Es würden wohl viele Leute sagen, dass du der schnellste Motorradfahrer bist, der im Moment auf dieser Welt lebt. Kannst du verstehen, dass sie recht traurig sind, wenn du aufhörst?
Casey Stoner: Sicher werden einige Leute recht traurig sein. Andere werden sich freuen, dass ich weg bin. Das hängt wohl mit meiner Wahrheit zusammen - oder was sie 'sich beschweren' nennen. Für mich ist das aber kein Problem. Ich habe für mich und meine Familie eine Entscheidung getroffen und das ist alles, was zählt.

Als du deinen Rücktritt bekanntgegeben hast, sagtest du, einer der Hauptgründe sei, dass du die Richtung nicht magst, die der Sport nimmt. Am Sachsenring gab es dann aber diese schöne Aufnahme von dir, als du in der Box gesessen hast, deine Frau und dein Kind daneben und du hattest dieses breite Grinsen eines stolzen Vaters und liebenden Ehemanns. Wie sehr wirst du es genießen, mehr Zeit mit deiner Familie zu haben?
Casey Stoner: Das wird toll, wenn ich ehrlich bin. Einfach mehr Zeit zu haben. Es gibt nicht viele Leute, die an der Spitze dieses Sports waren und auch mit der Familie oder ihren Frauen erfolgreich waren und lange durchhielten. Vielleicht ging es bei den Superbikes etwas länger, aber in der MotoGP ist es schwierig, an der Spitze stark mitzufahren und eine Frau mit Kind zu haben. Nicht nur, weil es in dieser Welt sehr stressig ist - zur besten Zeit ist es schwierig. Wenn es falsch läuft und man einen schlechten Tag hat, ist es hart. Wenn sie da sind und mich unterstützen, ist das toll. Jetzt muss ich aber auch ihnen etwas Unterstützung zuteil werden lassen.

Es gibt diesen Eindruck von dir, dass du auf jede Maschine steigen und schnell damit sein kannst. Nach meiner Meinung steckt da mehr dahinter, da du einer der intelligentesten Fahrer zu sein scheinst. Denkst du, du wirst in dieser Hinsicht manchmal unterschätzt?
Casey Stoner: Ich denke, Valentino und Jeremy Burgess haben das schon bewiesen, als sie zu Ducati gingen und dachten, sie können jede Maschine hinkriegen. Das geht eben nicht so einfach. Viele Fahrer werden nicht dafür respektiert, was sie können. Dani wird nicht für seinen Speed und seine Entwicklungsarbeit respektiert. Fahrer bringen bei der Entwicklung keine Zahlen ein, sie liefern Information und Input. Das ist alles, was wir tun können. Je mehr Information und Input du liefern kannst, desto besser können die Mechaniker und Ingenieure die Maschine abstimmen und desto erfolgreicher wirst du sein. Jeder Fahrer, der konstant schnell an der Spitze fährt, wird vielleicht dabei unterschätzt, was er wirklich kann.

Auf Philip Island wurde Casey Stoner eine Kurve gewürdigt, Foto: Honda
Auf Philip Island wurde Casey Stoner eine Kurve gewürdigt, Foto: Honda

Du scheinst ein Mensch zu sein, der Dinge gerade heraus sagt und ehrlich ist. Wenn du eine Meinung aussprichst, hast du immer auch gute Argumente, um diese zu untermauern. Denkst du, dass dir da manchmal Unrecht getan wurde, wenn du deine Meinung mit Unterstützung von Argumenten kundgetan hast, sich dann aber alles nur auf ein bestimmtes Zitat stürzte?
Casey Stoner: Das ist mir oft passiert. Das ist auch ein Grund, warum ich nicht mehr hier sein will. Ich war immer ehrlich und habe die Wahrheit gesagt. Ich denke, ich bin einer von wenigen Fahrern - vielleicht auch der einzige -, die konstant die Wahrheit sagen. Jeder andere versucht ein Schauspieler und Hollywoodtyp zu sein, um der Öffentlichkeit das zu geben, was sie will. Da ich den Medien und der Öffentlichkeit so viele Informationen und so viele ehrliche und wahre Informationen gegeben habe, dachte ich eigentlich, dass ich etwas mehr Respekt erhalten würde. Aber erst als ich meinen Rücktritt bekanntgab, merkten alle, dass es die Wahrheit ist, was ich gesagt habe. Ich nehme an, sie beginnen es jetzt zu verstehen und sie beginnen, sich die Wahrheit etwas besser anzuhören.

Wenn man sich den modernen Sport ansieht, so scheint es, dass viele Athleten sehr bedacht darauf sind, sich als Marke aufzubauen. Du warst nie so jemand. Ist das eine Entwicklung, die nach deiner Ansicht dem Sport schadet?
Casey Stoner: Ich wollte immer Motorradfahrer sein, ich wollte nie Marken-Botschafter sein, ich wollte nie als Schauspieler im Kino sein, ich wollte nie etwas als Model machen. Ein Großteil meiner Gegner hat diese Dinge gemacht und es genossen, aber für mich war es nie etwas, das ich genossen habe. Ich genieße es, ruhig zu sein und für mich wird dem Sport dadurch schon geschadet. Das macht die Dinge kompliziert, daher habe ich immer versucht, den Sport so realistisch zu halten wie möglich und wollte ihn nach meiner Richtung ausrichten, nicht nach der Richtung aller anderen.

Rein oberflächlich betrachtet, bist du der Traum eines jeden Marketing-Menschen. Du siehst gut aus, bist einer der Besten in deinem Sport, du bist ein Familienmensch und wirkst bescheiden. Du warst nur niemals ein Freund von PR-Arbeit. Warum ist das so?
Casey Stoner: Ich mache einfach nicht das, was sie von mir wollen. Das ist etwas, das mich in meiner Karriere oft zurückgehalten hat, aber auf andere Art hat es mich dorthin gebracht, wo ich jetzt bin. Ich mache eben nicht das, was jeder andere will, ich mache das, was meine Familie will. Für mich ist dies das Wichtigste. Ich will nicht all diese anderen Leute beeindrucken. Ich will jene Leute glücklich machen, die um mich sind, die mir wichtig sind. Wie ich bereits erwähnte, viele andere Fahrer können das tun, weil sie normalerweise kein echtes Leben neben der Strecke haben. Sie haben ein paar Freunde, haben Spaß, ich habe seit einigen Jahren eine Frau und ich habe ein Kind. Daher habe ich viel wichtigere Dinge, über die ich nachdenken muss, statt einfach nur im Mittelpunkt zu stehen und nach Aufmerksamkeit zu haschen.

Du hast den Respekt bereits erwähnt. Du hast tolle Dinge auf einem Motorrad vollbracht. Als du in der MotoGP anfingst, warst du zunächst auf einer Satelliten-Honda und hattest dort nicht unbedingt die beste Spezifikation an Michelin-Reifen, du kamst aber im zweiten Rennen auf Pole und warst im dritten auf dem Podest. Du musstest aber hart fahren, mehr als das Material hergab und stürztest deswegen öfter als es dir lieb war - Randy de Puniet hatte später das gleiche Problem wegen der Reifen. Dir brachte das einen bösen Spitznamen ein. Dann kamst du zu Ducati und hast alle weggefegt, inklusive deines Teamkollegen. Dennoch sagte jeder, du hattest nur eine gute Maschine. Auch danach holtest du mehr raus, als die Maschine hergab, was an deinen Teamkollegen zu erkennen war. Du kamst zu Honda und wurdest sofort Weltmeister, aber es scheint, erst als du deinen Rücktritt bekannt gegeben hast, oder vielleicht auch schon etwas zuvor, zeigten dir die Leute den Respekt, den du von Anfang an verdient hattest. Denkst du, dass du lange nicht den Respekt bekamst, der dir zustand?
Casey Stoner: Das war eigentlich fast meine gesamte Karriere so. Niemand erkannte, was ich, meine Familie und auch meine Mechaniker geleistet haben. Das ist aber nicht das Wichtigste für mich. Früher hat mich das vielleicht etwas mehr verärgert, weil wir nicht den Respekt bekamen, den wir verdienten. Jetzt ist es mir aber egal. Die Leute sollen denken, was sie wollen. Jeder wird immer über Gründe reden, warum wir schnell waren oder nicht. Am Ende wird die Wahrheit rauskommen und die Leute werden sie erkennen. Ich denke, Ducati hat jetzt wieder die schnellste Maschine im Feld, aber sie wollen nur einen besseren Motor, um sie zu fahren. Sie haben nicht gemerkt, als wir die schnelle Maschine hatten, war sie furchtbar zu fahren. Es war am Gas sehr schwierig, wir hatten keine Beschleunigung und keinen Grip, aber wir haben sie so gut zum Laufen gebracht, wie es ging. Zu viele Leute suchen heutzutage nach Perfektion. Ich werde stolz darauf sein, was ich in meiner Karriere geleistet habe und deswegen ist es Zeit für mich, zu gehen. Sicher werden andere Leute immer etwas zu sagen haben.

Deine Familie ist dir sehr wichtig. Sie haben dir in deiner Karriere auch sehr geholfen. Wie dankbar bist du für ihre Unterstützung?
Casey Stoner: Meine Familie... ich wäre ohne sie nicht hier, kein Kind wäre ohne seine Familie und deren Unterstützung hier. Ich glaube, jeder braucht das. Sie haben tolle Dinge für mich gemacht, sie haben in den frühen Jahren viele Opfer für mich gebracht und wir haben den Rest selbst gemacht. Meine Frau und ich, wir waren dann in den Jahren danach erfolgreich. Es ist eine große Sache, die sie für mich getan haben und davor habe ich viel Respekt.

Fans können kompliziert sein. Du hast viele Fans, andere Fahrer aber auch und einige Fans können recht feindschaftlich gesinnt sein. Hat dich das jemals gestört oder hast du versucht, das auszublenden?
Casey Stoner: Das hat mich schon gestört. Man sieht viele Fans, die es zu schätzen wissen, was man für sie macht. Viele Fans erwarten aber, dass man etwas für sie macht. Da ich eine normale Person bin, stört mich das. Ich will das nicht tun, nur weil sie das von mir verlangen. Ich will es tun, weil sie das zu schätzen wissen. Das sieht man heutzutage bei nur wenigen Fans. Jeder ist nur hier, um zu beweisen, dass er hier war, nicht weil er sich darüber freut, hier zu sein und diese oder jene Person treffen kann. Außerdem ist es so, jedes Mal wenn man von der Strecke oder vom Wohnwagen kommt - das ist vor allem in Deutschland oft passiert, anderswo auch, aber dort besonders oft -, findet man immer die gleichen Personen vor, die jedes Mal um vier oder fünf Autogramme bitten. Diese Leute nehmen die Zeit weg, die ich den Fans geben will. Denn sie sind immer da und stehen im Weg. Sie wollen dich nicht gehen lassen, bis du ihre Sachen unterschrieben hast - immer die gleichen Leute. Ich hatte mit verschiedenen Leuten zu tun und wenn sie aus dem Weg gehen, ist das OK, aber die freundlichen Leute, die wirklich nur ein Autogramm wollen, werden nach hinten gedrängt. Das ärgert mich etwas, ich kann nicht so viel Zeit mit den Fans verbringen, wie ich will - zumindest mit den richtigen Fans.

Du hattest viele tolle Kämpfe. Wen würdest du zu deinen besten Gegnern und welche Kämpfe würdest du zu deinen besten zählen?
Casey Stoner: Es gab viele tolle Kämpfe, wenn ich ehrlich bin. In den kleinen Klassen, 125er und 250er, hatte ich wohl ein paar meiner besten - in der MotoGP auch ein paar. Jorge und Dani waren fantastische Gegner, Dovi ebenfalls, denn wir kamen von den 125ern über die 250er bis hier nach oben. Als ich in der MotoGP fuhr, gab es ein paar tolle Kämpfe mit Valentino. Es waren diese drei, vier Fahrer, die meine härtesten Gegner waren. Was Kämpfe betrifft, da gab es zu viele, um einen oder zwei heraus zu picken.

Casey Stoner schaffte es als einziger Fahrer, mit der Ducati siegfähig zu sein, Foto: Sutton
Casey Stoner schaffte es als einziger Fahrer, mit der Ducati siegfähig zu sein, Foto: Sutton

Gab es irgendwelche beste oder schlechteste Erfahrungen, die du mit uns teilen willst?
Casey Stoner: Die beste Erfahrung war sicher der WM-Titel im Vorjahr. Wir schafften so viele Dinge an einem Tag. Das war echt etwas Besonderes für uns. Die schlimmste Erfahrung war wohl der Sturz in der 125cc-Saison 2003 in Assen. Wir hatten eine gute Chance auf ein starkes Ergebnis - mein bestes bis dahin. Leider war ich sehr krank, ich stürzte in den ersten Runden und die Fußraste stieß durch den Helm. Es war ein schlimmes Wochenende und nichts funktionierte. Es rutschte uns ein gutes Ergebnis durch die Finger, das war wohl einer der enttäuschendsten Momente.

Als du deinen Rücktritt bekannt gegeben hast, wurde schnell darüber geredet, dass du das Racing und den Adrenalinschub vermissen wirst. Es gibt die Aussage, dass man mit jedem Auto oder Motorrad Spaß haben kann, solange man ans Limit geht. Stimmt das deiner Meinung nach? Muss man nicht unbedingt in der MotoGP fahren, um den gleichen Spaß und den gleichen Adrenalinschub zu haben?
Casey Stoner: Was auf Motorrädern mehr Spaß macht als in Autos, es ist schwieriger, das Limit zu finden. Es ist viel schwieriger, man muss mehr Parameter meistern, um ans Limit zu kommen. Eigentlich gibt es nie ein Limit, man kann immer schneller. Man kann seine Körperposition und so viele Dinge auf der Maschine ändern, es gibt viele Variablen, um alles so gut wie möglich zu machen. Das macht aber auch die Attraktivität aus und deswegen ist dieser Sport so fantastisch. Mit Autos ist es relativ ähnlich, solange man ans Limit pusht und versucht, dorthin zu kommen, ist es fantastisch. Ich denke nur, Motorräder machen einem etwas mehr Angst, daher ist es aufregender und das ist das Tolle an Motorrädern.

Wie sehen deine wirklichen Pläne für den Ruhestand aus? Zunächst wirst du sicher erst einmal zur Ruhe kommen wollen, aber glaubst du, danach wirst du eine neue Herausforderung in deinem Leben finden?
Casey Stoner: Ich denke daran, in Zukunft bei den V8 Supercars einzusteigen. Ich bin mir nicht sicher, wann in der Zukunft. Ich habe schon einige Jahre darüber nachgedacht, das war mein Traum, nachdem ich hier aufgehört habe; weiterzumachen und dort mein Glück zu versuchen. Aber abgesehen davon, will ich mir vielleicht die Zeit nehmen und mein Wohnmobil ausführen, um ein paar verschiedene Orte zu sehen und das Leben zu genießen.

Du bist jung, hattest viel Erfolg, hast ein glückliches Familienleben, dürftest ganz gut verdient haben - wirst du trotzdem etwas bedauern, wenn du aufhörst?
Casey Stoner: Ich denke, Bedauern gegenüber den Leuten, mit denen ich zusammenarbeite. Ich werde viele Leute vermissen, mit denen ich hier arbeite. Natürlich, am Limit fahren und kämpfen, wenn man gut unterwegs ist. Wenn es gut läuft, ist es ein tolles Gefühl. Ich werde es aber nicht genug vermissen, um hier zu bleiben. Deswegen will ich gehen. Ich denke nicht, dass ich es so sehr vermissen werde. Ich werde in Zukunft noch viele Erfahrungen sammeln.

Du bist toll darin, eine Maschine so schnell wie möglich um eine Rennstrecke zu bewegen. Dein ganzes Können kann allerdings am besten bewundert werden, wenn es in Superzeitlupe dargestellt wird. Denkst du, es ist etwas ironisch, dass wir dich sehr langsam machen müssen, damit wir sehen, wie schnell du wirklich bist?
Casey Stoner: Das ist eine gute Art, um es zu beschreiben. Es gab in den letzten Jahren ein paar wirklich schöne Zeitlupen-Aufnahmen. Ich bin froh, dass ich in dieser Zeit gefahren bin, wo man genau und klar sieht, was passiert. Ich bin stolz darauf, was für ein Fahrer ich geworden bin und wie weit ich es geschafft habe. Sicher bin ich dem Limit oder dem Maximum, das ich erreichen könnte, nicht einmal nahe. Aber ich denke, ich kann auf meine Leistungen, meinen Stil und alles stolz sein. Ja, es ist recht lustig, dass man alles langsamer machen muss, um zu bemerken, was wir leisten und wie wir es machen.

Dieses Exklusivinterview mit Casey Stoner stammt aus der Printausgabe des Motorsport-Magazins. Lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Motorsport-Magazins ein ausführliches Interview mit Stoners Honda-Chef Livio Suppo und weitere Hintergrundgeschichten aus der MotoGP. Das Motorsport-Magazin ist ab sofort im Handel erhältlich oder am besten gleich online zum Vorzugspreis bestellen: