Die Erfolgsgeschichte von Audi in Le Mans ist beeindruckend: 1999 mit dem offenen R8R und dem Coupé R8C erstmals an der Sarthe gestartet, haben die Ingolstädter mit der Weiterentwicklung R8 den Klassiker in den darauffolgenden Jahren sage und schreibe fünf Mal gewinnen können. Selbst der 2003 siegreiche Bentley Speed 8 basierte auf einem Audi. Ab 2006 ging Audi mit dem R10 TDI dann neue Wege: der erste Prototyp mit einem Dieselmotor konnte nahtlos an die Erfolge des Vorgängers anknüpfen und insgesamt dreimal in Le Mans gewinnen. Bei den Nachfolgern R15 und R18 blieb man beim Selbstzünder und konnte jeweils einmal triumphieren.

Im Jahr des 80. Jubiläums schickt Audi nicht weniger als vier R18 nach Le Mans, davon zwei R18 e-tron quattro genannte Coupés mit Hybridantrieb. Selbstverständlich will man in Ingolstadt auch im Hinblick auf die Serienfertigung vom teuren Motorsportengagement profitieren: "Audi hat sich im Motorsport bisher immer ganz bewusst für Rennserien und Kategorien entschieden, die einen engen Bezug zu Serie und damit eine technische Relevanz für die Audi-Kunden haben", erklärte Audi-Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich, der den Audi R18 e-tron quattro bei seiner Premiere persönlich auf die Bühne fuhr. "quattro, TFSI und TDI sind drei gute Beispiele, wie der Motorsport die Serienentwicklung befruchtet hat. Mit dem e-tron quattro verhält es sich ähnlich: Wir testen eine ganz neue Technologie auf der Rennstrecke, ehe sie bei Audi in die Serie kommt", erklärt der Motorsportchef.

Selbsternannter Vorreiter

Schon 2008 fuhr der 908 HY bivalent, Foto: Peugeot Sport
Schon 2008 fuhr der 908 HY bivalent, Foto: Peugeot Sport

Dass Audi den Einsatz des Hybrid-R18 so kommuniziert ist selbstverständlich und auch legitim, allerdings neigen manche Aussagen etwas zur Übertreibung, auch wenn das Auto in nur zwei Jahren entwickelt worden ist. "Das ist für eine Technologie, die so noch nie im Motorsport erprobt worden ist und in dieser Form auch noch nicht in der Serie existiert, ein relativ kurzer Zyklus", betont Dr. Martin Mühlmeier, Leiter Technik bei Audi Sport. Eine waghalsige Aussage, wenn man bedenkt, dass Peugeot schon 2008 in Silverstone eine fahrbereite Hybridversion des 908 präsentierte, die 2011 im 908 HYbrid4 gipfelte. Der einzige Unterschied ist, dass bei den Franzosen die zusätzliche Leistung des Elektromotors an der Hinterachse abgegeben worden ist und so kein faktischer Allradantrieb möglich war.

Die gleiche Richtung wird wahrscheinlich Toyota gehen, auch weil der Elektromotor an der Hinterachse immer unterstützend eingreifen darf. Da die elektrische Leistung an der Vorderachse aber erst ab 120 km/h einsetzen darf, wird der Traktionsvorteil des R18 nicht zu groß sein. Audis Vorreiter-Anspruch konterkariert außerdem die Tatsache, dass seit 2011 ein Serienauto von Peugeot, der 3008 HYbrid4 (und mittlerweile auch der 508 RXH), verfügbar ist, der mit einem Elektromotor zum Allradler wird. Beide Pkw realisieren einen 4x4-Antrieb durch einen Dieselmotor an der Vorder- und einen Elektromotor an der Hinterachse - genau umgekehrt wie beim Ingolstädter Rennauto.

Das Konzept einer mechanisch und einer elektrisch angetriebenen Achse ist allerdings zweifelsfrei vorbildlich. Sowohl im Rennsport als auch im Hinblick auf Serienautos erschlägt man die sprichwörtlich bekannten zwei Fliegen mit einer Klappe. Das höhere Gewicht eines mechanischen Allradantriebs wird eingespart, weil man beim Standardantrieb mit einer Achse bleiben kann, trotzdem nutzt man das bei einem Hybrid unvermeidbare Mehrgewicht des Elektromotos und Energiespeichers an der zweiten Achse für Vortrieb. Durch konsequenten Leichtbau konnte beim Audi R18 e-tron quattro das zusätzliche Gewicht des Hybridsystems sogar ausgleichen.