Als IRTA-Präsident ist Herve Poncharal ein Mann, der über so ziemlich jedes Problem Bescheid weiß. Das Motorsport-Magazin sprach mit ihm über die Zukunft der MotoGP, die viele als Problem sehen wollen.

Blick in die Zukunft, Foto: adrivo Sportpresse
Blick in die Zukunft, Foto: adrivo Sportpresse

MSM: Beginnen wir mit den Claiming Rule Teams ab 2012: So wie ich das verstehe, kann ein Hersteller 2012 den Motor eines CR-Teams einmal pro Saison beanspruchen und dann kaufen, richtig?
Herve Poncharal: Ja, das bedeutet, wenn du ein Claiming Rule Team bist und es vier Hersteller gibt, dann kann dir der Motor nur vier Mal pro Saison weggekauft werden.

MSM: Allerdings hat das nichts damit zu tun, dass die gekauften Motoren dann auch verwendet werden...
Herve Poncharal: Richtig, die Motoren sollen nicht für die Verwendung gekauft werden. Es ist uns eigentlich egal, warum man die Motoren kaufen will. Es geht nur darum, dass ein Team weiß, es gibt die Möglichkeit, dass der Motor weggekauft wird, denn man kann das nicht ablehnen. Und der Motor wird nur 20.000 Euro kosten. So soll vermieden werden, dass Millionen für die Motoren ausgegeben werden. Wenn man Millionen für den Motor ausgibt, aber meint, der Motor kostet nichts, dann OK. Wenn einer dir aber diesen Motor für 20.000 Euro abkaufen kann, wirst du viel Geld verlieren, also wirst du vorher darüber nachdenken, ob du so viel Geld reinstecken willst. Dieses System wird in den USA in Autorennserien oft angewandt, um die Kosten niedrig zu halten. Denn man wird nicht viel Geld investieren, wenn jemand dir den Motor für 20.000 Euro abkaufen kann.

Herve Poncharal im Interview, Foto: Milagro
Herve Poncharal im Interview, Foto: Milagro

Ich habe sogar das Gefühl, nicht viele Leute werden fremde Motoren kaufen, aber wenn man weiß, dass es die Möglichkeit gibt, den Motor billig hergeben zu müssen, wird man doppelt darüber nachdenken, bevor man teuer entwickelt. Gleiches gilt für die CR-Teams. Es wird sie im Reglement geben, aber vielleicht haben wir gar keine, denn wir wollen nicht mehr als 22 Fahrer, maximal 24. Nächstes Jahr wird es bereits 18 Maschinen geben und dann fehlen nur mehr vier auf 22. Wenn noch ein Hersteller kommt, sind es schon 20 und es könnte noch ein Team mit einem Fahrer - wie Aspar oder LCR - einen zweiten Fahrer bekommen. Dann wären wir schon soweit. Wir müssen die CRT-Regel aber behalten, damit wir stark bleiben und dieses Argument nutzen können, wenn wir mit unseren Herstellern reden. Wir können ihnen sagen, dass wir die Maschine zu einem bestimmten Preis nicht leasen können. Wenn sie antworten, nimm es oder lass es, können wir es lassen und ein CRT-Bike machen, mit dem wir nach wie vor in der MotoGP sind. Das ist also ein Werkzeug, das wir bei den Verhandlungen mit unseren Herstellern nutzen können. Da können wir sagen, wir müssen darüber nachdenken und darüber reden, wie wir es gemeinsam schaffen, aber ihr müsst wissen, wenn wir keine Lösung finden, kann ich immer noch fahren und werde nicht zusperren müssen.

MSM: Einige Fahrer ärgern sich darüber, dass Karel Abraham 2011 einen Platz in der MotoGP bekommt. Sie meinen, sein Vater hat ihn rein gekauft und er habe sich nicht dafür qualifiziert, in der MotoGP zu fahren...
Herve Poncharal: Ich habe das gelesen, aber für mich ist das Bullshit. Die Fahrer, vor allem die Spitzenfahrer, die Leben in ihrer eigenen Welt. Sie leben in einer Blase, sie haben keine Verbindung zur Wirklichkeit mehr. In einer idealen Welt wäre vieles anders, aber die Welt ist nicht ideal, vor allem momentan nicht. Aus meiner Sicht kann ich sagen, Motorsport ist teuer. Wir wissen, dass es ohne Investoren und Sponsoren kein Racing gibt. Die Werksfahrer sollten wissen, dass die unabhängigen Teams ihrem Werk viel zahlen, um die Maschinen zu leasen und das diese Zahlungen ein Teil des Geldes sind, das in ihre Taschen fließt. Karel Abraham ist ein junger Fahrer, der Potential zeigt. Er ist noch nicht bereit, den Moto2-Titel zu gewinnen. Er wird nächstes Jahr sicher nicht bereit sein, den MotoGP-Titel zu holen. Aber er hat zwei Tage mit Ducati in Mugello getestet. Ich war nicht da, aber die Techniker haben gesagt, sein Level sei gut genug - sonst hätten sie das nicht gemacht. Ich habe gehört, die Rundenzeit war recht gut und es gab keinen Sturz. Nicht jeder kann auf dem Superlevel sein.

Die vergangenen zwei Saisons haben wir immer gesagt, es gebe die magischen Vier: Valentino, Jorge, Dani und Casey. OK, aber wir können nicht mit vier Leuten fahren. Wir brauchen mehr Fahrer. Die gleichen Fahrer, die sich jetzt wegen Abraham beschweren, meinen auch, das Feld sei zu dünn. Was soll man machen? Am besten warten wir, dass sie eine Lösung finden. Natürlich hat Karel das Glück, dass sein Vater Geld hat. Sicher wird er nächstes Jahr keine Rennen gewinnen, wird er gefährlich sein? Nein. Als Vale begann, stürzte er viel, als Casey begann, stürzte er viel, als Jorge anfing, stürzte er mehr als jetzt und erst dann wurden diese Jungs so gut. Aber es kann sowieso nicht jeder wie die Top Vier sein. Dennoch muss man Rennen veranstalten. Ja, Karel hätte es ohne seinen Vater wohl nicht geschafft, aber was soll's? Jeder hat jemanden, der ihn unterstützt. Vielleicht gibt es mitten in Afrika jemanden, der Rennen gewinnen könnte, aber nie die Chance dazu haben wird. Was kann ich da machen? Ich bin also nicht schockiert und freue mich, einen weiteren Fahrer aus einem anderen Land in der MotoGP zu sehen. Dadurch wird das Feld größer und nun liegt es an ihm, dass er das entsprechende Niveau hat. Es wird nie 25 Valentino Rossis, Casey Stoners, Dani Pedrosas und Jorge Lorenzos geben. Wir wissen das, dennoch brauchen wir ein volles Feld.

Poncharal freut sich auf Karel Abraham, Foto: Milagro
Poncharal freut sich auf Karel Abraham, Foto: Milagro

MSM: Was zuletzt auch immer wieder kritisiert wurde, war der Mangel an Show, da das Feld oft weit auseinandergezogen ist und zwischen den einzelnen Fahrern mehrere Sekunden liegen. Würdest du das auch so sehen?
Herve Poncharal: Ja, das sehe ich so. Ich kann nicht sagen, dass das Rennen in Indy, Tschechien oder Laguna besonders aufregend war. Ich stimme da zu. Ich war gelangweilt - gut, in Indy war ich nicht gelangweilt, weil Ben führte und dann Zweiter war. Aber die Show war nicht gut. Deswegen wollen wir zurück zu den 1000ern, da wir glauben, das wird helfen. Wir wollen mehr Maschinen, denn je mehr Maschinen es gibt, desto aufregender könnte es werden. Aber das hier ist die Top-Klasse, wenn man hier engeres Racing will, braucht man mehr Beschränkungen. Aber man will keine Moto2-Regeln in der MotoGP, das geht nicht. Wenn man also eine Prototypen-WM ist und in der Top-Klasse dieser Prototypen-WM fährt, muss man den Herstellern Freiheiten lassen. Und es arbeiten eben einige Hersteller besser als andere, zudem sind einige Fahrer besser als andere. Also werden wir Fahrern wie Dani, Casey oder Jorge kein Handicap auferlegen. Wir könnten das tun, damit es spannender wird, aber das geht nicht. Natürlich tut es mir leid, dass die Show fehlt, wir müssen daran arbeiten, das zu verbessern, aber was kann man machen? Die Formel 1 hat das Problem seit vielen Jahren. Sie meinten, es ist schwierig, weil das Auto breit ist und so weiter. Wie macht man das Rennen nun spannender? Indem man mehr Maschinen im Feld hat, gleichzeitig will man aber keine technischen Limitierungen. Wir sind schon zu einem Einheitsreifen gegangen, weil sich viele Fahrer beschwert haben, dass es zu große Unterschiede gab und man auf dem falschen Reifen keine Chance auf den Sieg hatte. Wir wechselten also zu einem Hersteller und hofften, das Racing würde enger. Auf gewisse Weise wurde es das, es gibt nun eine Sache weniger, die zwischen den Fahrern unterschiedlich ist. Dennoch sind letztendlich weiter die Fahrer der Kernpunkt. Man braucht sich nur die Teamkollegen anzusehen. Manchmal gewinnt einer und der Andere ist recht weit zurück. Es ist nicht mein Fehler, dass einige Fahrer besser sind als andere. Sie fahren die Lücke auf und machen das Rennen langweilig. Wir können das aber nicht abstellen, sonst arbeitet man gegen den Sport.

Die Elektronik gehört in unsere Zeit, Foto: Milagro
Die Elektronik gehört in unsere Zeit, Foto: Milagro

MSM: Es gibt da das Argument, weniger Elektronik würde helfen, da die Fahrer dann wieder mehr Einfluss haben...
Herve Poncharal: Ich respektiere die Fahrer sehr, denn was sie leisten, ist unglaublich. Ich respektiere sie wirklich, denn ich bin selbst gefahren, als ich jünger war. Ich weiß, sie sind wahre Helden. Andererseits, wenn sie Team-Manager oder Techniker sein wollen, schön und gut, aber ab einem gewissen Zeitpunkt hat jeder seinen Job zu machen. Und wir sind hier in der Prototypen-WM. Wenn man unsere Maschinen zu Serienmaschinen macht, sind wir Superbike-Leute. Aber sogar in der Superbike gibt es Unterschiede. Also OK, wir können die Elektronik rausnehmen, zurück zu 500cc und Zweitakt gehen, alles kein Problem, aber wir müssen in unserer Zeit leben. Wie können wir Maschinen ohne Elektronik haben, wenn sogar die Straßenmotorräder sie haben?

Das Interview mit Herve Poncharal stammt aus unserem Printmagazin Motorsport-Magazin. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online zum Vorzugspreis bestellen: