Der Atem stockte einem mehr als nur einmal, wenn man das gesamte Rennwochenende der Motorrad-WM in Motegi vor dem Bildschirm verfolgte. Reihenweise gab es spektakuläre Abflüge zu sehen, die aber zum Glück zunächst alle glimpflich ausgingen. Bis zum vierten Freien Training der MotoGP am Samstagvormittag. Da war es Alex De Angelis, der am Ausgang von Turn 9 die Kontrolle über seine ART verlor, die Strecke kreuzte und an der Kurveninnenseite mit hohem Tempo in die Leitplanke einschlug. Er erlitt dabei Hirnblutungen, eine Lungenquetschung und mehrere Wirbelbrüche, befindet sich jedoch schon auf dem Weg der Besserung. Die Sicherheit am Twin Ring Motegi wird richtigerweise aber dennoch in Frage gestellt, prallte De Angelis bei seinem Sturz doch direkt gegen die unverkleidete, metallene Leitschiene.

Valentino Rossi, einer Vertreter der MotoGP-Piloten in Sicherheitsbelangen, gibt aber zu bedenken, dass man im Normalfall nicht davon ausgehen kann, an dieser Stelle einen Unfall zu erleben: "Alex ist an einer Stelle gestürzt, wo man so einen schweren Crash eigentlich nicht erwartet. Er ist am Kurvenausgang nach innen gezogen, wir konzentrieren uns bei den Sicherheitsvorkehrungen aber im Normalfall nur auf die Außenseite. Das Problem ist, dass man mit diesen starken Maschinen nicht weiß, in welche Richtung es einen Fahrer treibt."

Keine einfache Lösung

Andrea Dovizioso, ebenfalls einer der Fahrersprecher in der Safety Commission, stimmt seinem Kollegen Rossi zu. "Es gibt auf jeder Strecke einige Punkte wie den, an dem Alex gestürzt ist", stellt er klar. "Wir haben überlegt, an solchen Stellen Airfences zu installieren. Die funktionieren aber nur gut, wenn man im 90-Grad-Winkel einschlägt. Kommt man eher von der Seite an, kann es den Unfall sogar noch verschlimmern." Die Verwendung dieser Luftpolster scheint also nicht in Frage zu kommen.

Airfences wie hier beim Sturz von Aoyama in Jerez können Fluch und Segen sein, Foto: Tobias Linke
Airfences wie hier beim Sturz von Aoyama in Jerez können Fluch und Segen sein, Foto: Tobias Linke

Das grundlegende Problem in Motegi ist, dass sich die Leitplanken generell deutlich näher an der Strecke befinden, als das anderswo üblich ist. Das gibt den Piloten wenig Zeit zu reagieren und sorgt andererseits natürlich auch für deutlich höhere Einschlaggeschwindigkeiten. "Wie gefährlich das sein kann, hat man auch bei Pols Crash am Sonntag gesehen", erinnert Rossi. Pol Espargaro war im Rennen beim Anbremsen von Kurve elf gestürzt und mit 240 Stundenkilometern gegen die Leitplanken gekracht, blieb aber mit Glück unverletzt.

Die einfachste Lösung wäre natürlich eine Rückversetzung der Leitplanken, doch die ist in Motegi aufgrund der hügeligen Landschaft schwer bis gar nicht möglich. An den Unfallstellen von De Angelis und Espargaro etwa befinden sich direkt hinter den Leitplanken steile Hänge, die völlig abgegraben werden müssten. Ein gewaltiger Aufwand für die Streckenverantwortlichen. "Wir versuchen alles, was in unserer Macht steht. Mehr Platz ist natürlich immer hilfreich, aber wir können nicht alle Kurven auf diese Art sicher machen. Teilweise ist es eine räumliche Frage, manchmal wäre auch einfach zu viel Arbeit nötig", verdeutlich Dovizioso die Situation.

Völlige Sicherheit unmöglich

Die Illusion vom vollkommen sicheren Motorradrennsport zerstört er ohnehin: "Es ist für uns unmöglich, zu 100 Prozent sichere Strecken zu haben. Dafür würden wir vier Mal so viel Platz brauchen wie aktuell. Es gibt aber auf jeden Fall immer Raum für Verbesserung." Wie gut man diesen in Motegi ausnützt, wird sich zeigen.