Nachdem der MotoGP-Sprint am Samstag an der Spitze noch recht eintönig verlaufen war, lieferten sich Jorge Martin und Francesco Bagnaia einen Tag später im Grand Prix von Deutschland einen spektakulären Zweikampf. Sie tauschten im Kampf um den Sieg mehrfach Positionen und berührten sich in der Schlusskurve des Sachsenring sogar kurzzeitig. Nach dem Rennen sangen die beiden WM-Rivalen am Sonntagnachmittag gegenseitige Loblieder.

"Ich habe das wirklich genossen, viel mehr als gestern. Wir hatten einen harten Zweikampf. Ich wollte vorbei, letztlich war Jorge aber etwas schneller. Ich freue mich schon daraus, mir das Rennen nochmal anzusehen", sagte etwa Bagnaia in der offiziellen MotoGP-Pressekonferenz. Zuvor hatte Martin seinem Rivalen schon Rosen gestreut: "Pecco war heute fantastisch, viel stärker als gestern. Das habe ich im Warm Up schon gesehen."

Dass es überhaupt zu diesem Zweikampf gekommen war, ist einzig der Startphase zu verdanken. Bagnaia kam von der Pole Position zwar gut weg, verlor die Führung aber an Ex-Teamkollege Jack Miller. Martin schoss zeitgleich vom Ende der zweiten Reihe auf Platz vier nach vorne. So waren beide Piloten am Ende der ersten Runde in Position, um von einem Fehler Millers in Turn 11 zu profitieren. Bagnaia zog schon auf dem Weg zu T12 vorbei, Martin bremste sich wenige Augenblicke später auf der Innenbahn an Miller und Luca Marini vorbei.

Berührung in der Schlusskurve: Bagnaia wirft beinahe P2 weg

Nur zwei Runden später überholte Martin an gleicher Stelle Bagnaia und übernahm ein erstes Mal die Führung. "Ich wollte das gleiche machen wie gestern und einen Vorsprung herausfahren", berichtet der Pramac-Pilot. Einige Zehntel konnte er sich erarbeiten, musste dann aber wieder Tempo rausnehmen: "Ich habe gemerkt, dass der Hinterreifen das nicht durchhalten würde. Dann kam er [Bagnaia, Anm.] wieder ran. Als er mich überholte, habe ich meine Strategie gewechselt und versucht, direkt zu kontern. Ich hatte befürchtet, dass er wegziehen würde."

Genau das war auch der Plan seines Rivalen, nachdem er in Runde 21 die Führung in Turn 12 zurückerobert hatte. "Ich wollte eine Lücke öffnen, war aber vielleicht etwas zu konservativ mit meinem Hinterreifen, während er gepusht hat", verrät Bagnaia. Nur drei Runden später musste er Martin - natürlich in Turn 12 - ein zweites Mal passieren lassen. Der amtierende Weltmeister war um eine Antwort sofortige Antwort bemüht und deutete speziell im Infield eine überlegene Pace an, fand aber keinen Weg vorbei am Pramac-Piloten.

In den letzten vier Runden spitzte sich das Geschehen dann zu: Zunächst lief Bagnaia bei einer versuchten Attacke in Turn 12 am Ausgang der 'Wasserfall'-Kurve T11 beinahe auf das Heck von Martin auf, am Ende der vorletzten Runde kam es in der Schlusskurve dann tatsächlich zum Kontakt: Bagnaia berührte mit seinem Vorderrad das Hinterrad seines Kontrahenten und hatte Glück, nicht zu stürzen. "Es war sehr schwierig in Turn 1 zu überholen, deshalb wollte ich schon vorher ein Manöver starten. Vielleicht war ich etwas zu nahe an ihm dran und habe sein Heck berührt. Ich wollte etwas anderes versuchen, das hat aber nicht sonderlich gut geklappt", blickt Bagnaia schmunzelnd zurück.

Martin wiederum habe davon gar nichts mitbekommen: "Ich habe nichts gespürt, in der Kurve hatte ich in jeder Runde Bewegung im Bike. Ich habe nur den Vorsprung gesehen und dachte, dass es etwas passiert sein muss." Dieser Vorfall wirkte wie eine Vorentscheidung, Bagnaia kam bis zur Kurve 12 nicht mehr in Schlagdistanz. Weil Martin in der Schlusskurve Kampflinie fuhr, eröffnete sich dem Ducati-Werksfahrer aber beim Rausbeschleunigen nochmal eine Gelegenheit. Nur 0,064 Sekunden trennten die beiden Piloten bei Zielüberfahrt.

Francesco Bagnaia jagte Jorge Martin lange Zeit, Foto: LAT Images
Francesco Bagnaia jagte Jorge Martin lange Zeit, Foto: LAT Images

WM-Zweikampf zwischen Bagnaia und Martin?

"Ich bin verdammt stolz auf mein Team. Nicht nur wegen des Sieges, sondern weil wir Pecco auf der Strecke geschlagen haben. Er ist seit eineinhalb Jahren der stärkste Fahrer. Ihn zu besiegen bedeutet mir viel. Ich hoffe, dass wir diese Pace über die gesamte Saison aufrechthalten können", jubelte Martin. Auch sein Kontrahent zeigte sich trotz der knappen Niederlage mit Platz zwei zufrieden: "Ich muss glücklich mit diesem Resultat und unseren Verbesserungen seit Freitag. Ich habe alles gegeben."

Es dürfte nicht das letzte Duell zwischen Bagnaia und Martin in diesem Jahr bleiben. In den vergangenen Wochen holte kein anderer Fahrer mehr Punkte als die Ducati-Piloten. Durch Martins Sieg liegen nur noch 16 Punkte zwischen den beiden WM-Führenden: Bagnaia hält nach sieben Rennwochenenden bei 160 Zähler, Martin bei 144. Deutet sich da ein packender WM-Zweikampf an? Martin winkt ab: "Momentan denke ich da nicht drüber nach, ich wollte heute nur gewinnen. Ich brauche noch mehr Selbstvertrauen durch Siege. Es ist viel beeindruckender, was Pecco gemacht hat. Sich von gestern auf heute so zu verbessern, ist beeindruckend. Er ist der Stärkste."

Der amtierende Weltmeister fühlt sich geschmeichelt, weiß aber um die Gefahr durch seinen Markenkollegen: "Wir werden sehen. Jedes Rennen fragt ihr mich, wer mein Rivale ist. Es stimmt, dass Jorge und Pramac sehr stark sind. Er war dreimal in Folge auf dem Podium." Scherzhaft, aber sicher auch mit einem kleinen bisschen Ernsthaftigkeit sagt Bagnaia deshalb: "Wenn er mir zu nahekommt, frage ich nach einer Teamorder."