Das Leben als Titelverteidiger könnte so schön sein. Doch Jorge Lorenzo hat es nicht leicht. Im Motorsport-Magazin gewährt er Einblick in das Leben eines MotoGP-Champions und verrät das eine oder andere Geheimnis.

Ein WM-Titel macht das Leben nicht wirklich leichter, Foto: Milagro
Ein WM-Titel macht das Leben nicht wirklich leichter, Foto: Milagro

Jorge, Jahr eins nach deinem Titelgewinn - was könntest du alles an dir verbessern?
Jorge Lorenzo: Ich bin sehr stolz über meine Verbesserungen in einigen Bereichen, zum Beispiel der Start, da war ich immer sehr langsam. Daran habe ich hart gearbeitet und jetzt starte ich ziemlich schnell. In den letzten Rennen habe ich auch einige Positionen gut gemacht und besonders meinen Fahrstil im Nassen konnte ich extrem verbessern. Ich würde mich natürlich gerne noch weiter verbessern. Zu Beginn des Rennens bin ich immer noch nicht der Schnellste, aber dafür bin ich gegen Rennende gut.

Wie hat sich das Team an die neue Situation gewöhnt, dass es nun auf dich hören muss und keinen Valentino Rossi mehr nebenan hat?
Jorge Lorenzo: Nun... ich bin schon letztes Jahr Weltmeister geworden und bin auch im Moment unter den Yamaha-Fahrern am weitesten vorne, also der schnellste Fahrer unter ihnen. Da ist es natürlich normal, dass die Leute bei Yamaha mehr auf das hören, was ich sage, als auf die anderen Fahrer. Aber Yamaha hat sich noch nie auf einen einzelnen Fahrer konzentriert, sie folgen den Ratschlägen aller Fahrer, sogar denen von Cal [Crutchlow] und Colin [Edwards] im Tech 3 Team.

Hast du erwartet, dass es Valentino Rossi bei Ducati so schwer haben würde?
Jorge Lorenzo: Nein, ich wusste, dass die Ducati ein sehr kompliziertes Motorrad ist, schwer zu fahren und zu verstehen ist, das schaffte in Vergangenheit eigentlich nur Casey [Stoner]. Aber ich hätte Vale ein bisschen mehr Leistung zugetraut, denn er hat schließlich schon ein paar WM-Titel gesammelt und ist ein erfahrener Pilot. Ich bin mir sicher, dass er es mehr oder weniger geregelt bekommt und ich denke, dass er in Zukunft wieder um Siege kämpfen wird.

Nach einem Sieg habt ihr immer außergewöhnliche Ideen, um zu feiern. Wer denkt sich das Ganze aus?
Jorge Lorenzo: Meistens habe ich die Ideen und die Leute in meinem Team, wie Hector [Martin, Pressesprecher] und Carlos [Gil] helfen mir, das Ganze auf der Strecke umzusetzen.

Wenn du eine freie Streckenwahl hättest, wo würdest du gerne einmal ein Rennen fahren?
Jorge Lorenzo: In Spa-Francorchamps, in Belgien, das ist eine gute Strecke. Es wäre für die Motorräder zwar ein bisschen gefährlich, aber dort einmal zu fahren, wäre sicherlich schön. Außerdem mag ich auch Suzuka sehr, aber nach der Tragödie mit Daijiro Kato 2003 fahren wir dort ja leider nicht mehr.

Was denkst du über die verschiedenen Länder, in die du reist. Interessieren dich da auch Dinge abseits der Rennstrecke?
Jorge Lorenzo: Ich mag Deutschland sehr, das Essen, die Leute... Aber auch Australien ist ein sehr schönes Land. In Indonesien bin ich auch sehr gerne, die Menschen dort sind so unglaublich freundlich, sie lächeln immer und sind bezaubernd. New York ist außerdem eine sehr besondere Stadt. Natürlich mag ich auch Spanien, ich bin sehr stolz, Spanier zu sein. Wir haben sehr gutes Wetter und es gibt sehr schöne Orte, die man sich ansehen kann, besonders auf Mallorca. Das ist meine Insel, ich bin dort geboren und sie ist einfach fantastisch.

Jetzt wohnst du in Barcelona. Was machst du dort, zum Beispiel im Winter?
Jorge Lorenzo: Im Winter mache ich immer einen Kurz-Urlaub, denn wenn du länger fährst, hast du immer Probleme schnell wieder in deinen Alltag, zum Training zurück zu kommen. Deshalb fahre ich immer nur kurz weg, meistens mit meinen Freunden in die Karibik. Ein normaler Tag in meinem Leben ist einfach aufgebaut. Morgens trainiere ich eine Menge, ich fahre manchmal ein bisschen Mini-Bike auf einer kleinen Strecke, ich mache ab und an ein bisschen Pilates oder Yoga und nachmittags habe ich dann Freizeit, da kann ich mich entspannen. Ich unternehme dann viel mit meinem Freund Ricky [Richard Cardus], mit dem ich auch zusammen wohne, wir gehen ins Kino, spielen Golf oder hängen nur zu Hause ab.

Ricky fährt momentan nicht ganz so erfolgreich Moto2. Gibst du ihm manchmal Tipps?
Jorge Lorenzo: Immer! [lacht] Ich rege mich immer über seine Rennen auf, denn wir sind natürlich gute Freunde und wenn er auf der Strecke ist, werde ich richtig nervös. Ich sehe mir alle seine Rennen an.

Fährst du in deiner Freizeit auch Motocross?
Jorge Lorenzo: Im Winter ja, aber im Sommer, während der Saison, ist es einfach zu gefährlich. Ich muss mich da voll auf die GP-Rennen konzentrieren und darf natürlich keinesfalls verletzt sein.

Welchen Beruf hättest du gewählt, wenn du nicht so schnell auf dem Motorrad wärst?
Jorge Lorenzo: Ich habe keine Ahnung... das Leben kommt immer anders, als man erwartet. Als ich noch ein Kind war, habe ich gerne gezeichnet, war sehr kreativ und war da auch ziemlich gut in der Schule. Aber ich weiß es nicht, darüber musste ich mir nie Gedanken machen.

Du liest ziemlich viel. Hast du ein Lieblingsbuch?
Jorge Lorenzo: Ich lese gerne, genieße das sehr. Besonders bevor ich ins Bett gehe, da hilft mir das Lesen, besser einzuschlafen. Normalerweise lese ich viele Bücher mit Lebensratschlägen, die bringen mich immer auf neue Ideen. Ich mag keine Actionromane oder so etwas, ich mag nur reale Dinge... Biografien von Sportlern zum Beispiel, wie die von Michael Jordan oder Lance Armstrong, die sind sehr interessant.

Hast du einen Lieblingssportler? Gibt es Jemanden, der dich inspiriert?
Jorge Lorenzo: Michael Jordan ist mein Lieblingssportler. Er ist auch eine sehr inspirierende Person, denn er war schon ganz oben und wollte sich trotzdem immer wieder verbessern. Er hat jeden Tag daran gearbeitet, noch besser zu werden, obwohl er alles erreicht hatte. Die meisten Sportler lehnen sich zurück, wenn sie ganz oben sind, sie arbeiten weniger, aber er hat immer weitergemacht. Auch das Leben von Lance Armstrong ist sehr interessant, nach seiner Erkrankung hat er einfach mal noch sechs oder sieben Touren gewonnen, das ist wirklich beeindruckend.

Was denkst du, wirst du in zehn Jahren machen?
Jorge Lorenzo: Vielleicht bin ich dann noch hier in der MotoGP, vielleicht auch nicht. Möglicherweise habe ich schon aufgehört, aber ich weiß es nicht. Es wäre aber schon nicht schlecht, wenn ich bis dahin noch ein bisschen in der Weltmeisterschaft mitmischen könnte.

Das Interview mit Jorge Lorenzo stammt aus der Printausgabe des Motorsport-Magazins. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online zum Vorzugspreis bestellen: