Die Verfügungsbeklagte, die NÜRBURGRING 1927 GmbH & Co. KG wird verurteilt, der Verfügungsklägerin (VLN Sport GmbH & Co. KG) Zugang zu der Rennstrecke des Nürburgrings (Kombination aus Nordschleife und Grand-Prix-Strecke einschließlich der zugehörigen Einrichtungen, wie insbesondere Boxengasse; ausgenommen Zuschauertribünen und Logen) im Jahr 2024 an mindestens vier und maximal sieben Rennterminen zu gewähren.

Eine Entscheidung, die ursprünglich bereits am 21.12.2023 geplant war, aber wegen der Krankheit eines Richters verschoben werden musste, und mit der nun wohl keine der beiden betroffenen Parteien zufrieden sein kann. Denn mit dem nun feststehenden Urteil in letzter Instanz wurde die Möglichkeit geschaffen, dass zwei konkurrierende Rennserien Events und Rennen 2024 veranstalten können.

Im Klartext heißt das, die VLN mit ihrer seit 1977 bestehenden Nürburgring-Langstrecken-Serie (VLN/NLS) darf fünf Veranstaltungen mit sechs Rennen (vier davon über vier Stunden und zwei über jeweils sechs Stunden an zwei Tagen) auf der Nürburgring-Nordschleife samt Grand-Prix-Kurs durchführen. Dem Automobilclub von Deutschland (AvD), der eine Konkurrenz-Rennserie mit Namen Nürburgring-Endurance-Serie (NES) plant, werden dagegen nur drei Events über je vier Stunden zugestanden. Die NÜRBURGRING 1927 GmbH & Co. KG hatte ursprünglich acht Termine mit insgesamt neun Rennen zur Verfügung gestellt.

Die Auswirkungen für diese Entscheidung sind noch nicht absehbar, denn keine der beiden Parteien dürfte mit dieser durchaus umstrittenen Entscheidung, die zunächst wegen einer noch ausstehenden Hauptverhandlung nur für 2024 gilt, glücklich sein - von betroffenen Teams und Fahrern ganz zu schweigen.

Damit wurde auch das mündliche Urteil des Landgericht Mainz vom 10.08.2023, das am 07.09.2023 öffentlich verkündet wurde, aufgehoben. Das LG hatte der VLN nämlich die besagten und vom Nürburgring zur Verfügung gestellten acht Veranstaltungen mit insgesamt neun Rennen zugestanden. Im jetzigen finalen Urteil hat das OLG die ursprüngliche Entscheidung des LG gekippt und auch die Entscheidung des Berufungsgerichts vom 23.11.2023 teilweise revidiert. Dabei war nämlich noch von einer Aufteilung für die beiden geplanten Rennserien von jeweils vier Events die Rede.

Die NLS darf 2024 fünf Veranstaltungen mit sechs Rennen austragen, Foto: Jan Brucke/VLN
Die NLS darf 2024 fünf Veranstaltungen mit sechs Rennen austragen, Foto: Jan Brucke/VLN

Zur Erklärung die Hintergründe aus VLN-Sicht

Die VLN Sport GmbH & Co. KG verfolgte als Klägerin mit diesem Prozess das Ziel, für die Saison 2024 Zugang zur Rennstrecke des Nürburgrings zur Durchführung ihrer legendären Nürburgring-Langstrecken-Rennserie (NLS) zu erlangen. Nachdem die Klägerin 47 Jahre ununterbrochen ihre Rennserie durchführen konnte, kündigte die Nürburgring Holding GmbH, die Muttergesellschaft der beklagten Betreiberin des Nürburgrings, an, für die NLS-Rennserie keine Termine zur Verfügung stellen zu wollen. Hiergegen wehrte sich die Klägerin unter Bezugnahme auf das Kartellrecht und das Nürburgring-Gesetz.

Das im Juni 2013 vom Landtag Rheinland-Pfalz beschlossene Landesgesetz zur Erhaltung der Zweckbestimmung des Nürburgrings besagt im Wortlaut und MSM vorliegend: Zweck des "Nürburgring"-Gesetzes ist es, die Benutzung des Nürburgrings durch die Allgemeinheit dauerhaft zu gewährleisten, damit dieser weiterhin der Förderung des Kraftfahrzeugwesens und des Motorsports, insbesondere des Breitenmotorsports, dienen kann, mit dem Ziel zur Verkehrsertüchtigung der Fahrerinnen und Fahrer, technischen Verbesserung der Fahrzeuge und damit zur Erhöhung der allgemeinen Verkehrssicherheit im öffentlichen Straßenverkehr beizutragen. Zugleich soll der Fremdenverkehr im Eifelraum gefördert werden.

Weiter heißt es von der VLN: Nachdem das Landgericht Mainz dem Antrag der Klägerin im einstweiligen Rechtsschutz (am 10.08.2023, d. Red.) stattgegeben hatte, ließ das OLG Koblenz in seiner mündlichen Verhandlung (am 23.11.2023, d. Red.) anklingen, dass es der Klägerin in wichtigen Punkten recht geben wird: Der Nürburgring sei in der Kombination Nordschleife und Grand-Prix-Strecke insgesamt als Infrastruktureinrichtung im Sinne des Kartellrechts ("essential facility") einzuordnen, sodass ein kartellrechtlicher Zugangsanspruch für Veranstalter von Langstreckenrennen grundsätzlich bestehe.

Foto: Gruppe C Photography
Foto: Gruppe C Photography

Gibt es mehrere Bewerber (im aktuellen Fall die VLN und der AvD, d. Red.) für eine begrenzte Anzahl von Terminen, kann sich die beklagte Betreibergesellschaft nicht etwa einen Bewerber aussuchen, sondern es müssen diese Termine zwischen den Bewerbern diskriminierungsfrei aufgeteilt werden. Im Ergebnis ordnete das OLG die Zugangsverweigerung als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ein.

Das Urteil hat Implikationen, die über den Rechtsstreit hinausgehen

Die Rennstrecke des Nürburgrings befand sich über 80 Jahre in öffentlicher Hand. Als Folge des sogenannten Nürburgring-Skandals wurde diese veräußert. Die Privatisierung wurde schon damals durch die Befürchtung begleitet, dass das Gewinnstreben eines privaten Eigentümers dem öffentlichen Interesse an einer möglichst breiten Nutzung entgegenstehen könnte. Um dem entgegenzuwirken, erließ der Landtag Rheinland-Pfalz 2013 das sogenannte Nürburgring-Gesetz.

Die Entscheidung wirft ein Schlaglicht auf die gegenwärtige Betreiberin des Nürburgrings. Diese wird mehrheitlich durch den russischen Unternehmer Viktor Charitonin kontrolliert. Er hatte zuletzt auch versucht, über die Nürburgring Holding GmbH mit dem Flughafen Frankfurt-Hahn eine weitere Infrastruktur in Deutschland zu erwerben. Die Auseinandersetzung unterstreicht gleichzeitig die Zielsetzung der Nürburgring-Gesellschaften, neben der Rolle als Vermieterin der Rennstrecke auch Rennveranstaltungen zu kontrollieren.

In einer von Motorsport-Magazin.com beim OLG Koblenz angeforderten offiziellen Urteilsbegründung heißt es wörtlich und für Nicht-Juristen wenig verständlich:

In der Sache U 1102/23 Kart hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Koblenz in der Hauptsache heute auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2023 folgende Entscheidung verkündet:

Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, der Verfügungsklägerin Zugang zu der Rennstrecke des Nürburgrings (Kombination aus Nordschleife und Grand-Prix-Strecke einschließlich der zugehörigen Einrichtungen, wie insbesondere Boxengasse; ausgenommen Zuschauertribünen und Logen) im Jahr 2024 an mindestens vier und maximal sieben Rennterminen bestehend aus zwei Nutzungstagen (Freitag und Samstag) und einem Renntermin bestehend aus drei Nutzungstagen (Freitag, Samstag, Sonntag) gleichmäßig über die Monate März bis November (die "Saison") bei höchstens einem Rennen pro Monat verteilt, zu gewähren, dies Zug um Zug gegen Zahlung eines Höchstbetrags von 235.000 ¤ netto (Miete Rennstrecke inkl. verbrauchsabhängiger Nebenkosten) pro Renntermin bestehend aus jeweils zwei Nutzungstagen (Freitag und Samstag) und eines Höchstbetrags von 360.000 ¤ netto (Miete Rennstrecke inkl. verbrauchsabhängiger Nebenkosten) für den Renntermin bestehend aus drei Nutzungstagen (Freitag, Samstag und Sonntag), wobei die Klägerin die Zahlungen unter dem Vorbehalt der teilweisen Rückforderung leisten kann.

Im Übrigen hat der Senat den Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung und die Anschlussberufung zurückgewiesen.

Im Laufe des Tages wird dieser Artikel mit offiziellen Statements, die von Motorsport-Magazin.com beim AvD, dem ADAC als Veranstalter von sechs VLN- und dem 24h-Rennen Nürburgring sowie der Interessengemeinschaft Langstrecke Nürburgring e.V. (ILN) als Betroffene angefragt wurden, ergänzt.