Eigentlich wollte ich mich an dieser Stelle zum Rennwochenende in Russland auslassen. Ich wollte Davide Giuglianos überraschende Pole und den BMW-Doppelsieg bejubeln, mich über Tom Sykes' wortwörtlichen Burnout auslassen, Ducatis erstes Podium und Sylavin Guintolis Kampfeswillen loben. Ich wollte mich darüber lustig machen, dass es genau am Renntag in Moskau so richtig zu regnen beginnen musste, aber all das ist nach dem tragischen Unfall in der World Supersport weder witzig, noch relevant.

"Dieser Sport kann sehr grausam sein und so sehr wir ihn auch lieben gibt es bestimmte Tage, an denen wir die Konsequenzen hassen, die er mit sich bringt. Heute in Moskau haben wir einen zukünftigen Star verloren. Andrea Antonelli hatte alles, um durchzustarten, er war im World Supersport Fahrerlager bereits ein Star und ein sehr talentierter junger Fahrer", äußerte Jeremy McWilliams nach der schlimmen Botschaft am Sonntagnachmittag.

McWilliams' Worten ist kaum etwas hinzuzufügen. Dennoch hier ein Versuch: Motorradrennsport ist - und ich denke, da stimmt jeder Fan, jedes Teammitglied und jeder Fahrer zu - kein Hobby und auch nicht einfach nur ein Beruf. Racing ist wahre Leidenschaft! Zweikämpfe, schnelle Geschwindigkeiten und die Spannung vor und während eines Rennens machen den Sport zu etwas Besonderem. Darum lieben wir ihn und darum hat ihn auch Andrea Antonelli geliebt.

Dummerweise vergessen wir alle dank des unbeschreiblichen Adrenalins, welche Gefahren der Rennsport mit sich bringt. Sicher, jeder ist sich bewusst, wie hoch das Risiko ist, ständig stürzt ein Fahrer, verletzt sich und setzt eben sogar sein Leben aufs Spiel. Alle kennen die Gefahr und doch treten wir im Ernstfall in eine Art Schockzustand über. Wir wissen es, doch das Realisieren ist eine ganz andere Geschichte. Zwischen Wissen und Erleben liegen eben Welten.

Andrea Antonelli ging viel zu früh, Foto: Honda
Andrea Antonelli ging viel zu früh, Foto: Honda

Und doch passiert es immer wieder. Man muss fast sagen, dass es ein großes Glück ist, dass seit Craig Jones vor etwa fünf Jahren in der Superbike-WM kein derartiger Fall auftrat. Damit ist der Schock an einem Sonntag wie dem 21. Juli 2013 in Moskau allerdings noch viel größer. Was mich persönlich immer etwas beruhigt ist die Tatsache, dass die Fahrer ihr Leben lassen, während sie das tun, was sie am meisten lieben - sie fahren Motorrad. Dennoch ist der Verlust für Antonellis Familie, seine Freunde, seine Kollegen, sein Team und seine Fans ganz sicher unerträglich.

So makaber es klingen mag: Aber Antonelli wurde noch nicht einmal wirklich für tot erklärt, schon begannen die Diskussionen, die sich in den nächsten Tagen garantiert endlos fortsetzen werden. Hätte das Rennen unter den Bedingungen in Moskau überhaupt gestartet werden dürfen? War die Rennleitung schuld? Hätte Lorenzo Zanetti nicht ausweichen können? Dabei sollten sich Fans, Medien und Verantwortliche doch eigentlich nur fragen: Wie gehen wir damit um? Wie können wir seiner Familie beistehen und was kann man machen, damit derartige Unfälle nicht wieder passieren, damit der Sport sicherer wird?

Genau das ist der springende Punkt. Die Motoradwelt hat einen tragischen Verlust erlitten. Antonelli war erst 25 Jahre jung, ein großartiges Talent und definitiv war es viel zu früh für ihn, diese Welt zu verlassen. Doch ich bin überzeugt, dass man anstatt Schuldige zu suchen, den Verlust erst einmal verarbeiten muss, um danach wieder nach vorn zu blicken und alles dafür zu geben, den Rennsport noch sicherer zu machen. In diesem Moment zählen keine Rennergebnisse, keine Erfolge, keine Gerüchte, keine Entschuldigungen. Das Geschehene ist leider unwiderruflich und so sehr wir es uns wünschen, wir können die Zeit nicht zurückdrehen. Also sollten wir daran arbeiten, bessere Zeiten für die Zukunft zu schaffen.

Ruhe in Frieden, Andrea. Unsere Gedanken sind in dieser schweren Zeit bei seinen Angehörigen und Freunden. Mögen sie die Kraft finden, weiterzumachen.