Auch wenn eine gewisse Haudrauf-Einstellung im Motorrad-Rennsport schon viel wert ist, so ist auch hier Erfahrung immer noch ein beinahe unvorstellbar wichtiges Gut. Als Neueinsteiger hat es ein Fahrer einfach schwerer als ein erfahrener Pilot. Deswegen galt es auch als doch recht großes Risiko, als Pramac Racing sich entschied, die Saison 2009 mit zwei Rookies zu bestreiten. Noch größer war das Risiko, weil mit Mika Kallio eigentlich nur einer der beiden Piloten eine normale Fahrer-Entwicklung durchgemacht hatte. Niccolo Canepa galt zwar als durchaus talentiert, viel mehr als den Gewinn beim FIM Superstock 1000 Cup für Ducati hatte er auf sportlicher Ebene aber nicht vorzuweisen.

2008 war der Italiener als Ducati-Tester unterwegs und konnte bei Gastauftritten in der Superbike-WM gute Ansätze zeigen, aber die Beförderung in die MotoGP schien doch ein wenig voreilig. Schon vor der Saison meinten einige, Canepa hätte noch ein wenig Aufbauzeit gebrauchen können, entweder in der 250er-Klasse, in der Supersport oder auch der Superbike. Bei Kallio war die Sache anders gelagert. Er galt in der 250cc-Klasse nicht nur als einer der technisch versiertesten Fahrer, sondern auch als einer der schnellsten, auch wenn er das auf der nicht immer zuverlässigen KTM nicht regelmäßig zeigen konnte. Aufgrund des hohen technischen Verständnisses erhoffte sich Ducati aber vor allem, dass der Finne vielleicht einen Weg finden könnte, um die Ducati für die Allgemeinheit fahrbarer zu machen.

Mika Kallios Sturz in Assen war unangenehm, Foto: Milagro
Mika Kallios Sturz in Assen war unangenehm, Foto: Milagro

Kallio sollte sich letztendlich dann auch als recht gute Wahl herausstellen. Er entwickelte über die Saison zwar einen recht ungesunden Hang zu stürzen, doch wenn er sitzen blieb, konnte er doch ein Tempo auf der Ducati zeigen, das den Vorgesetzten Hoffnung machen konnte. So startete er gleich mit zwei achten Plätzen in die Saison, womit er den Erwartungen schon einmal voraus war. Dann schlug allerdings der Defekt und Sturzteufel zu und es folgten zwei Nullrunden in Jerez und Le Mans. Dieses Auf und Ab sollte auch ein wenig kennzeichnend für die Saison des Finnen werden, wobei er dabei nicht unbedingt immer alleine schuld war.

Kaputter Finger

Größtes Handicap war eine Fingerverletzung, die er sich beim Rennen in Assen zuzog. Im Kampf um Platz sechs kam er in der letzten Schikane schwer zu Sturz und verlor einen Teil des linken Ringfingers. Scherzhaft meinte er damals, vielleicht wäre es besser, ihn gleich abzuschneiden, da er sich dort bereits beim Testen verletzt hatte. Weniger lustig war, dass er deswegen Laguna Seca auslassen musste und danach klarerweise auch beeinträchtigt war. Die andere Ablenkung war Casey Stoners Krankheit. So verhalf die Kallio zwar zu einem kurzzeitigen Wechsel ins Werksteam, dort musste er sich aber an völlig neue Abläufe, Ingenieure und Mechaniker gewöhnen, was zunächst auch nicht half.

Dennoch, mit Rang sieben in Misano holte der Finne gerade beim Werksteam sein bestes Saison-Ergebnis, bevor er bei der Rückkehr ins Pramac-Team in Estoril wieder stürzte. Insgesamt fünf Mal sah Kallio nicht das Ziel, vier Mal davon wegen eines Sturzes. Nimmt man seine Ausrutscher in den Trainings noch dazu, dann war er in seinem Rookie-Jahr noch zu oft im Kies, auch wenn er als WM-15. letztendlich deutlich Rookie des Jahres wurde.

Niccolo Canepa braucht noch etwas Zeit, Foto: Ronny Lekl
Niccolo Canepa braucht noch etwas Zeit, Foto: Ronny Lekl

Zweitbester Rookie nach der WM-Tabelle war Canepa, der allerdings bereits beträchtlichen Rückstand auf seinen Teamkollegen aufwies und nach einem schweren Sturz auf Phillip Island die letzten drei Rennen der Saison versäumte. Der Italiener wirkte das ganze Jahr über noch ein wenig überfordert mit der restlichen Weltspitze und brauchte besondere Bedingungen wie in Mugello oder Donington, um unter den Top Ten aufzutauchen. Aber gerade bei schwierigen Rennen wie diesen zwei zeigte er auch, dass das Potential durchaus vorhanden ist, es nur erst einmal richtig entwickelt werden muss. Dabei könnte Canepa das Antreten in der Moto2 im kommenden Jahr helfen.

Derweil wird Pramac Racing 2010 etwas mehr auf Nummer sicher gehen. Kallio wurde gehalten und sollte in seinem zweiten Jahr nicht nur konstanter sondern auch schneller sein, statt Canepa kommt Aleix Espargaro. Obwohl er unter den Bezeichnung Rookie antreten wird, hat der Spanier aber bereits Eindruck gemacht. Er sprang 2009 vier Mal bei Pramac ein, zwei Mal wegen Kallios Aushilfe beim Werksteam und zwei Mal wegen Canepas Verletzung zum Saisonende. Dabei hinterließ er einen so guten Eindruck, dass er nicht nur einen Vertrag für 2010 bekam, sondern fast die gesamte GP-Szene beeindruckte. In seinen vier Rennen holte der Spanier immerhin fast so viele Punkte wie Gabor Talmacsi in zwölf Einsätzen - und der Ungar war vor seinem unverhofften MotoGP-Einstieg immerhin schon einmal Weltmeister gewesen.