Der Daytona-Wahnsinn in Zahlen: Nach 24 Stunden beziehungsweise 711 Runden (4.073 Kilometern) trennten den siegreichen Porsche 911 GT3 R von Pfaff Motorsports und den Zweitplatzierten Risi-Ferrari exakt 2,185 Sekunden! Das Finish in der GTD-Pro-Klasse war sogar noch eine Sekunde enger als der Zieleinlauf in der DPi-Kategorie, in der der siegreiche Acura von Meyer Shank 3,028 Sekunden Vorsprung hatte.

In der GTD-Pro wäre es sogar beinahe zu einem Zieleinlauf im Zehntelsekunden-Abstand gekommen, wenn sich nach dem irren 911er-Duell der #2 Porsche von KCMG mit Laurens Vanthoor am Steuer in der letzten Runde nicht von der Strecke gedreht und am Ende Dritter geworden wäre. So ging Pfaff-Schlussfahrer Mathieu Jaminet nach dem schier unglaublichen Zweikampf als Sieger vom Platz und bescherte dem Team sowie seinen Teamkollegen Felipe Nasr bei dessen erstem Porsche-Rennen und Matt Campbell den Triumph in der Klasse.

In den heutigen Zeiten des ultraprofessionellen wie kostenintensiven GT3-Rennsports kann man sich kaum noch vorstellen, dass zwei Autos einer Marke - Kundenteams hin oder her - bis zur letzten Sekunde offen gegeneinander kämpfen dürfen und dabei sogar den Sieg riskieren. Im Falle der beiden Porsche hielt sich der potenzielle Schaden mit den Plätzen eins und drei statt des sicheren Doppelsieges zumindest in Grenzen.

Jaminet und Vanthoor: Sie waren Helden

Jaminet und Vanthoor waren die Heroes bei der 60. Auflage der 24 Stunden von Daytona, Hut ab aber auch vor Porsche: Der Sportwagenbauer verzichtete in der extrem intensiven Schlussphase auf einen Eingriff von außen. Ein Musterbeispiel auch für die DTM, die nach den Vorgängen beim letztjährigen Saisonfinale auf dem Norisring zu einem Stallregie-Paragraphen im Reglement zurückgekehrt ist.

Der bis aufs Messer ausgefochtene Zweikampf zwischen den beiden Porsche-Spezialisten hat den Stuttgartern weltweite Sympathiepunkte eingebracht. Und weil in Amerika die Rolex-Uhren ohnehin etwas anders ticken als in Europa, kam eine Teamansage, den Doppelsieg ungefährdet nach Hause zu bringen, offenbar auch nicht wirklich in Frage.

Pfaff-Manager verrät Nachricht von Porsche

"Es gab keine Konversation (mit Porsche; d. Red.)", versicherte Pfaff-Motorsports-Generalmanager Steve Bortolotti kurz nach dem Rennen. "Es hieß nur, 'Blamiert uns nicht im TV'. Das war die einzige Nachricht, die ich bekommen habe. Ich denke, das haben wir nicht getan. Es war also alles gut."

Dennoch dürfte die Führungsriege von Porsche Motorsport unter der Leitung von Projektleiter Sebastian Golz im eigens eingerichteten Strategieraum an der Strecke mehrfach den Atem angehalten haben. Der 911er-Fight war schließlich nur der Höhepunkt eines dreistündigen Duells im Sekunden-Abstand zwischen Paff und KCMG um den GTD-Pro-Sieg.

"Ich kann das Finale nicht in Worte fassen", sagte Golz. "Wir können nur unterstreichen, wie hart und professionell alle sieben Fahrzeuge im Rennen von den Teams eingesetzt worden sind."

Jaminet und Vanthoor nach dem irren Daytona-Duell, Foto: Porsche AG
Jaminet und Vanthoor nach dem irren Daytona-Duell, Foto: Porsche AG

Jaminet: "Was für ein verrückter Kampf"

Das Schlussduell war derart atemberaubend, dass Porsche-Werksfahrer Jaminet nicht einmal wusste, dass es sich um 13:40 Uhr Ortszeit am Sonntag um die letzte Rennrunde handelte. "Die letzten zwei Stunden waren die stressigsten meines Lebens, was für ein verrückter Kampf", meinte der 27-Jährige, der 2021 mit SSR Performance die Vize-Meisterschaft im ADAC GT Masters gewann und dieses Jahr für Paff Motorsports die komplette IMSA-Saison bestreitet.

Übrigens ausgerechnet für das Team, mit dem Vanthoor 2021 die GTD-Wertung in der US-amerikanischen Sportwagenmeisterschaft errang. "Wir sind keine Leute von Manthey (u.a. Einsatzteam in der WEC; d. Red.), das ist kein Porsche-Werksprogramm", erklärte Pfaff-Manager Bortolotti. "Wir haben die gleichen Leute wie 2014 im kanadischen Porsche-Cup, wissen das Vertrauen von Porsche in unser Team aber sehr zu schätzen."

Vanthoor: Tränen nach der Daytona-Niederlage

In welchen Programmen Porsche-Werksfahrer Vanthoor zum Einsatz kommt, ist noch nicht bestätigt. Sicher sind nur seine Einsätze bei den 24 Stunden von Le Mans im Porsche GT Team sowie beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring im Manthey-Grello. Der 30-jährige Belgier vergoss nach dem verlorenen Daytona-Sieg bittere Tränen, wie er selbst einräumte.

Ein Erfolg beim US-Klassiker fehlt weiter in seiner beeindruckenden Vita mit Siegen bei den 24h Nürburgring (2015), beim FIA GT World Cup in Macau und den 24 Stunden von Dubai (beide 2016), in der GTE-Klasse bei den 24 Stunden von Le Mans 2018 sowie beim 24h-Rennen in Spa-Francorchamps 2020.

Die Pfaff-Sieger in Daytona: Matt Campbell, Felipe Nasr und Mathieu Jaminet, Foto: LAT Images
Die Pfaff-Sieger in Daytona: Matt Campbell, Felipe Nasr und Mathieu Jaminet, Foto: LAT Images

"Wir wollten nur den Sieg, alles andere wäre eine Niederlage gewesen", teilte Vanthoor am Montag nach dem Daytona-Rennen auf Twitter mit. "Das war unsere Herangehensweise und so bin ich auch gefahren. Du hast nicht oft die Gelegenheit, so ein Rennen zu gewinnen. Und wenn sie sich ergibt, musst du alles reinwerfen." Gegenüber Werksfahrer-Kollege Jaminet, dem er zum Sieg gratulierte, habe er absolut keine negativen Gefühle.

Vanthoor abschließend: "Das einzige, was mir Freude bereitet, sind die Kommentare von Motorsport-Fans aus aller Welt, die unseren Kampf gefeiert haben und ihn als einen der besten bezeichnen."