Im Frühling 2009 war die Welt für Max Neukirchner noch einigermaßen in Ordnung. Die kommenden Verletzungen waren ebenso noch Zukunftsmusik wie die Trennung von Suzuki. Das Motorsport-Magazin sprach für seine Mai-Ausgabe mit dem Superbike-Piloten und fand dabei einige interessante Dinge über ihn heraus. In unserem Special "Best of 2009" können sie den damaligen Text noch einmal in voller Länge erleben. Verändert hat sich seitdem klarerweise viel.

Gute Rituale, Schlechte Rituale

Max Neukirchner schaut Gute Zeiten, Schlechte Zeiten. Immer Samstagsvormittags. Auf der Rennstrecke zusammen mit Teilen seiner Mannschaft im eigenen Motorhome die Wochenzusammenfassung. "Wir wollten die Flaminis sogar schon mal fragen, ob die unser Training nach hinten verlegen wurden", scherzt Neukirchner. "Denn meist können wir die letzte und die vorletzte Folge der Woche nicht ganz schauen, weil wir auf die Rennstrecke raus müssen. Nur in England klappt das bisher ganz gut, weil dort ja eine Stunde Zeitverzug ist."

Jeder braucht in diesem Sport, wo Adrenalin in Hektolitern fliest, einen Ausgleich. Der Körper muss rasten und Energien bündeln, um für das Rennen fit zu sein. Bei Neukirchner heißt das am Samstagvormittag eben Herz-Schmerz im TV. Aber der Sachse kann auch andere Seiten an den Tag legen. Zwischen den Rennen entspannt er bei Musik. Die darf dann auch mal von AC/DC oder Metallica kommen. Hard Rock und Metal gehören definitiv zu seinen bevorzugten Musik-Richtungen.

"Wenn er vom ersten Rennen an die Box kommt, gibt es zwei Möglichkeiten", erklärt Freund und Betreuer Arndt Seidel. "Wenn er aufs Podium gefahren ist, stehen die Zeremonie, die Pressekonferenz und die Paddock-Show an. Danach duscht er. Die Kombi, Stiefel, Handschuhe und der Helm werden zum Trocknen raus gelegt. Dann folgt das Briefing mit den Mechanikern in der Box. Wenn Max nicht auf dem Podest gestanden hat, fällt das ganze zeremoniell natürlich Weg. Dann wird gleich in der Box gebrieft und dann geduscht."

Anschließend gibt es Essen. Das wird Neukirchner aus der Alstare-Hospitality in sein Wohnmobil gebracht. "Wenn ich gegessen habe, 'buzzel' ich ein wenig vor mich hin", erklärt der Suzuki-Werkspilot. "Ich liege einfach da und entspanne mich. Mit Musik geht das am besten. Was gerade läuft, ist stimmungsabhängig. Es kann etwas Popiges wie die Fantastischen Vier, etwas Rockiges wie Metallica oder auch etwas ganz anderes sein. Manchmal hören wir im Wohnmobil auch Sido. Das ist dann aber eher zum Spaß gedacht und um andere Leute zu ärgern."

Max Neukirchner, damals noch auf der Suzuki, Foto: Alstare
Max Neukirchner, damals noch auf der Suzuki, Foto: Alstare

Seit diesem Jahr beginnen die Trainings der Superbike Weltmeisterschaft erst am Freitagnachmittag. Man kann daher einen ganzen Tag später anreisen. Dies sollte die Kosten senken - hat aber teilweise das Gegenteil bewirkt. "Durch die spätere Anreise um einen Tag hat sich vieles verändert", erklärt Arndt Seidel. "Alstare braucht jetzt zum Beispiel mehr Leute, um die Hospitality im gegebenen Zeitfenster fertigzubekommen. Unsere Streckenrituale wurden dabei auch etwas verschoben." Max Neukirchner meint dazu: "Sonst waren wir schon am Mittwoch da. Da konnte man abends noch mal mit dem ein- oder anderen Fahrer ein Bierchen trinken oder am Tage mal die Umgebung erkunden. Mal die Kultur und die Menschen kennenlernen. Das geht jetzt nicht mehr."

Gutes Essen - Schlechtes Essen. Wenn der aus 14 Stationen bestehende WM-Kalender nach kulinarischen Köstlichkeiten sortiert werden soll, findet Neukirchner, dass Italien ganz oben steht. Mit Monza und Imola kann sich der Sachse zwei Mal im Jahr den Kostlichkeiten wie Pizza, Pasta, Miesmuscheln und Co. widmen. Bleibt man beim Punkt "Essen", dann gibt es ein Rennen im Jahr, wo der Stollberger am liebsten schreiend davon rennen wurde. Diese Piste liegt im Herzen einer Insel. Die Rede ist von Donington Park und der englischen Küche. Fish&Chips und Fleisch in Pfefferminzsose sind so gar nicht Neukirchners Ding. Von den Kürzungen am Freitag ist die Superbike-Klasse nur peripher betroffen. Alle Trainingssitzungen sind im vollen Umfang erhalten geblieben. Nur eben spater.

"Für die Mechaniker hat sich dadurch jetzt einiges in den Abläufen geändert", schildert der Mann mit der Startnummer 76. "Bisher hatten wir das Quali am Freitagnachmittag. Wenn ich reingekommen bin, haben wir gleich das Briefing abgehalten und meine Mechaniker konnten das Motorrad für Samstag vorbereiten. Jetzt briefen wir zwar immer noch gleich, danach geht es aber für alle erst Essen und dann an die Vorbereitung des Motorrads. Damit kann es schon mal sehr lange gehen, ehe die Schrauber ins Hotel können. Aber an der Anfangszeit am Morgen hat sich nichts geändert. Wenn wir Probleme haben, dann werden die Nächte verdammt kurz."

Neukirchner genießt die familiäre Atmosphäre im Superbike-Fahrerlager. Zum Beispiel am Sonntagabend nach den Rennen. Dann treffen sich viele Piloten in der großen Hospitality von Alstare. "Noriyuki Haga kommt mit seiner Frau und Kindern fast immer zu uns", schildert der Deutsche. "Das spricht man dann über allerlei Dinge. Mal über das Rennen, mal erzählt er, was die Kinder für Fortschritte oder Blödsinn machen. Wir trinken einen Rotwein dazu und haben viel Spaß." Auch andere Piloten genossen diese Atmosphäre und trafen sich ebenso zum "After-Race-Stammtisch". Spätestens auf der Piste aber sind auch die besten Freunde wieder die ärgsten Feinde.

Das Feature über Max Neukirchner wurde in der Mai-Ausgabe des Motorsport-Magazins veröffentlicht. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie monatlich im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online im Vorzugs-Abo bestellen: