Groß war der Jubel am Donnerstagabend in ganz Deutschland und ganz besonders in einem kleinen Fleckchen Erde in Frankreich, wo es ansonsten aus fußballerischer Sicht in diesen Tagen ja wenig Grund zur Freude gibt. Inmitten einer Kuhweide schlugen einige Hardcore-Deutschlandfans ihre geräumigen Zelte auf und luden zur Viertelfinalparty vor den Großbildfernseher. "Wir hatten den Vorteil, dass hier alle zusammenbleiben, weil man nichts anderes machen kann", freute sich Gastgeber Mario. "Deshalb herrschte eine tolle Atmosphäre bei uns, aber die Mannschaft hat sich auch massiv gesteigert gegenüber der Vorrunde und es hat Spaß gemacht zuzuschauen."

Schwarz-Rot-Gold ist die beherrschende Farbkombination in Frankreich., Foto: Sutton
Schwarz-Rot-Gold ist die beherrschende Farbkombination in Frankreich., Foto: Sutton

Vor allem für die jungen Landsleute war das etwas ganz Besonderes, denn sie hatten noch nicht oft die Möglichkeit, Erfolge der deutschen Mannschaft bei Europameisterschaften zu feiern. Für Sebastian war der Donnerstagabend sogar besser als der gesamte Freitag mit dem Freien Training in Magny Cours. "Unsere Mannschaft ist ins Halbfinale eingezogen, das letzte Mal hat sie das 1996 geschafft, danach ist sie auch Europameister geworden", begründete er die riesige Freude. Dadurch verkam sein Arbeitstag zur Nebensache, quasi zur schönsten Nebensache der schönsten Nebensache der Welt. Allerdings war es ja erst Freitag und da gehe es noch um nichts. Die KO-Runde beginnt für Sebastian und Konsorten erst am Samstagnachmittag. "Aus deutscher Sicht war der Donnerstag sicherlich erfolgreicher, aber vielleicht können wir das am Samstag und Sonntag ändern."

Auch Adrian, der eigentlich mit Fußball nicht so viel am Hut hat, hätte sich gerne den Jubelfeiern und Hupkonzerten angeschlossen, schließlich will jeder seiner schwarz-rot-geilen Freude freien Lauf lassen - so lange es noch geht. Doch es gab ein Problem: Adrian fand die Hupe nicht, er bremste, bremste und bremste, aber es hupte nicht - und die Bremse funktionierte auch nicht so, wie er es sich vorstellt. "Das war kein so toller Tag", sagte er trotz des riesigen EM-Enthusiasmus um ihn herum. "Mein Problem waren die Bremsen und die Reifen haben auch überhitzt." Aber so ein paar heiße Reifen sind doch schon mal ein Anfang für eine gescheite EM-Party...

Nick möchte die Torflaute beenden., Foto: Sutton
Nick möchte die Torflaute beenden., Foto: Sutton

So viel zur Jugend. Denn die erfahrenen, älteren Semester traten vorsichtshalber auf die Euphoriebremse. "Es ist noch zu früh für eine fundierte Einschätzung", sagte Nick, der zuletzt von einer Turflaute geplagt wurde. Schon am Donnerstagnachmittag hatte er vor dem Spiel angekündigt: "Selbst wenn es hier gut laufen sollte, würde ich die Probleme der letzten Zeit nicht als abgehakt ansehen - dafür würde mir ein Wochenende als Beweis nicht reichen." Trotzdem wurde Nick am Freitagnachmittag mit einem Deutschland-Schal in der Box gesichtet. Die Formkurve zeigt nach oben.

Auch Starmittelfeldmann Nico war nicht allzu euphorisch, zumal er vorbelastet in die nächste Runde geht: ihm hängt noch eine Strafe vom letzten Match nach. "Wir waren am Nachmittag recht konkurrenzfähig und können mit der Leistung zufrieden sein", sagte er. Ganz glücklich ist er aber nicht, schließlich ist seine Vorfreude durch die Strafe getrübt. "Meine Strategie ist hier viel wichtiger als normal, also könnte ich gezwungen sein, meine Pace im Qualifying dafür zu opfern, um das mit einzubeziehen." Dann hoffen wir mal, dass er sich bei der Taktik nicht vercoacht. Aber Jogi hat ja bewiesen, dass man auch mit Strafen gewinnen kann...

Wie schnell der Schuss nach hinten losgehen kann, erlebte Timo am eigenen Leib. Natürlich wurde auch er von der schwarz-rot-goldenen Euphoriewelle erfasst, doch irgendwie erwischte er die falschen Schlappen. Die Stollen griffen nicht in den Rasen und so schlitterte er nur so über das rutschige Geläuf. "Das war ein schwieriger Beginn", lautete Timos Zwischenfazit. "Die Reifen funktionierten einfach nicht, das machte es sehr schwierig. Ich konnte auf der ersten Runde nicht alles herausholen und danach hatte ich massives Graining und die Zeiten fielen stark ab." Bis zum Halbfinale ist allerdings noch etwas Zeit, um im Training an den Standardsituationen zu feilen.