Die Formel E war am Wochenende in Mexiko zum zweiten Rennwochenende bzw. dem dritten Rennen der Saison 2022 zu Gast. Unsere Tops und Flops zum Mexiko-City ePrix im Autodromo Hermanos Rodriguez.

TOP 1: Das Porsche-Werksteam

Porsche ist natürlich der große Gewinner des Mexiko-City ePrix 2022. Dem Autobauer aus Zuffenhausen gelang nicht nur der erste Sieg im 29. Formel-E-Rennen, sondern gleich ein Doppel-Triumph! Pascal Wehrlein und Teamkollege Andre Lotterer führten die Konkurrenz mit einem überragenden Energie-Management vor und überquerten den Zielstrich mit gigantischen neun Sekunden Vorsprung.

Darüber dürften sich auch die Porsche-Vorstandsmitglieder Michael Steiner und Andreas Haffner gefreut haben, die nach Mexiko mitgereist waren. Jeder Erfolg ist schließlich ein kleiner Baustein hin zu einer langfristigen Zukunft des Werksteams in der Elektro-Rennserie. Historisch: Es war der erste Sieg eines Formelautos mit Porsche als Motorenlieferanten seit 1989, als Teodorico Fabi beim IndyCar-Rennen in Mid-Ohio triumphierte.

TOP 2: Pascal Wehrlein

Auch für Pascal Wehrlein war es der erste Formel-E-Triumph, nachdem er 2021 im mexikanischen Puebla den Sieg wegen falsch registrierter Reifen nachträglich verloren hatte. Kurios auch: All seine drei Pole Positions eroberte der 27-Jährige auf mexikanischem Boden (2019 und 2022 in Mexiko-City, 2021 in Puebla).

Wie es ist, ein Rennen zu gewinnen, musste Wehrlein schon fast vergessen haben. Nach geschlagenen sechs Jahren, fünf Monaten und 14 Tagen Durststrecke stand der gebürtige Sigmaringer in Mexiko-City wieder ganz oben auf dem Podium. Wehrleins letzter Sieg datierte auf den 29. August 2015, als er auf dem Weg zur späteren DTM-Meisterschaft in Moskau mit Mercedes-Benz gewann. In einem Formel-Auto siegte Wehrlein zuletzt 2013 bei seinem einzigen Rennwochenende in der F3 Euro Series, bevor er überraschend Ralf Schumacher in der DTM beerbte.

Formel E: Die Rennhighlights des Mexiko-City ePrix im Video (05:00 Min.)

TOP 3: Andre Lotterer

Ob Andre Lotterer seinen zweiten Platz insgeheim auch unter 'Top' verbuchen würde? Wir machen es an dieser Stelle und gratulieren dem Oldschool-Racer zu seinem achten Podestplatz in der Formel E (Platz 10 in der ewigen Podiums-Liste). Lotterer bewies große Weitsicht, als er die Porsche-Teamorder gegen Rennende akzeptierte und trotz größerer Energie-Reserven Vordermann Wehrlein nicht angriff.

Anders als in Santiago de Chile 2018, wo Lotterer beim späteren Techeetah-Doppelsieg seinen damaligen Teamkollegen Jean-Eric Vergne in bester Racer-Manier bis zum Schluss hart attackierte. Damals ging die Angelegenheit glimpflich aus. Doch angesichts des großen Drucks, unter dem Porsche nach zwei sieglosen Saisons stand, wäre ein Angriff für den greifbaren Sieg ein Irrsinns-Manöver gewesen, das nur zu leicht hätte schiefgehen können. Lotterer präsentiert sich seit dem Saisonstart bestens aufgelegt - auch sein erster Sieg in der Formel E dürfte nur eine Frage der Zeit sein.

TOP 4: DS Techeetah

27 Punkte sammelten Jean-Eric Vergne und Techeetah-Teamkollege Antonio Felix da Costa mit den Plätzen drei und vier. Es war die mit Abstand beste Ausbeute seit Mai 2021, als der Portugiese den Monaco ePrix gewann. In der Folge gelangen dem Team mit einer der stärksten Fahrerpaarungen, vielleicht der besten, kaum noch Kollektiv-Erfolge. Gegen die übermächtigen Porsche war in Mexiko kein Kraut gewachsen, doch die DS-Strategen schalteten schnell genug und passten die Energie-Ziele an, sodass Vergne seinen 26. Podestplatz in der Formel E einsacken konnte.

Zwar verpasste Felix da Costa diesmal das Podium, doch der vierte Platz dürfte Balsam auf die Wunden gewesen sein, nachdem der Champion von 2020 beim Saisonauftakt in Saudi-Arabien erstmals seit seinem Wechsel zu Techeetah komplett leer an einem Rennwochenende ausgegangen war. Netter Bonus: Für Felix da Costa ging es von Mexiko direkt weiter nach Los Angeles, wo er ein Ticket für den Super Bowl hatte abstauben können - und dort auf die Formel-E-Kollegen Mitch Evans, Nick Cassidy und den heutigen TV-Experten Daniel Abt traf.

TOP 5: Maximilian Günther mit Nissan

Man muss das Gesamtbild betrachten, um die Plätze acht und neun für das Nissan-Duo Sebastien Buemi und Maximilian Günther der Kategorie 'Top' zuzuordnen zu können. Der einstige Serien-Meister unter dem Namen Renault e.dams erlebte einen katastrophalen Saisonstart in Saudi-Arabien und vieles deutete darauf hin, dass die Japaner mit ihrem Werksteam wie im Vorjahr Schiffbruch erleiden würden.

Die doppelte Punkteausbeute für Ex-Champion Buemi und Neuzugang Günther muss der Mannschaft einen Motivationsschub genau zum richtigen Zeitpunkt verliehen haben. Motto: 'Wir können es noch! (aber nicht mehr ganz so erfolgreich wie früher)'. Über den kleinen Erfolg dürfte sich auch die Formel E freuen, schließlich ist Nissan der einzige japanische Hersteller in der Serie.

TOP 6: Die Fans in Mexiko-City

Man muss sie einfach erwähnen, die unglaublich enthusiastischen Motorsport-Fans in Mexiko. "Wir sollten jedes Rennen hier fahren", konnte man Andre Lotterers auf dem Podium geäußerter Idee durchaus etwas abgewinnen. Rund 30.000 Zuschauer kamen auch dieses Jahr zum Formel-E-Rennen, das Foro-Sol-Stadion platzte auch beim sechsten Besuch aus allen Nähten.

Klar, bei der Formel 1 ist die Stimmung noch mal in einer ganz anderen Liga, aber die Formel E braucht sich in Mexiko nicht zu verstecken. Kleines Extra: Dank der leisen Antriebsstränge hört man die Fans in jeder Runde glasklar jubeln und feiern auf den Tribünen. Es gehört einfach jedes Jahr aufs Neue erwähnt: Mexikanische Renn-Fans zählen zu den besten auf der Welt.

Foto: LAT Images
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FLOP 1: Jaguar

Was ist bloß mit dem hochambitionierten Werksteam aus Großbritannien los? Jaguar nahm seine sechste Saison in der Formel E mit dem Anspruch in Angriff, endlich die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Die Realität sieht anders aus: Die beiden Top-Fahrer Sam Bird und Mitch Evans gingen in zwei der bisherigen drei Rennen komplett leer aus!

Mexiko war nichts anderes als ein Debakel für das Raubkatzen-Team mit den Plätzen 15 und 19 für Bird und Teamkollege Evans. Die Strategen hatten sich mit dem Energie-Management komplett verzockt, sodass die beiden Spitzen-Piloten chancenlos hinterher eierten. Dabei waren schon die Startplätze 11 (Evans) und 17 (Bird) alles andere als berauschend. Die nun anstehende Pause kommt Jaguar gerade gelegen, um wieder den Fokus zu finden.

FLOP 2: Antonio Giovinazzi

Formel-E-Insidern war völlig klar, dass Antonio Giovinazzi kein einfaches Debüt in der Formel E erleben würde. Dass viele Fans mehr vom Italiener nach seinem Rauswurf aus der Formel 1 erwarteten, ist verständlich. Nach drei punktelosen Rennen inklusive des vorzeitigen Ausfalls in Mexiko dürfte spätestens jetzt allen Beobachtern klar sein, dass Giovinazzi sich mit dem US-Team Dragon/Penske womöglich keinen Gefallen getan hat.

Das Team des eigenwilligen Besitzers Jay Penske bleibt ein chaotisch geführter Haufen, der aufgrund der saisonübergreifenden Homologation nicht einmal an seinem Auto nachbessern konnte. Nach zwei 20. Plätzen in Saudi-Arabien, sah Giovinazzi in Mexiko wegen eines Reifenschadens nicht mal die Ziellinie, nach 21 Runden war Feierabend. Zuvor in seiner Qualifying-Gruppe konnte er immerhin Rookie Dan Ticktum (NIO) besiegen, doch mehr als eine halbe Sekunde Rückstand auf einer schnellen Runde war alles andere als überzeugend.

Unter Fahrerlager-Insidern laufen schon erste Wetten, ob Giovinazzi wirklich alle Rennen der Formel-E-Saison 2022 bestreiten wird. Daran möchten wir uns nicht beteiligen, falls es aber so kommen sollte: Hier haben Sie es zuerst gelesen...

FLOP 3: Lucas di Grassi

Während Edoardo Mortara nach Platz zwei im Qualifying und Platz fünf im Rennen weiter die Weltmeisterschaft anführt, erlebte sein neuer Venturi-Teamkollege Lucas di Grassi in Mexiko einen herben Rückschlag. Auf dem Kurs, auf dem der frühere Audi-Pilot schon dreimal als Erster die Ziellinie überquerte, ging er als Zwölfter diesmal leer aus.

Eine späte Kollision mit Mercedes-Pilot Stoffel Vandoorne brachte di Grassi eine nachträgliche 5-Sekunden-Zeitstrafe ein, die den achten Platz kostete. Kurios: In der Startphase war er schon mit Silberpfeil-Weltmeister Nyck de Vries aneinandergeraten und hatte sich den Frontflügel beschädigt. P8 wäre für di Grassi ein Erfolg gewesen, nachdem er wegen eines Fahrfehlers im Qualifying nicht über Startplatz 14 hinausgekommen war. Di Grassi und Mexiko, das war ausnahmsweise mal keine Liebesbeziehung.

FLOP 4: Mahindra

Alexander Sims schaffte es in Mexiko, seinen Mahindra schon in der zweiten Runde und ohne Fremdkontakt in der Mauer zu versenken. "Fahrfehler, nehme ich auf meine Kappe", suchte der Brite gar nicht erst nach Ausreden. Seine dritte Nullrunde in der laufenden Saison, womit Sims als einer von fünf Piloten weiter ohne einen einzigen Punkt dasteht. Dass er die K.o.-Phase im Qualifying um nur 0,038 Sekunden verpasste und damit von P13 starten musste, war schon eher Pech.

Bei Teamkollege und Neuzugang Oliver Rowland (kam von Nissan) lief kaum mehr zusammen. Zwar fuhr der Brite nach Start von P16 zwischenzeitlich in den Punkterängen. Durch eine vermasselte Strategie - siehe Jaguar - wurde er später aber wieder auf die 16. Position durchgereicht. Gründungsmitglied Mahindra, das einst zu den ständigen Podest- und Sieganwärtern in der Formel E zählte, droht immer weiter ins Niemandsland der Elektro-Rennserie abzurutschen.

FLOP 5: Zwei Monate Rennpause?!

Nach dem überschaubar beachteten Saisonauftakt in Saudi-Arabien und dem spannenden Rennen in Mexiko mit dem gefeierten Porsche-Debütsieg hätte es gerne Schlag auf Schlag mit dem nächsten Rennen weitergehen können. Stattdessen: fast acht Wochen Pause! Erst am 09. April 2022 tritt die Formel E in Rom zum nächsten Rennen an. Immerhin ein Double-Header in der Ewigen Stadt.

Für die lange Rennpause kann der Mexiko-City ePrix freilich nix und auch den Kalender-Planern kann nur bedingt ein Vorwurf gemacht werden. Ein in China geplantes Rennen nach Mexiko musste wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. Hätte es vielleicht einen Ersatz geben können, um die ellenlange Pause zu überbrücken, die der Formel E völlig das Momentum der Saison raubt?