Bruno, wie fühlt es sich an, wieder mal in einem Formelauto Platz zu nehmen?
Bruno Senna: Das ist schon ein gutes Gefühl. Ich habe es immer genossen - und so lange ist es ja auch noch nicht her. Es macht viel Spaß, die Formel-E-Autos zu fahren. Es ist schwierig sie am Limit zu bewegen und eine gute Rundenzeit zusammen zu bekommen, aber das ist bei Formelautos ganz normal.

Mal ehrlich: Ist die Formel E wirklich eine konkurrenzfähige Serie?
Bruno Senna: Wir haben die Rundenzeiten bei den Testfahrten gesehen und alle Fahrer lagen nah beisammen. Ganz klar: Das Fahrerfeld ist richtig stark in der Formel E. Wir haben Fahrer, die in meiner aktiven Zeit in der Formel 1 mit mir gekämpft haben. Es ist also das beste Grid, das man momentan finden kann. Sieben oder acht der Fahrer hier haben schon Meisterschaften gewonnen, und das ist mehr als bei den meisten anderen Meisterschaften.

Bruno Senna in seinem Formel E Boliden, Foto: Formel E
Bruno Senna in seinem Formel E Boliden, Foto: Formel E

Es gibt den Fanboost in der Formel E. Allein auf Twitter hast du rund 657.000 Fans. Ist das den anderen Fahrern gegenüber überhaupt fair?
Bruno Senna: Ich kann mich nicht beschweren. Es war ja nicht meine Idee. Sicherlich kann der Fanboost mir helfen. An einigen Stellen ist man jedoch beschränkt, wie viel Leistung man nutzen kann. In manchen Rennen kann man es an der falschen Stelle einsetzen und daher ist es kein gegebener Vorteil, sondern einer den man richtig nutzen muss. Der Fanboost ist vergleichbar mit Fans in einem Stadion. Das Heimteam hat immer einen gewissen Vorteil, denn es gibt mehr Zuschauer, die einen unterstützen.

Thema: Reifen. Es muss wohl das erste Mal sein, dass du Rennen nicht mit Slicks fährst. Fallen die Michelin-Reifen stark ab, oder halten die ewig?
Bruno Senna: Sie sind recht konstant. Sie haben einen kleinen Peak, bei den Tests in Donington waren es nur ein paar Runden. Auf den Straßenkursen werden es wohl mehr Runden, in denen die Reifen optimal arbeiten. Aber sobald sie einbrechen, sind sie nicht mehr so schnell wie vorher. Es ist mit diesem Auto auch deshalb so schwierig, weil die Reifen deutlich mehr Grip verlieren, wenn man über das Limit hinausgeht, als es mit Slicks der Fall ist. Man sieht viele Fahrer, die durch die Kurve rutschen, weil sie Autos mit mehr Leistung gewohnt sind. Es scheint zwar komisch, aber es liegt einfach daran, dass die Reifen am Limit so knifflig zu fahren sind.

Die Formel E Boliden haben keine Slickreifen, Foto: Formel E
Die Formel E Boliden haben keine Slickreifen, Foto: Formel E

Wäre es nicht sinnvoll gewesen, die Reifen auf einem echten Straßenkurs zu testen? Donington war ja keine richtige Referenz...
Bruno Senna: Wenn wir auf einem Straßenkurs getestet hätten, wäre es nützlicher gewesen - in Sachen Setup und sowas - aber so ist es nun mal. Wir hatten unsere Testfahrten nun mal in Donington und müssen jetzt einfach das Beste daraus machen.

Es wird also für alle eine große Überraschung in Peking?
Bruno Senna: Hoffentlich nicht für uns! Wir waren bei allen Sessions bisher in den Top-5.

Ist es schwierig sich an die ganze Elektronik im und am Auto zu gewöhnen?
Bruno Senna: Im Rennmodus ist es mehr wie ein normales Auto, denn man gibt einfach jede Runde Gas, auch wenn man die Rückgewinnung nutzt. Im Qualifying ist es aber ganz anders, da hat man einen Versuch und muss danach komplett Gas rausnehmen und sehr langsam fahren, bevor man dann wieder angreift. Bei einem normalen Rennauto kann man in der Aufwärmrunde die Reifen und Bremsen auf Temperatur bringen, während man hier eine feine Balance zwischen Temperatur der Reifen, Bremsen und der Elektronik finden muss.

Sind die hohen Temperaturen am Auto ein Problem?
Bruno Senna: Ja, die Temperaturen sind kritisch. Donington war jedoch eine ganz andere Strecke als die anderen Kurse im Rennkalender mit langen Geraden, die der Elektronik viel abverlangen. Dennoch müssen wir mit hohen Temperaturen klar kommen. Aber immerhin haben wir jetzt all diese Informationen und können schauen, wie wir das auf Strecken wie Peking optimal umsetzen.