Lange Durststrecken ohne Weltmeistertitel müssen auch die größten Motorradnationen einmal durchmachen. Danny Kent erlöste die Briten erst in dieser Saison mit dem Sieg in der Moto3 nach 38 Jahren ohne Champion und wurde zum Erben des legendären Barry Sheene. Auch Australien oder Deutschland mussten in der Geschichte bereits je 18 Jahre auf einen weiteren Weltmeistertitel warten, bevor Wayne Gardner 1987 und Stefan Bradl 2011 Siege in den Gesamtwertungen holten. Zahlreiche Nationen wie Finnland, die Niederlande oder Neuseeland sind noch länger erfolglos. An der Spitze dieser traurigen Hitliste steht aber Österreich. 62 Jahre werden es in der kommenden Saison, seit Rupert Hollaus 1954 posthum den ersten und bisher einzigen Titel für die Alpenrepublik holte.

LandvonFahrerbisFahrerJahre
Österreich1954Rupert Hollaus2016?62
Neuseeland1965Hugh Anderson2016?51
Rhodesien/Simbabwe1965Jim Redman2016?51
Finnland1972Jarno Saarinen2016?44
Niederlande1974Henk van Kessel2016?42
Schweden1974Kent Andersson2016?42
Großbritannien1977Barry Sheene2015Danny Kent38
Südafrika1980Jon Ekerold2016?36
Venezuela1983Carlos Lavado2016?33
Schweiz1985Stefan Dörflinger2005Tom Lüthi20
Deutschland1993Dirk Raudies2011Stefan Bradl18
Australien1969Kel Carruthers1987Wayne Gardner18
Japan1977Takazumi Katayama1993Tetsuya Harada16
Frankreich1984Christian Sarron2000Olivier Jacque16
San Marino2003Manuel Pogialli2016?13
Spanien1989Herreros/Criville/Pons1999Alzamora/Criville10
Vereinigte Staaten2006Nicky Hayden2016?10
Ungarn2007Gabor Talmacsi2016?9
Italien2009Valentino Rossi2016?7

Seit Hollaus' Championat auf NSU in der 125ccm-Klasse, das er trotz seines tödlichen Unfalls beim vorletzten Rennwochenende der Saison in Monza holte, wartet Österreich trotz einiger Grand-Prix-Sieger wie Bert Schneider, Edi Stöllinger, Gerd Kafka oder August 'Gustl' Auinger also auf einen weiteren Weltmeister. Mit Auinger, Sieger von fünf Rennen in der 125ccm-Klasse, ist auch einer der österreichischen Motorradhelden in der Nachwuchsförderung engagiert. Er arbeitet als Fahrer-Coach im Red Bull Rookies Cup.

Österreichische Talente: Keine Forderung, keine Förderung

In dieser Position hat er einen guten Überblick über die heranwachsenden Talente aus unterschiedlichsten Ländern, müssen sich doch die Fahrer jährlich erst bei einer Sichtung beweisen, bevor sie in den Red Bull Rookies Cup aufgenommen werden. Bei ebendiesen Sichtungen wurde Auinger in den vergangenen Jahren das Problem des österreichischen Rundstreckensports - im Offroad-Bereich stellt man mit Matthias Walkner aktuell ja sogar einen Weltmeister - vor Augen geführt. "Im Rookies Cup ist das Level mittlerweile extrem hoch. Ein österreichisches Talent zu finden, das dort besteht ist nicht so einfach. Das schaffen meist nur Fahrer aus anderen Ländern, die bessere Möglichkeiten zum Einstieg bieten. Es gibt gute österreichische Nachwuchspiloten, wo wir uns oft denken, dass man die nehmen könnte. Beim Fahren in der Gruppe brechen die dann aber meistens weg", erklärt Auinger bei ServusTV.

Seit Michi Ranseder schaffte wurde kein Österreicher mehr zum WM-Stammfahrer, Foto: Haojue Team
Seit Michi Ranseder schaffte wurde kein Österreicher mehr zum WM-Stammfahrer, Foto: Haojue Team

Verwunderlich sind diese Durchsetzungsprobleme im direkten Kampf für Auinger nicht: "Das ist völlig normal, wenn sie nie die Chance haben, mit anderen Piloten auf ähnlichen Motorrädern zu kämpfen. Nur so kann man nämlich die nötige Frechheit erlangen, um sich am Ende durchzusetzen." Auinger kritisiert somit direkt die Nachwuchsarbeit in Österreich, die praktisch nicht vorhanden ist. Eine ernstzunehmende nationale Meisterschaft wie in den 70er- oder 80er-Jahren gibt es nicht mehr.

"Wenn sich in Österreich nicht bald jemand Gedanken macht, wie es gehen könnte, dann sehe ich überhaupt kein Licht am Ende des Tunnels. Aktuell gibt es von der Sporthoheit in diesem Land leider nur Erklärungen, warum es nicht gehen kann", ärgert sich Auinger. Tatsächlich wird der Motorsport derzeit in Österreich gar nicht als Sport anerkannt und erhält daher auch keinen Cent aus der Sportförderung. Vor allem bei einem Blick in andere, deutlich erfolgreichere Nationen, wächst in Auinger das Unverständnis: "In anderen Ländern funktioniert es ja auch! Das Juniorenprogramm in Spanien etwa kostet nicht besonders viel, bietet aber dennoch eine sehr gute Möglichkeit um zu erkennen, welche Fahrer Talent haben. Das kann man in Österreich gar nie herausfinden, weil sich die Piloten nie ausprobieren können und nie gefordert werden."

KTM-Einstieg und Österreich-GP als Kickstarter?

Aktuell ist also kein Ausweg aus der österreichischen Krise in Sicht, nicht ein Pilot drängt sich derzeit für einen Einsatz in der Weltmeisterschaft auf. Letzter Stammfahrer in Rot-Weiß-Rot war Michael Ranseder, der 2010 seine letzten WM-Einsätze bestritt und nun als Experte für den ORF tätig ist. Martin Bauer ging 2013 immerhin noch zwei Mal mit einer Wildcard an den Start. Er könnte für längere Zeit der letzte Österreicher in der WM gewesen sein. Vielleicht ist ja 2016 der erste Österreich-GP nach fast zwei Jahrzehnten oder 2017 der MotoGP-Einstieg von KTM die große Initialzündung.