Der große Schlagabtausch im MotoGP-Titelkampf 2023 geht in seine vorletzte Runde. Beim Katar GP werden sich Francesco Bagnaia und Jorge Martin unter Flutlicht erneut duellieren. Der Spanier hat aktuell 14 Punkte Rückstand auf den Titelverteidiger. Wie sehen sie ihren Titelkampf, wie liegt ihnen Katar und welche Rolle könnten Teamkollegen und Freunde im Paddock spielen? Der große Check vor dem Wüstenrennen.

Vorzeitiger Titelgewinn in Katar? Kein Thema für Bagnaia

Theoretisch kann Bagnaia seine Titelverteidigung schon an diesem Wochenende klarmachen. Davon will der Italiener aber nichts wissen: "Ich sehe dieses Wochenende nicht als einen Matchball. Ich müsste 23 Punkte mehr als Jorge machen. Das ist zu viel für ein einzelnes Wochenende. Jorge macht einen großartigen Job. Es ist wichtig, das Session für Session anzugehen. Das hat letztes Wochenende in Sepang gut funktioniert." Ihm ist klar, dass er nur mit Hilfe seines Rivalen schon im Wüstenstaat feiern kann: "Es gibt die Möglichkeit, aber die Chance dafür ist sehr gering. Diese Situation kann nur auftreten, wenn Jorge ein Problem hat. Ohne ein Problem bei ihm ist es unmöglich, 23 Punkte herauszuholen." Und auch Martin ist sicher: "Es wird bis nach Valencia gehen."

Noch ist Bagnaia in der WM vor Jorge Martin, Foto: LAT Images
Noch ist Bagnaia in der WM vor Jorge Martin, Foto: LAT Images

Auch von seinem Vorsprung von immerhin 14 Zählern will Bagnaia nichts wissen: "Momentan sind 14 Punkte in der Meisterschaft gar nichts. Es gibt 37 Punkte an einem Wochenende, das ist eine Menge. Da kann man viel gewinnen, aber auch viel verlieren." Zu oft ging es schon hin und her. Das Level der beiden ist enorm hoch, wie auch das letzte Wochenende in Malaysia bewies: "Er [Martin] hat 3 Punkte am Samstag aufgeholt und dann am Sonntag wieder 4 verloren. Es ist also sehr ausgeglichen. Hier wird es wieder Kopf an Kopf sein." Auf Ergebnis zu fahren, kommt für 'Pecco' daher nicht in Frage: "Ich werde dieses Wochenende wie ein normales angehen. Ich weiß nur zu gut, dass der Druck kommen kann. Der einzige Weg wieder Weltmeister zu werden, ist vorne mitzufahren."

Sein spanischer Rivale hat an Rechenspielchen noch weniger Interesse. Seine Ausgangslage sieht Martin einfach: "Ich kenne die mathematische Ausgangslage nicht genau. Ich weiß nur: Ich muss Punkte aufholen. Das ist das Ziel. Ich bin sicher Zweiter in der Meisterschaft, selbst wenn ich in den nächsten beiden Rennen nicht antrete. Ich kann also einfach attackieren und so viele Punkte wie möglich aufholen." Das es aber nicht ganz so einfach ist, musste der Pramac-Pilot dann doch zugeben: "Mit Sicherheit ist der Druck groß. Es ist ein wirklich wichtiges Wochenende. Ich kann mir keine Fehler erlauben. Das könnte den Verlust der Weltmeisterschaft bedeuten. Ich muss schnell sein, aber ich darf auch keine Fehler machen. Es ist wirklich kompliziert."

Katar 2022: Crash der beiden Titelrivalen

Mit Blick auf die Strecke sieht sich Bagnaia stark: "Es ist eine Strecke, die ich mag. Ich war hier immer konkurrenzfähig, abgesehen vom letzten Jahr. Das war damals einfach zum falschen Moment in der Saison. Der Rundenrekord gehört immer noch mir. Das Motorrad passt zu dieser Strecke." 2021 standen die zwei Titelkandidaten bei jeweils einem der beiden Rennen auf der Strecke als Dritter auf dem Podest. Für Martin war es damals sogar das erste Podium. Beide sicherten sich hier auch ihre erste Pole-Position in der MotoGP.

2022 kollidierte Bagnaia nach Sturz mit Martin, Foto: Ducati
2022 kollidierte Bagnaia nach Sturz mit Martin, Foto: Ducati

2022 kam aber kein Erfolg dazu, weil sie direkt aufeinandertrafen. Im Zweikampf kam Bagnaia zu Sturz und räumte so Martin mit ab. Dem Italiener wurden die Bilder noch einmal gezeigt und er erinnerte sich: "Wir kämpften um 7 Punkte. Ich war am Limit im Kampf mit ihm und verlor die Front. Ich war eigentlich mehr um ihm besorgt als um mich. Er fiel hart auf das Leder." Nachtragend zeigte sich Martin nicht. Obwohl auch er die Bilder des Unfalls in der Pressekonferenz der beiden Rivalen vorgespielt bekam, blieb er einfach gelassen neben Bagnaia sitzen und schwieg.

Schützenhilfe? Teamkollegen Bastianini und Zarco stehen bereit

Die Strecke und der Crash aus dem Vorjahr sprechen also weder für den einen, noch für den anderen. Seit Malaysia gibt es aber einen anderen Faktor: Die Teamkollegen. Enea Bastianini hat mit einem Wechsel zu einer Daumenbremse seine Form wiedergefunden. Im Sprint schirmte er Francesco Bagnaia ab, im Rennen folgte der Sieg. Wird er zum Edelhelfer? Eine Abmachung gibt es laut 'La Bestia' nicht: "Es gab keine Besprechung, in der es darum gegangen wäre, Pecco zu helfen. Wir werden sehen. Vermutlich werden wir noch darüber sprechen müssen, aber bis jetzt war das nicht der Fall." Nach seinem Sieg in Malaysia hatte er aber bereits angekündigt, dass er Bagnaia helfen würde. Dieser fordert dies öffentlich aber gar nicht ein: "Ich war mit dem Team immer im Klaren: Wenn er [Bastianini] gewinnen kann, dann muss er auch pushen." Dennoch hielt sich der WM-Leader eine Türe auf: "Ich bevorzuge eigentlich, allein zu arbeiten, aber vielleicht ist es jetzt an der Zeit zusammenzuarbeiten."

Die Ducati-Piloten Francesco Bagnaia und Enea Bastianini im MotoGP-Sprint von Sepang.
Enea Bastianini half Bagnaia bereits in Malaysia, als er im Sprint nicht angriff, Foto: LAT Images

Auf Seiten von Pramac wurde auch in Richtung Johann Zarco nichts eingefordert: "Ich habe keine Teamorder erhalten. Sicherlich wäre es für das Team, für alle bei Pramac, schön, wenn ich Jorge helfen könnte. Aber in den letzten Rennen waren Pecco und Jorge viel schneller als ich. Da konnte ich darüber also nicht einmal nachdenken." Für ihn ist der Dienst für das Team eine Selbstverständlichkeit, für die es keine Order braucht: "Dieser Titel von Jorge wäre ein wahrgewordener Traum für alle Jungs im Team. Wenn ich also etwas dafür tun kann, dann wäre ich liebend gerne ein Teil davon. Aber dazu muss es erst einmal zu dieser Situation kommen."

Die Schützenhilfe aus dem eigenen Team ist beiden also sicher. Doch Bagnaia könnte auch Unterstützer aus der VR46-Fraktion haben, ist er doch Teil der Academy und beispielsweise mit Marco Bezzecchi eng befreundet. Martin lassen solche Gedankenspiele aber kalt: "Mir geht es nicht um Freunde, es geht nur um mich. Ich fühle, dass ich bei 100% alle von ihnen schlagen kann. Ich konzentriere mich auf das Wochenende und mich selbst. Und wenn ihm irgendwer hilft, dann kann ich das nicht kontrollieren. Also kümmert mich es nicht."

Reifendrücke: Martin fürchtet WM-Entscheid am grünen Tisch

Was die beiden sehr wohl kümmert, ist der Mindestdruck der Reifen. Nach Malaysia stehen Bagnaia und Martin mit je einer Warnung da. Bei der nächsten Unterschreitung gibt es eine Zeitstrafe von drei Sekunden. Bagnaia ist vorsichtig: "Ich glaube nicht, dass irgendjemand riskiert, niedriger zu fahren. Drei Sekunden machen einen großen Unterschied im Resultat. Drei Sekunden herauszuholen ist sehr schwierig." Und auch Martin hat kein Interesse an einem Reifendruckpoker: "Mit Sicherheit werde ich das Risiko nicht eingehen." Der Spanier hat angesichts der kontroversen Regel eine Befürchtung, die wohl alle Fans teilen: "Ich hoffe, die Meisterschaft wird nicht dadurch nicht entschieden. Es sollte nicht in einem Büro entschieden werden, sondern auf der Strecke." Auf diese geht es dann am Freitag wieder. Motorsport-Magazin.com berichtet natürlich ausführlich von den Trainingseindrücken der beiden Titelrivalen.

MotoGP macht sich lächerlich! Fahrer sind machtlos (05:57 Min.)