin um eine Startberechtigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Grundsätzlich sind wir aber natürlich enttäuscht, dass wir als Mercedes-AMG nicht berücksichtigt wurden."

Mercedes-Rennwagen gingen zuletzt im Jahr 1999 bei den 24 Stunden von Le Mans an den Start, damals mit den berüchtigten Mercedes-Benz CLR, die sich mehrfach überschlugen und vorzeitig aus dem Rennen genommen wurden. Es war das zweite Drama der Marke mit dem Stern nach dem schwersten Unfall der Motorsportgeschichte in Le Mans 1955, bei dem 84 Menschen starben. Ebenso blickt Mercedes auf Le-Mans-Siege in den Jahren 1952 sowie 1989 (als Partner von Sauber) zurück und hätte 2024 die Rückkehr nach 25 Jahren gefeiert.

Der Mercedes-Benz CLR bei den 24 Stunden von Le Mans 1999
1999: Letzter Mercedes-Start bei den 24 Stunden von Le Mans, Foto: LAT Images

Audi: WEC-Absage nicht weiter begründet

Eine deutlich bessere Le-Mans-Historie kann Audi vorweisen. Die Ingolstädter sind mit 13 Gesamtsiegen nach Porsche (19 Gesamtsiege) der erfolgreichste Hersteller beim französischen Klassiker. Zwischen 2000 und 2014 waren Audis LMP1-Prototypen eine Macht beim Rennen entlang der Sarthe und mussten sich in dieser Zeitspanne nur zweimal (2003 durch VW-Konzernschwester Bentley und 2009 durch Peugeot) geschlagen geben. Hat die Historie eine wichtige Rolle bei der Auswahl gespielt, kann man eigentlich nicht um Audi herumkommen...

"Wir haben uns korrekt an den Prozess gehalten und hätten uns sehr über einen Startplatz gefreut, auch aufgrund unserer Historie und wegen des Autos selbst", sagte Audis Kundensportleiter Chris Reinke zu Motorsport-Magazin.com. "Mit dem R8 wollten wir damals unsere Historie in Le Mans auch für Kunden erlebbar machen und haben daraus einen Sportwagen aufgesetzt. Dass dieses Auto im Herbst seines Bestehens noch einmal den Weg zurück nach Le Mans finden könnte, wäre eine legendäre Geschichte gewesen. Es ist enttäuschend, dass wir als Marktführer in diesem Segment nicht berücksichtigt wurden."

Gleichzeitig betonte Reinke, dass es bei der Bekanntgabe der Starterliste aus seiner Sicht keine Undurchsichtigkeiten gegeben habe. Die Absage sei schriftlich von der FIA übermittelt worden, allerdings ohne genauere Begründung. Reinke: "Sie wurde nicht weiter begründet. Es ist nur aufgeführt, dass unsere Bewerbung nicht bestätigt wurde." Bei Mercedes-AMG wartet man laut eigener Aussage bis heute auf eine schriftlich formulierte Ablehnung.

Audi feierte 13 Gesamtsiege in Le Mans, Foto: Audi Communications Motorsport
Audi feierte 13 Gesamtsiege in Le Mans, Foto: Audi Communications Motorsport

Geheimer WEC-Test: Audi dabei, Mercedes nicht

Audi Sport hatte gehofft, mit dem Kundenteam Sainteloc nach Le Mans bzw. in die WEC zurückkehren zu können. Am Audi R8 LMS GT3 seien die erforderlichen Umbaumaßnahmen durchgeführt worden. Auch nahm Audi Sport an zwei von insgesamt drei speziellen Testfahrten mit den Goodyear-Reifen teil, die in der WEC zum Einsatz kommen.

Bemerkenswert: Mercedes-AMG war bei diesen Tests nicht vertreten. "Mercedes-AMG war nicht eingeladen und hat demzufolge an diesem Test nicht teilgenommen", bestätigte Motorsportleiter Sagemüller. Offenbar wurden Hersteller nur durch ihre guten Kontakte zum ACO von diesen Testfahrten in Kenntnis gesetzt.

Audi-Absage: Spielte das Vorstands-Beben eine Rolle?

Ob Audi wegen der nicht nur öffentlich, sondern auch intern sehr umstrittenen Entscheidung des Audi-Vorstands im Juli dieses Jahres, den Motorsport abseits der Formel 1 künftig werksseitig nicht mehr zu unterstützen, durchs Raster gefallen sei, wollte Reinke nicht kommentieren. Dieser motorsportliche Bombeneinschlag dürfte aber sicherlich auch bis zu den Verantwortlichen des ACO und der FIA vorgedrungen sein...

Dass es für Audi schwierig würde, hatte Reinke erwartet. Die Ingolstädter hatten ursprünglich in Zusammenarbeit mit Porsche mit der Entwicklung eines eigenen LMDh-Prototypen für den Einsatz ab 2023 begonnen, im Zuge des geplanten Formel-1-Einstieges ab 2026 aber vorzeitig den Stecker gezogen, obwohl der Prototyp kurz vor seinem ersten Roll-out stand. Auch diese bis heute kritisch diskutierte Entscheidung dürfte beim ACO alles andere als gut angekommen sein. Ohne ein eigenes Hypercar blieb im Gegensatz zu Porsche nur das Prinzip Hoffnung übrig.

Audi-Leiter: Ford-Zusage ein "höchst individueller Ansatz"

"Es war uns bewusst, dass wir Gegenwind erhalten", bestätigte Reinke. "Wir haben unsere Chancen als überschaubar eingeschätzt, und dass es mehr eine Hoffnung statt einer realen Chance sein würde. Aber es ist wie in einem Rennen: Auch wenn man zurückliegt, gibt man nicht auf und hält alle Optionen offen. Wir wären sehr gerne in der Konstellation mit Sainteloc in der WEC angetreten. Das ist jetzt leider nicht möglich."

Ob Reinke überrascht gewesen sei, dass mit McLaren und Ford zwei Hersteller berücksichtigt wurden, obwohl sie wie Audi kein eigenes Hypercar haben? Der Kundensportleiter: "Die Entscheidung für McLaren war überraschend, aber letztendlich ist United Autosports (McLaren-Einsatzteam; d. Red.) ein langjähriger WEC-Partner. Dass man ihnen die Möglichkeit gibt und sie den McLaren wählen, ist nachvollziehbar. Die Entscheidung bezüglich Ford war aus meiner Sicht ein höchst individueller Ansatz."

Audi und Mercedes-AMG fehlen 2024 in der WEC - dafür ist Mick Schumacher aus deutscher Sicht dabei. Was wir von seinem Debüt halten, könnt ihr in diesem Kommentar lesen: