Eigentlich als Saisonfinale geplant, sind die sechs Stunden von Bahrain durch die Verschiebung des Brasilien-Rennens nun die vorletzte Saisonstation der Langstrecken-Weltmeisterschaft. Auf dem Bahrain International Circuit steht Toyota kurz vor dem größten sportlichen Triumph der Firmengeschichte: Dem Gewinn der hochtechnisierten LMP1-Wertung. Sowohl in der Fahrer- als auch in der Markenwertung hat Toyota Racing alle Trümpfe in der Hand. Anthony Davidson und Sebastien Buemi stehen in der Wüste im Mittelpunkt.

Alle Augen auf Toyota gerichtet

Der Zwischenspurt hat sich gelohnt: In Fernost haben Davidson und Buemi sich im Meisterschaftskampf deutlich abgesetzt. Mit 42 Punkten Vorsprung bei noch 52 zu vergebenen Zählern reicht Anthony Davidson und Sebastien Buemi bereits ein fünfter Platz zum WM-Titel. Sollten die schärfsten Verfolger Marcel Fässler, Andre Lotter und Benoit Treluyer nicht den Bonuspunkt für die Pole Position abgreifen, würde im Rennen sogar Platz sechs ausreichen. Faktisch brauchen sie also nur durchzurollen, um sich ihre erste Weltmeisterschaft zu sichern.

Ob sich die Bilder in Bahrain wiederholen? Davidson und Buemi haben einen Lauf, Foto: Toyota
Ob sich die Bilder in Bahrain wiederholen? Davidson und Buemi haben einen Lauf, Foto: Toyota

Defensiv Fahren dürfte aber kaum das Ziel sein, schließlich winkt noch ein Hattrick nach den Siegen auf dem Fuji Speedway und in Shanghai. Und der Toyota TS040 Hybrid war so dominierend in Fernost, dass selbst ein lockeres Durchrollen noch immer den zweiten Platz bedeuten dürfte. Außerdem wird Toyota auch auf die Markenwertung schauen: Dort beträgt der Vorsprung bei noch 88 zu vergebenen Punkten 29 Zähler. Ein Doppelsieg würde hier bereits ausreichen, ungeachtet des Qualifying-Ergebnisses. Da Kazuki Nakajima das Finale der Super GT in Japan fährt, verstärkt Mike Conway zum zweiten Mal Stephane Sarrazin und Alexander Wurz in der Startnummer 7.

Als wäre Toyota nicht schon stark genug, kommt auch noch die Streckencharakteristik des Bahrain International Circuit dem TS040 Hybrid sehr entgegen: Gleich viermal wird aus einer engen Kurve heraus auf eine längere Gerade beschleunigt. Hier kann Toyota die 1.000 PS voll ausnutzen und sich einen Vorteil am Beginn der Geraden verschaffen. Bei den letzten Rennen war immer wieder zu beobachten, wie die Toyota-Fahrer viele Kurven mit einem höheren Gang als üblich durchfuhren, weil sie sonst beim Beschleunigen mit dem Schalten gar nicht hinterher kämen.

Der deutschen Konkurrenz bleibt nur das Hoffen

Auch dem kühnsten Optimisten sollte mittlerweile klar geworden sein, dass sowohl Audi als auch Porsche aus eigener Kraft im Rennen kaum einen Stich gegen die in Köln ansässige japanische Konkurrenz setzen können. Audi kämpft hier zudem mit der Strecke: So sehr er Toyota entgegen kommt, so schlecht ist der 5,407 Kilometer lange Kurs für den Audi R18 e-tron quattro, der mit seiner Hochabtriebs-Philosophie seine Geschwindigkeit vor allem in langgezogenen Kurven holt. Und von diesen gibt es in Bahrain höchstens eine.

Porsche gelange es zuletzt immer wieder, Toyota im Qualifying zu ärgern, Foto: Porsche
Porsche gelange es zuletzt immer wieder, Toyota im Qualifying zu ärgern, Foto: Porsche

Sollte aber bei Toyota ein Fahrzeug in Schwierigkeiten geraten, gibt es noch die Chance für Audi, die Marken-WM wieder offen zu gestalten. Und es wäre nicht das erste Mal, dass das Audi Sport Team Joest mit seiner cleveren Strategie und der hohen Zuverlässigkeit ein besseres Resultat herausholen würde als der Fahrzeugspeed es eigentlich zulässt. Die fehlenden Punkte vom Saisonauftakt in Silverstone, als Joest untypischerweise die falsche Strategie wählte, wirken sich jetzt aus.

Die Quali-Stärke von Porsche ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Vermutlich dürfte das Qualifying am Freitag sogar spannender als das Rennen werden, nachdem die Tausendstelschlacht inklusive Zeitgleich in Shanghai ein unglaublicher Spannungsgarant war. Porsche hat einen hohen Topspeed, doch die Geraden sind in Bahrain nicht ganz so lang wie in China und Japan. Kämpfen die 919 Hybrid im Qualifying regelmäßig mit Toyota, werden sich Romain Dumas, Neel Jani und Marc Lieb sowie Timo Bernhard, Mark Webber und Brendon Hartley im Rennen eher mit den Audi um den letzten Podiumsplatz streiten.

Schwieriges Pflaster für Lotus

Rebellion Racing geht wieder als klarer Favorit in das Rennen in Bahrain. Hier gilt es zu bestätigen, dass der R-One mittlerweile die nötige Standfestigkeit mit sich bringt. In Shanghai fuhren erstmals beide Fahrzeuge ohne technische Probleme durch. Lotus hingegen wird mit der schlechten Traktion des CLM P1/01 aus den engen Ecken heraus zu kämpfen haben. Beim vierten Renneinsatz werden mit Simon Trummer und Nathanael Berthon zwei GP2-Piloten die Chance erhalten, ihre Langstrecken-Qualitäten an der Seite des erfahrenen Pierre Kaffer unter Beweis zu stellen.

G-Drive Racing hat die Lücke zu SMP-Fahrer Sergey Zlobin fast geschlossen, Foto: Adrenal Media
G-Drive Racing hat die Lücke zu SMP-Fahrer Sergey Zlobin fast geschlossen, Foto: Adrenal Media

In der LMP2 wird aller Voraussicht nach die Wachablösung an der Spitze des Klassements erfolgen: Sergey Zlobin hat im SMP-Oreca nur noch acht Punkte Vorsprung auf die klar schnelleren Olivier Pla, Julien Canal und Roman Rusinov von G-Drive Racing. Rein theoretisch könnte Zlobin bei einem Sieg und gleichzeitigem Ausfall des Ligier den Titel dingfest machen, doch wahrscheinlicher ist, dass die Entscheidung für das Finale in Brasilien völlig offen gestaltet wird. Der asiatisch besetzte Morgan von Oak Racing wird sein letztes Rennen für diese Saison absolvieren; KCMG wird versuchen, die Heimpleite aus Shanghai auszuwetzen.

GT-Wertung: Porsche bäumt sich noch einmal auf

Durch den bitteren Unfall in der ersten Runde mit eben jenem KCMG-Oreca in Shanghai und dem gleichzeitigen Sieg von Frederic Makowiecki hat sich die Lage im Weltcup für GT-Fahrer nicht verändert: Weiterhin müssen Gimmi Bruni und Toni Vilander 1,5 Punkte mehr holen als der Franzose im Manthey-Porsche, um den Titel zu sichern. Porsche haben die zehn Kilo Gewichtsreduktion ausgesprochen gut getan und die 911er sind wieder in der Lage, Ferrari und Aston Martin aus eigener Kraft herauszufordern. Der Traktionsvorteil durch den Heckmotor wirkt in Bahrain zudem besonders stark.

Vorteil Ferrari: Trotz des Ausfalls sind Bruni und Vialnder noch immer die Titelfavoriten, Foto: Adrenal Media
Vorteil Ferrari: Trotz des Ausfalls sind Bruni und Vialnder noch immer die Titelfavoriten, Foto: Adrenal Media

Aston Martin Racing hat mit Bahrain noch eine Rechnung offen. Im Vorjahr verloren die Briten hier alle Titel in der GTE Pro sowie die Markenwertung und gingen lediglich mit einem Titel in der GTE Am nach Hause. Das Pech von Stefan Mücke und Darren Turner in Shanghai (Motorschaden in Führung liegend) steht symptomatisch für die gesamte Saison 2014: Es lief nicht wirklich viel zusammen. In Bahrain gibt es die Gelegenheit, wenigstens ein bisschen wieder zu reparieren.

In der GTE Am hingegen ist nur noch die Frage, welcher Aston Martin den Titel holt: Die Dänen David Heinemeier Hansson und Kristian Poulsen (in diesem Rennen wieder durch Nicki Thiim verstärkt) bringen 31 Punkte Vorsprung mit. Nur ein Ausfall könnte das Titelrennen wieder offen gestalten. Die Teamkollegen Paul Dalla Lana, Christoffer Nygaard und Pedro Lamy sind die einzigen, die den "Dane-Train" noch abfangen können. AF Corse ist in der Amateur-Wertung wieder am Start, auf einem Fahrzeug jedoch mit einer komplett neuen Fahrerbesetzung.

Rennen bereits am Samstag

Die Organisatoren des Events nehmen wiederum Rücksicht auf die im arabischen Raum verschobene Arbeitswoche: Das Rennen wird bereits am Samstag gestartet und geht wie schon im Vorjahr unter Flutlicht in die Nacht. Somit stehen die ersten Trainings bereits am Donnerstag (13:15 und 17:30 Uhr deutscher Zeit) auf dem Programm, am Freitag das dritte freie Training (09:10 Uhr) und das Qualifying (15:00 Uhr), der Rennstart ist am Samstag um 13 Uhr. Die Frage ist, ob sich diesmal Zuschauer auf den Tribünen einfinden werden, nachdem das Rennen im Vorjahr vor einer Geisterkulisse stattfand.