Francesco Bagnaia hat es geschafft, er ist erneut MotoGP-Weltmeister. Zum zweiten Mal erlebte der Turiner einen WM-Kampf, der bis zum letzten Rennen ging. Und zum zweiten Mal hat sich der Ducati-Star durchgesetzt. Dennoch unterschieden sich 2022 und 2023 für ihn deutlich. Warum er den Sieg gegen Jorge Martin höher bewertet als seinen ersten Titel gegen Yamaha-Star Fabio Quartararo.

Quartararo 2022 mit besserem Bike besiegt

"Ich dachte ich hätte einen großen Fortschritt gemacht, wenn es darum geht, in wichtigen Momenten die Ruhe zu bewahren. Ich dachte, aus dem letzten Jahr gelernt zu haben, aber ich habe dieses Jahr erneut einige Fehler gemacht", ärgerte sich Bagnaia trotz seines erneuten WM-Titels 2023. Gemeint sind vor allem seine Stürze. 2022 lief er deswegen einem Rekordrückstand von 91 Punkten nach dem Sachsenring hinterher. 2023 schmiss er schon in Argentinien und Austin einen womöglich nichtmehr einzuholenden Vorsprung weg. Besonders letzterer Fehler wurmt ihn noch heute: "Ich fühlte mich unschlagbar, aber ich verlor die Front und verstehe bis heute nicht, warum ich da in Austin gestürzt bin."

2022 fuhr Bagnaia Rivale Quartararo in der zweiten Saisonhälfte davon, Foto: LAT Images
2022 fuhr Bagnaia Rivale Quartararo in der zweiten Saisonhälfte davon, Foto: LAT Images

Die Ausgangslagen in den beiden Jahren waren also gänzlich anders. Einmal war 'Pecco' der Jäger, einmal der Gejagte. Ersteres fiel ihm leichter. Das hatte einen einleuchtenden Grund: "Letztes Jahr begann Fabio sehr stark. Als ich dann zu siegen begann, fingen die Probleme bei ihm an. Sein Bike gab ihm nicht die Möglichkeit, mit mir zu kämpfen." Die GP22 von Ducati war der Yamaha nach dem Ausmerzen einiger Kinderkrankheiten schlichtweg deutlich überlegen. Nach der Sommerpause schaffte es Quartararo nur noch zweimal auf das Podest und holte keinen Sieg. Bagnaia hingegen sicherte sich 5 Siege und 8 Podien. Am Ende sprach er sogar selbst davon, dass Quartararo der bessere Fahrer gewesen sei, weil er den WM-Kampf auf unterlegenem Material bis zum Schluss offenhielt.

Barcelona-Sturz macht WM 2023 spannend

2023 hingegen herrschte beim Material von Anfang an Gleichstand. Pramac fährt Ducati-Werksmaterial und auch Updates erhielten Bagnaia und Jorge Martin im Gleichschritt. Der Titelverteidiger war zu Saisonbeginn trotz seiner Stürze klar tonangebend. Martin brauchte ein bisschen, um auf Speed zu kommen. Erst beim siebten Saisonrennen auf dem Sachsenring konnte der Spanier erstmals gewinnen und Bagnaia niederringen. Der wirkliche Fight sollte aber erst noch folgen. Nach der Sommerpause sah immer noch alles nach einem lockeren Titel für Bagnaia aus.

Doch dann kam der definierende Moment der Meisterschaft: "Barcelona war ein großer Rückschlag. Ich begann, mich schwer zu tun. Da Problem war das Bein, ich hatte große Schmerzen. Danach ging mir der Speed im Qualifying und im Sprint verloren." Dabei hatte Bagnaia bei seinem Horrorsturz auf dem Circuit de Catalunya noch Glück im Unglück: " Mein Sturz war ein großer Unfall, ein anderer Fahrer [Brad Binder] fuhr über meine Beine. Ich hatte Glück, dass dort schon bereits ein paar Fahrer in Kurve 1 gestürzt waren." Sonst hätten auch sie dem am Boden liegenden Ducati-Piloten vielleicht nicht mehr ausweichen können.

Der Horrorunfall in Barcelona machte die WM wieder spannend, Foto: LAT Images
Der Horrorunfall in Barcelona machte die WM wieder spannend, Foto: LAT Images

Sturz in Indien als nächster Knackpunkt: Schlussdrittel 2023 große Lektion für Bagnaia

Dass Bagnaia schon eine Woche später beim Heimspiel in Misano am Start war und dann sogar in Sprint und Rennen jeweils Dritter wurde, war nichts anderes als eine Sensation. Trotzdem erlebte er eine Niederlage, denn Martin gewann beide Rennen. "Ich versuchte alles, um für Misano bereit zu sein, aber ich war es nicht. Ich konnte das Knie nicht bewegen, das war eine sehr schwierige Situation", erinnert sich der Weltmeister. So richtig spannend machte er den Titelkampf dann aber am nächsten Rennwochenende: "Jorge baute viel Selbstvertrauen auf und als ich in Indien gestürzt bin, da habe ich ihm bei seiner Mission auch noch geholfen."

Und so wurde aus einem klaren Vorsprung im Sommer ein offener Schlagabtausch, bei dem Martin nicht selten der schnellere Mann war. Letztlich konnte sich Bagnaia doch durchsetzen, auch weil sein neuer Rivale ebenfalls nicht fehlerfrei blieb. Martin stürzte in Indonesien, wählte den falschen Reifen in Australien und war dann dem Druck im Saisonfinale in Valencia nur am Samstag gewachsen. Zwei Titel in Folge, aber beide nicht ohne Dramatik. Aus beiden Jahren hat 'Pecco' gelernt: "Das letzte Jahr war eine große Lektion für mich, aber das gilt auch für den letzten Teil dieser Saison. Manchmal ist es besser, entspannt zu bleiben."

Jorge Martin nach Sturz beim MotoGP-Finale in Valencia
Auch Jorge Martin blieb im WM-Kampf nicht fehlerfrei, Foto: LAT Images

Projekt Titelverteidigung 2024: Bagnaias Gegner sind zahlreich

Ob Bagnaia die Ruhe für den dritten Titel in Folge 2024 hat, wird sich zeigen müssen. Die Liste der Herausforderer wird sicherlich nicht kleiner werden. Martin wird nach seiner Niederlage zurückschlagen wollen. Enea Bastianini hat mit seinem Malaysia-Sieg bewiesen, dass er es wieder an die Spitze schaffen kann. Marco Bezzecchi hat nun ein Jahr mehr Erfahrung und auch mit Brad Binder ist bei einer weiteren Steigerung KTMs zu rechnen. Und dann ist da noch der große Elefant im Raum. Marc Marquez wird 2024 ebenfalls Ducati fahren, auch wenn er bei Gresini nur ein Vorjahresmodell erhält. Gut möglich also, dass Bagnaia schon im nächsten Jahr ein noch härterer Kampf bevorsteht.

Marc Marquez liefert Kampfansage: Starkes Ducati-Debüt! (06:51 Min.)