Es war schon ein ganz besonderes Gefühl, als ich am Sonntag, den 25. Oktober, abends ziemlich spät meinen Vertrag bei Campos unterschreiben habe - sehr viel Glück und Freude, aber auch Erleichterung. Endlich hatte ich, hatten wir, auch meine Schwester Bianca und Chris Goodwin, die sich um mein Management kümmern, das geschafft, wofür wir so lange gearbeitet hatten.

Wir waren vorher schon ein paar Mal nicht weit weg, aber dann klappte es eben doch noch nicht, da waren noch Kleinigkeiten, auch die Tatsache, dass die Verträge im Original auf Spanisch sind, unsererseits die Verhandlungssprache aber Englisch war, schaffte manchmal das ein oder andere Problem. Viel darf ich über die Vertragsdetails natürlich nicht verraten, es sind 60 Seiten Vertragstext, die Laufzeit zwei Jahre, das kann ich auch sagen, nachdem es mein Teamchef Adrian Campos selbst öffentlich gemacht hat.

Talent vor dem Nachnamen

Es war wie ein besonders schöner Sieg, ein kleiner Triumph, das jetzt endlich geschafft zu haben, zu den Bedingungen, wie ich mir das vorgestellt hatte, bei dem Team, zu dem ich wirklich wollte, weil man dort auch mich wirklich wollte, weil Adrian wirklich auf meine fahrerischen Qualitäten vertraut - wirklich mich will und nicht nur mein Geld oder meinen Namen.

Es war auch das einzige Angebot, wo ich keine Sponsorgelder mitbringen musste. Natürlich vertraut das Team auf mein Marketingpotenzial und darauf, dass es mit meinem Namen etwas leichter sein wird, Sponsoren zu finden - aber es war eben keine Voraussetzung. Alle anderen Teams, mit denen ich gesprochen habe, wollten auf jeden Fall erst mal mindestens fünf Millionen... Bei Campos ist das so, dass ich zwar vom Team kein Gehalt bekomme, aber persönliche Sponsoren haben darf, von denen ich leben kann.

In den ersten Tagen durfte ich niemandem etwas davon erzählen, dass ich unterschrieben habe, aber nachdem gegen Ende der Woche immer mehr durchgesickert ist, hat Campos es am Samstag drauf offiziell bestätigt und dann konnte ich in Brasilien, wo ich als Trauzeuge bei der Hochzeit eines Freundes war, auch mal offen ein bisschen feiern.

Erster Werksbesuch bei Dallara

Die ersten Eindrücke vom neuen Auto waren positiv., Foto: Bruno Senna
Die ersten Eindrücke vom neuen Auto waren positiv., Foto: Bruno Senna

Am Anfang war das alles fast noch ein bisschen irreal, dass ich wirklich mein erstes großes Ziel erreicht habe, dass ich Formel-1-Fahrer bin, aber jetzt, in den letzten Tagen, nachdem ich mit dem Team schon richtig zusammen gearbeitet habe, wird es allmählich immer realer, kommt irgendwie näher.

Ich war schon bei Dallara im Werk, und was ich dort gesehen habe, stimmt mich sehr zuversichtlich. Das Auto ist schon ziemlich weit, das Monocoque ist fertig, hat auch schon die seitlichen und frontalen Crashtests bestanden, die ja die kritischsten sind. Ich habe schon dringesessen, wir haben meinen Sitz gemacht, ich habe die Servolenkung ausprobiert, das macht alles einen sehr guten Eindruck. Auch der Radstand hat, so wie er war, gepasst, ich bin ja nicht gerade der Kleinste mit meinen 1,80 Meter und durch das Nachtankverbot und die großen Tanks ist das für die 2010er-Autos schon ein Thema - aber ich habe gut reingepasst, so wie das Auto konzipiert war, es muss nichts geändert werden.

Auch was das Team von Cosworth hört, ist durchaus vielversprechend, dazu kommt, dass wir einige gute Leute mit Erfahrung haben werden, Ben, der Chefaerodynamiker, hat bei Red Bull mit Adrian Newey gearbeitet, von BMW kommt der Renningenieur von Robert Kubica - und dann werden Anfang des neuen Jahres auch noch viele Leute von anderen Teams dazu stoßen, die jetzt noch Sperrfristen haben - der berühmte "gardening leave" bei Teamwechseln.

Punkte als Ziel

Von den neuen Teams ist Campos sicher das, das im Moment am weitesten ist und ich war auch ziemlich beeindruckt, wie engagiert alle sind, wie voll die Leute alle hinter dem Projekt stehen. Und noch etwas, was heute auch wichtig ist: Alle Rechnungen sind bezahlt, die finanzielle Struktur ist durchaus solide, es mussten keinerlei Arbeiten aus finanziellen Gründen zurückgestellt werden. Das macht mich zuversichtlich, dass wir auch im ersten Jahr ein bisschen etwas erreichen können. Das Ziel ist es, auf jeden Fall bestes der neuen Teams zu werden und den einen oder anderen Punkt zu holen.

Natürlich wäre es schön, wenn Campos eine große Überraschung schaffen und von Anfang an noch konkurrenzfähiger sein könnte, aber darauf will ich nicht bauen. Es gilt, gemeinsam zu lernen, gute Arbeit zu leisten, natürlich muss es mein Ziel sein, mich gegen meinen Teamkollegen durchzusetzen, wie auch immer er heißen mag. Das ist wirklich noch nicht entschieden, da geht es vor allem um Sponsorfragen, aber auch sonst ist das Team dabei, die verschiedenen Vor- und Nachteile abzuwägen... Was ich mir auf jeden Fall vorgenommen habe: Ich will jetzt Spanisch lernen, aus Respekt vor dem Team, aber auch um mit den spanischen Medien noch besser kommunizieren zu können.

Stress in Europa

Teamchef Adrian Campos setzt auf Bruno Senna., Foto: Bruno Senna
Teamchef Adrian Campos setzt auf Bruno Senna., Foto: Bruno Senna

Die letzten Tage waren schon ein bisschen stressig, jeden Tag an einem anderen Ort, Montag in Italien, Dienstag in Murcia bei der offiziellen Campos-Meta-Präsentation - wobei da auch noch am Flughafen in Bologna mein Koffer verschwunden ist. Der kam dann am Dienstag, zehn Minuten bevor ich aus dem Hotel ausgecheckt habe, um nach Spanien zu fliegen. So konnte ich mich wenigstens noch schnell umziehen. Mittwoch war ich in Madrid, wo es abends eine große Party von Modehersteller Mango gab, die unser Teamausrüster sein werden. Auch Scarlett Johansson war dort, ich hatte mich vorher schon darauf gefreut, sie mal zu treffen, aber leider sind wir uns dann im dem ganzen Wirbel doch nicht begegnet.

Am Donnerstag hatte ich in einer Klinik in Madrid noch einen Medical Check, auch da war wieder Fernsehen dabei, wie schon die meiste Zeit, auch im Privatflieger von Meta. Aber nicht, dass jemand durch die Bilder von mir im Cockpit denkt, dass ich jetzt schon selbst fliege - ich habe mir nur ein paar Sachen zeigen lassen. Helikopter bin ich allerdings schon mal selbst geflogen...

Training in Brasilien

Am Donnerstagabend ging es zurück nach London, dort habe ich am Freitag fast den ganzen Tag Interviewtermine. Nächste Woche Dienstag steht ein PR-Event für Hublot an, die auch Partner der Ayrton Senna Foundation ist. Dann werde ich erst mal wieder nach Brasilien fliegen und mein Fitnesstraining intensivieren. Ich fahre sehr viel Rad, so an die 240 Kilometer pro Woche, und dafür sind dort die Bedingungen doch besser als hier im europäischen, vor allem im englischen Winter.

Felipe Massa hat mich zu seinem Kartrennen Ende November eingeladen, und ich denke, ich werde auch mal vorbeischauen, aber fahren werde ich nicht. Das ist mir einfach zu gefährlich, dass ich mich verletzen könnte. Jetzt, mit dem neuen Vertrag in der Tasche, will ich nichts riskieren. Ich weiß nämlich ganz genau, wenn ich mitfahren würde, dann würde ich auch gewinnen wollen und richtig Gas geben und draufhalten - und das Risiko will ich nicht eingehen. Vielleicht werde ich später, im Januar, bevor die Formel-1-Tests Anfang Februar anfangen, ein bisschen Kart fahren, um die Reflexe zu schärfen, aber das ist etwas anderes gegenüber so einem Rennen mit Top-Konkurrenz.