Sportlich läuft es für Jorge Lorenzo seit dem Wechsel zu Ducati absolut nicht nach Wunsch. Nun macht der Mallorquiner auch noch einen Nebenkriegsschauplatz auf. Lorenzos Aussagen zufolge würde Teamkollege Andrea Dovizioso versuchen, ihm mental zu schaden. Vorwürfe, die man in Richtung des im Fahrerlager aufgrund seiner bescheidenen und ruhigen Art überaus beliebten Dovizioso bislang nie gehört hatte.

Ausgangspunkt für die mediale Auseinandersetzung soll der Rennsonntag in Katar sein. Nach seinem Sieg und der offiziellen Pressekonferenz in englischer Sprache stellte sich Dovizioso wie üblich in seiner Muttersprache den Fragen der kleineren italienischen Journalistenrunde. Angesprochen auf die Probleme Lorenzos bei Ducati sagte Dovizioso, dass er wüsste, woher diese kommen, mit seinem Teamkollegen aber nie darüber gesprochen habe.

Lorenzo greift Ducati-Kollege Dovizioso an

In Argentinien bat nun der spanische Fernsehsender 'Movistar TV' Lorenzo zum ausführlichen Interview und sprach ihn auf die Aussage Doviziosos, wonach er den Grund für Lorenzos Probleme wisse, an. "Dovi ist sehr intelligent, nicht wahr? Er weiß so gut wie alles", antwortete Lorenzo in sarkastischem Ton.

Damit nicht genug, warf Lorenzo seinem Ducati-Stallgefährten Psychospielchen innerhalb des Teams vor: "Dovi hat immer - während meiner gesamten Karriere - versucht, meine Moral zu untergraben. Und er macht es auch als mein Teamkollege immer noch. Das ist also nichts Neues für mich."

Die Karrieren der Beiden verlaufen seit dem WM-Einstieg von Lorenzo 2002 praktisch im Gleichschritt. Zunächst fuhren sie gemeinsam drei Jahre in der 125ccm-Klasse, dann ging es für den gleichen Zeitraum zu den 250ern, ehe 2008 für Lorenzo und Dovizioso der Aufstieg in die MotoGP erfolgte. Direkte Konkurrenten waren sie vor allem 2006 und 2007, als sich Lorenzo zwei Mal zum 250ccm-Weltmeister krönte und Dovizioso jeweils sein Vize war.

Lorenzo und Dovizioso duellierten sich schon in den kleineren Klassen, Foto: Aprilia
Lorenzo und Dovizioso duellierten sich schon in den kleineren Klassen, Foto: Aprilia

Lorenzo sprach im Interview detailliert über die angeblichen Schikanen Doviziosos: "Er versucht es immer, man muss ihn nur genauer beobachten. Es zeigt sich in dem Verhältnis, dass er über die Medien mit mir hat." Ein wirkliches Problem habe er damit aber nicht, beteuert Lorenzo. "Das ist okay für mich. Er ist eine ruhige Person und wir haben eine freundliche Beziehung zueinander. So gesehen ist also alles in Ordnung. Wir sind hier um Rennen und Weltmeisterschaften zu gewinnen. Freundschaften kann man wo anders haben, nicht hier im Paddock", so der dreifache MotoGP-Champion.

Lorenzo rudert gegen Dovizioso nicht zurück

Die Vorwürfe Lorenzos sorgten am Freitag logischerweise für große Aufregung im MotoGP-Fahrerlager. In seiner Medienrunde am Abend wurde er erneut darauf gesprochen und gefragt, was er zu seinen Aussagen noch hinzufügen möchte. "Nichts", war seine knappe Antwort. "Ich befinde mich jetzt im Rennmodus. Vielleicht werde ich am Donnerstag vor dem nächsten Rennen darüber reden. Jetzt beschäftige ich nur mit diesem Wochenende. Ihr könnt euch das Interview aber gerne ansehen. Ich sage, was ich mir denke und das ist die Wahrheit. Ich lüge nicht."

Dovizioso wollte sich auf keinen Krieg der Worte einlassen. "Es ist logisch, dass eine gewisse Rivalität herrscht. Jeder will der Beste sein", meinte er am Freitag. "Jorge und ich fahren seit 2002 in der gleiche Klasse und in dieser Zeit sind natürlich einige Dinge passiert - auf und neben der Strecke. Das ist aber ganz normal und ich finde das nichts Besonderes. Ich bin kein politischer Fahrer. Meine Resultate seit dem letzten Jahr sind mir durch harte Arbeit gelungen und nicht durch mein Verhalten gegenüber anderen Fahrern."

Interessant sind Lorenzos Äußerungen jedenfalls gleich aus mehreren Gründen. Zum einen hat die Führungsebene von Ducati wiederholt erklärt, dass man sowohl ihn als auch Dovizioso über 2018 hinaus halten wolle. Die Verträge mit beiden Fahrern laufen ja mit Jahresende aus. Klar ist aber, dass man bei Ducati für Dovizioso aufgrund seiner zuletzt extrem starken Leistungen zukünftig deutlich tiefer in die Tasche greifen wird müssen, was definitiv zu Lasten von Topverdiener Lorenzo gehen würde. Hier wird also teamintern nicht nur um Punkte, Siege und Weltmeisterschaften, sondern auch um Millionen auf dem Konto gekämpft.

Andererseits eröffnen Lorenzos Vorwürfe auch einen anderen Blickwinkel auf die letzten beiden Rennen der Saison 2017. Dovizioso kämpfte damals ja gegen Marc Marquez um den MotoGP-Weltmeistertitel, musste Boden auf den Repsol-Honda-Piloten gutmachen und brauchte dafür jeden einzelnen WM-Punkt. Sowohl in Sepang als auch in Valencia lag Lorenzo im Rennen zunächst vor Dovizioso und machte keine Anstalten, seinen Teamkollegen vorbeizulassen. In beiden Grands Prix wurde Lorenzo von der Ducati-Box wiederholt die Nachricht 'Suggested Mapping: Mapping 8' auf sein Dashboard geschickt - eine kodierte Botschaft, er solle seinem Stallgefährten Platz machen.

Der Hinweis auf 'Mapping 8' für Lorenzo wurde legendär, Foto: Ducati
Der Hinweis auf 'Mapping 8' für Lorenzo wurde legendär, Foto: Ducati

Lorenzo kam der Anweisung der Ducati-Box nie nach. In Sepang ging Dovizioso erst nach einem Beinahe-Sturz Lorenzos vorbei, in Valencia gar erst nachdem JL99 im Kies gelandet war. In Sepang beteuerte Lorenzo, die Nachricht nicht gesehen zu haben. In Valencia erklärte er, Dovizioso helfen gewollt zu haben, indem er ihm die Pace vorgab und so den Anschluss an das Spitzentrio Marquez-Pedrosa-Zarco hielt. Damals erhielt Lorenzo von den Ducati-Bossen und auch Dovizioso Rückendeckung.