Kevin, wie fällt deine Bilanz zu deiner letztjährigen Saison in der Formel 2 aus?
Kevin Mirocha: Ich sehe mein Jahr in der Formel 2 mit gemischten Gefühlen. Einerseits war ich froh, dass ich in der vergangenen Saison überhaupt Rennen fahren konnte. Ich erfuhr erst am Donnerstag vor dem ersten Rennwochenende in Silverstone, dass ich ein Cockpit bekomme. Da packte ich schnell meine Sachen und erwischte den letzten Flieger. Körperlich war ich zwar vorbereitet, aber ich hatte keinen einzigen Testtag gehabt - und dann sofort die ersten Rennen. Zunächst war nicht sicher, ob ich die gesamte F2-Saison bestreiten würde, deshalb musste ich von Anfang an mein Bestes geben. Leider hatte ich in beiden Rennen technische Probleme und bin auch nicht sicher, ob mein Auto perfekt vorbereitet war. Auch den Turbo-Boost benutzte ich zum ersten Mal - trotz meiner Erfahrung war das alles Neuland! Rückblickend betrachtet, kostete mich dieses erste Rennwochenende wohl eine wesentlich bessere Platzierung als Platz sechs im Gesamtklassement. In der zweiten Saisonhälfte gehörte ich zu den erfolgreichsten Fahrern und stand in vielen Rennen auf dem Podium. Ich denke, dass ich aus meiner kniffligen Situation insgesamt das Beste gemacht habe.

Gibt es große Unterschiede zwischen den Fahrern der GP2 und Formel 2?
Kevin Mirocha: Ich würde nicht sagen, dass die GP2 schwieriger ist, aber hier sind andere Qualitäten gefragt. Viele halten nicht allzu viel von der Formel 2, aber wenn man direkt mit dieser Serie und ihren Anforderungen konfrontiert wird, scheint sie in einem anderen Licht - auch hier entscheiden Hundertstelsekunden über Erfolg oder Niederlage.

Wann war dir bewusst, dass es die Formel 2 in diesem Jahr nicht mehr geben würde?
Kevin Mirocha: Ich hatte schon ganz am Anfang so ein Gefühl, wusste zu dieser Zeit aber noch nichts Konkretes. Ich selbst war in dieser Angelegenheit nicht so sehr betroffen wie manche andere Fahrerkollegen, weil ich sowieso vorhatte, nach meinem Jahr in eine andere Serie zu wechseln. Es ist schade für die Formel 2, denn es war meiner Meinung nach eine sehr gute Serie für Fahrer, weil der Pilot verstärkt im Mittelpunkt stand - und das ist der wichtigste Aspekt einer Nachwuchsserie.

In der Saison 2011 hast du dein GP2-Cockpit bei Ocean Racing nach dem achten Rennwochenende verloren. Was war da eigentlich los?
Kevin Mirocha: Ja, in Budapest fuhr ich mein bislang letztes Rennen in der GP2. Ich bin selbst nicht zu 100 Prozent involviert in das ganze Sponsoring und bekam nur auf einmal die Ansage, dass nicht mehr genügend Geld da sei und ich nicht mehr fahren könne. Leider musste ich mich damit abfinden. Zuvor hatte es sogar gute Gespräche über ein weiteres Jahr in der GP2 gegeben, doch leider zerschlugen sich diese Pläne schnell. Ich stand dann relativ allein da und musste schauen, dass ich irgendwie im Business bleibe und meine Karriere fortsetzen kann. Dank meines heutigen Managers erhielt ich dann sehr kurzfristig die Gelegenheit, in die Formel 2 einzusteigen. In dieser Situation war das meine einzige Chance und die habe ich sehr gern angenommen.

Mirocha 2011 im GP2-Boliden, Foto: GP2 Series
Mirocha 2011 im GP2-Boliden, Foto: GP2 Series

Was ist das für ein Gefühl, wenn man plötzlich sein Cockpit verliert?
Kevin Mirocha: Das ist schon sehr merkwürdig, aber es war ja nicht das erste Mal in meiner Karriere, dass ich mich in einer solchen Situation befand. Mich kann nichts mehr schocken... Natürlich könnte man sich in diesen Momenten totärgern, aber das ändert auch nichts. Ich muss einfach immer schauen, dass es weitergeht. Motorsport auf diesem Level kann man kaum bezahlen, du bist sehr stark auf Partner und Sponsoren angewiesen - sonst hast du nicht einmal die theoretische Chance, Rennen fahren zu können.

Welche Serie hat dich fahrerisch am weitesten gebracht?
Kevin Mirocha: Jede Serie hat ihre spezifische Charakteristik. Die GP2 ist eine ganz spezielle Angelegenheit: Trainings gibt es kaum, vielmehr geht es darum zu zeigen, was man kann - und das unter ziemlich heftigen Bedingungen. Nach 30 Minuten Training geht schon das Qualifying los. Als Fahrer musst du da sehr flexibel sein und die Strecke innerhalb kürzester Zeit kennen lernen. Die GP2 verlangt nach besonderen Anforderungen, da musst du auf dem Punkt sein, vor allem wegen der schnell abbauenden Pirelli-Reifen. Für mich persönlich war auch meine Zeit in der Formel BMW 2007 sehr wichtig. Dort erlernte ich die Basis des Motorsports und bekam ein Grundverständnis. Wenn die Grundlagen stimmen, hat man gute Voraussetzungen für den weiteren Karriereweg.

War dein Schritt in die GP2 im Jahr 2011 vielleicht eine Nummer zu groß für dich?
Kevin Mirocha: Diese Frage hatte ich mir auch mehrmals selbst gestellt und erst dachte ich, dass das ganz schön heftig wird. Nach den ersten Tests hatte ich aber recht schnell ein gutes Gefühl und merkte, dass ich Potenzial habe. Am ersten Rennwochenende in Istanbul hatte ich nach einem verregneten Training keine Chance im Qualifying, weil ich dort erst einmal die Strecke kennen lernen musste. Ich startete von hinten, fuhr auf Platz 8 nach vorn, bis ich einen Reifenschaden erlitt. Ansonsten hätte ich wegen der Reverse-Grid-Regel im zweiten Rennen auf Startplatz eins gestanden. Wenn man nur die Ergebnislisten betrachtet, war es natürlich kein erfolgreiches Wochenende. Aber für mich wusste ich zu diesem Zeitpunkt, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Ein großes Selbstvertrauen kann im Motorsport sowieso nicht schaden, oder?
Kevin Mirocha: Motorsport ist nichts für Warmduscher. Du hast vom jungen Alter an schon einen gewissen Druck. Ich meine das nicht negativ, aber man fährt eben nicht nur für sich, sondern auch für seine Partner und Sponsoren. Denn ohne diese kommt man nicht weit und das steckt dir immer im Hinterkopf. Das war schon damals in der Formel BMW so und ich kann sagen: Der Druck wird in den darauffolgenden Jahren nicht geringer. Du musst immer bereit sein, dich durchzukämpfen - sonst kannst du gleich zuhause bleiben.

In deiner bisherigen Karriere ging es immer wieder auf und ab. Nervt das nicht manchmal?
Kevin Mirocha: Manchmal macht man sich schon Gedanken, aber die verfliegen recht schnell wieder - denn ich weiß, was ich auf der Strecke kann. Wenn man sich einmal anschaut, dass ich häufig schneller bin als andere mit wesentlich besseren Voraussetzungen, dann glaube ich an meine Fähigkeiten. Ich habe immer nur die eine Aufgabe: Ich muss ans Fahren kommen und meine Chance nutzen. Wenn du daran glaubst, dass du weiter kommst, findest du immer eine Lösung.

Einige Nachwuchssportler kommen aus reichem Elternhaus und können sich den Sport locker leisten. Bei dir ist das nicht der Fall...
Kevin Mirocha: Meine Eltern stehen zu 100 Prozent hinter mir, aber das Finanzielle können sie nicht stemmen. Sie helfen mir bei bestimmten Dingen, wie Flügen, die auch sehr teuer sind und erst einmal bezahlt werden müssen. Ich bin darauf angewiesen, Sponsoren zu finden, damit es weiter geht - sonst habe ich keine Chance. Damals hatte ich das große Glück, dass Helmut Marko auf mich aufmerksam wurde, damit ichden Schritt in die Formel BMW gehen konnte. Dank ihm, Red Bull und Mücke-Teamchef Peter Mücke konnte ich im Formelsport überhaupt erst Fuß fassen. Man muss sich das einmal vorstellen: Schon in der Formel BMW geht es um Hunderttausende. Das sind gewaltige Summen und wir sprechen hier von einem Sport für Kinder.

Ärgert es dich manchmal, dass gewisse Fahrerkollegen bessere finanzielle Möglichkeiten haben?
Kevin Mirocha: Ich kann doch niemandem einen Vorwurf dafür machen, dass er bessere finanzielle Möglichkeiten hat als ich. Es ärgert mich nur etwas, dass man ohne Geld gar nicht erst fahren kann. Ich bin Leistungssportler und Vollblut-Rennfahrer: Wenn auf der Strecke ein anderer schneller ist als ich, dann weiß ich, dass ich mehr trainieren und besser werden muss. Aber wenn ich ein Rennen noch nicht einmal antreten und zeigen kann, was ich drauf habe, dann tut das schon ein bisschen weh. Gleichzeitig sehe ich diese Situation auch als Ansporn zu zeigen, dass ich meine Möglichkeiten bestmöglich ausnutze. Mein Leitspruch: So lange man gut ist, kommt man immer weiter.

Weiter bis in die Formel 1?
Kevin Mirocha: Wenn ich das nötige Budget für die Formel 1 auftreiben kann, ist natürlich alles drin. Doch solange ein Teil davon nicht gegeben ist, wird das sehr schwierig. Aber natürlich will ich gern in der Formel 1 fahren und zeigen, was ich drauf habe.