Die Motorradsport-Welt Deutschlands kann aufatmen. Es gibt wieder Lichtblicke, vielversprechende Talente, welche die lange Durststrecke der Sieglosigkeit und fehlender WM-Titel beenden könnten. Sicher ist nichts verwerflicher, als jemanden zu früh zu hoch zu jubeln, aber gute Leistungen sollen auch gewürdigt werden. Allen vorankommen Jonas Folger und Marcel Schrötter auf den Plan.

Folger löste einen Hype aus, als er in Jerez im vergangenen Jahr vom letzten Startplatz aus losdonnerte, sich durchs Feld kämpfte und am Ende sogar auf Podestkurs lag, ehe er stürzte. Motorrad-Deutschland hatte wieder einen Helden. Oder noch einen mehr. Momentan sieht es mit Nachwuchs nicht schlecht aus. Stefan Bradl hat bewiesen, dass er schnell sein kann, Folger ebenfalls.

Jonas Folger ist eine der großen deutschen Hoffnungen., Foto: Milagro
Jonas Folger ist eine der großen deutschen Hoffnungen., Foto: Milagro

Schrötter kam als "Wildcardler" nach Valencia und zeigte, dass auch die deutsche Meisterschaft IDM Talente ausspucken kann, ohne dass man den Umweg über Spanien gehen muss. Und Sandro Cortese? Nun, irgendwie zählt er schon zum Inventar der Achtelliter-WM, muss aufgrund seiner langjährigen Erfahrung Leistung bringen. Ob er allerdings das Zeug zum großen Überflieger hat, bleibt zu bezweifeln. Schließlich hat er schon fünf komplette WM-Saisons auf dem Buckel, allerdings noch nie einen Sieg eingefahren. Überhaupt klappte es erst 2009 mit Podestplätzen - dafür drei an der Zahl.

Folger hat noch das Problem, dass er sich in den Trainings oftmals zu schlecht motivieren konnte. In den Rennen zeigte er beachtliche Leistungssteigerungen, aber aufgrund der teilweise sehr schlechten Startplätze waren keine besseren Resultate drin. Und dennoch: In seiner ersten kompletten WM-Saison holte er sich einen Podestplatz, 73 Punkte und Gesamtrang zwölf. Außerdem kannte der Bayer viele Strecken nicht. 2010 wird sich gerade das ändern. Dann braucht er keine Pisten mehr zu lernen und kann von Anfang an Vollgas geben. Und ganz sicher werden auch weitere Podestplätze auf seinem Konto zu verbuchen sein.

Stefan Bradl greift 2010 in der Moto2 an., Foto: Milagro
Stefan Bradl greift 2010 in der Moto2 an., Foto: Milagro

Schrötter geht in seine erste WM-Saison. Als zweifacher Deutscher Meister der Klasse bis 125ccm und frisch gebackener Europameister überzeugte er mit seinen Wildcards bereits in Valencia und zuvor auf dem Sachsenring. Er ließ einige Leute aufhorchen und führte viele Etablierte der WM an der Nase herum. Wenn alles passt, dann sollte auch er in seiner ersten kompletten Saison für Furore sorgen können.

Blick über den Landesrand

Schaut man in das europäische Ausland, dann kann man fest damit rechnen, dass aus Spanien oder Italien jemand vorn dabei ist. Doch auch mit Briten muss man rechnen. Allen voran Bradley Smith. Der 19-jährige wurde 2009 Vizeweltmeister, konnte seine ersten beiden GP-Siege feiern. Insgesamt neun Mal stand er auf dem Podest, drei Mal startete er von der Pole Position. Smith hat Talent und den großen Vorteil, dass er nach wie vor im wohl besten Team dieser Klasse fährt. Die Aspar-Truppe von Jorge Martinez gehört schließlich nicht umsonst zu den erfolgreichsten Teams der Achtelliter-Klasse.

Bradley Smith ist einer der Favoriten in der 125er Klasse., Foto: Milagro
Bradley Smith ist einer der Favoriten in der 125er Klasse., Foto: Milagro

Als Vizeweltmeister zählt Smith klar zu den Top-Favoriten. Doch noch andere Piloten jungen Alters könnten die Szene aufmischen. Allen voran wohl Marc Marquez. Der am 17. Februar 17 Jahre alt werdende Spanier fuhr in den letzten beiden Jahren auf KTM. Es ist kein Geheimnis, dass dort nicht mehr viel entwickelt wurde, er 2009 auf einem prinzipiell drei Jahre alten Bike saß. Und trotzdem konnte er sich einen Podestplatz holen, fuhr in Jerez auf Rang drei.

Ein weiterer Spanier, den man auf der Rechnung haben muss, ist Pol Espargaro. Der 18-jährige steigerte sich in den letzten drei Saisons kontinuierlich. 2007 holte er mit Rang drei in Estoril seinen ersten Podestplatz. 2008 schaffte er in Indianapolis und Barcelona zweite Plätze, fuhr in Mugello ein weiteres Mal auf das Podium. Außerdem holte er sich zwei Poles. Im letzten Jahr folgten die ersten beiden Siege und der Sprung auf Rang vier der Abschlusstabelle.

Sturla Fagerhaug steigt 2010 in die WM auf., Foto: Ronny Lekl
Sturla Fagerhaug steigt 2010 in die WM auf., Foto: Ronny Lekl

Viele 125ccm-Piloten wechseln für 2010 in die Moto2-Klasse und dennoch wird das Starterfeld in der Achtelliter-Klasse nicht schrumpfen. Es kommen einige Rookies hinzu, die schwer einzuschätzen sind. Der Namhafteste unter den Neuankömmlingen ist der Norweger Sturla Fagerhaug. Der 18-jährige gewann in seiner Heimat bereits nationale Titel, fuhr seit 2007 im Rookies Cup. 2008 wurde er Dritter, in der letzten Saison verpasste er den Titel um zwei Punkte an Jakub Kornfeil. Außerdem durfte er schon seine ersten vier Grands Prix bestreiten - auf KTM. Nun ist er im Team von Fiorenzo Caponera angekommen, wird für "Worldwide Racing" an der Seite von Jonas Folger fahren.

Ein wichtiger Faktor ist die "Ein-Jahr-ums-Andere"-Regel in der 125ccm-Klasse. Schon oft sind gute Leute aus dem einen im anderen Jahr gescheitert. Der Letzte, der seinen Weltmeister-Titel verteidigen konnte, ist der Japaner Haruchika Aoki in den Jahren 1995 und 1996. Und nicht jeder, der Weltmeister wurde, stieg sofort zu den 250ern auf. Tom Lüthi und Gabor Talmacsi, um nur zwei zu nennen, gelang die Titelverteidigung nicht. Nach der Saison 2008 hatte man zum Beispiel auch gehofft und erwartet, dass der Zahlinger Stefan Bradl 2009 um den Titel mitfahren würde. Doch anstelle der sechs Podestplätze aus dem vorletzten Jahr, kamen keine weiteren hinzu. Beste Platzierung waren vierte Ränge. Es ist eben nicht ein Jahr wie das andere.

Auszug aus der MotoGP-Jahresvorschau im Motorsport-Magazin 3/10. In der aktuellen Ausgabe des Motorsport-Magazins lesen Sie eine ausführliche MotoGP-Saisonvorschau aller Fahrer und Teams. Die April-Ausgabe 4/10 des Motorsport-Magazins ist seit 1. April im Handel erhältlich oder am besten gleich online zum Vorzugspreis abonnieren: