Wer es vorher noch nicht tat - spätestens seit dem Sonntag von Montreal muss er es tun: BMW-Sauber und Robert Kubica als einen ernsthaften Rivalen im WM-Titelkampf 2008 ansehen. Was inzwischen sowohl Ferrari als auch McLaren anscheinend durchaus tun - Weltmeister Kimi Räikkönen brachte es auf den Punkt: "Sie haben nicht das allerschnellste Auto - aber die Konstanz, mit der sie punkten und immer dann da sind, wenn wir anderen Fehler machen, ist beeindruckend und macht sie zu wirklichen Titelkandidaten."

Die Perfektion, sich im Gegensatz zu den anderen WM-Kandidaten vor allem keine unnötigen Pleiten und Dummheiten zu erlauben, ist tatsächlich eindrucksvoll - sowohl von Team- als auch von Fahrerseite. Hamilton, Räikkönen und Massa, Robert Kubicas WM-Konkurrenten, leisteten sich in dieser Saison jeder bereits mindestens zwei dicke Fehler, durch die sie Rennen wegwarfen. Massa patzte in Australien und Malaysia, Räikkönen ebenfalls beim Auftakt, dann in Monaco, Hamilton in Bahrain und jetzt in Kanada, in Monaco hatte er auch ein bisschen Glück, dass sein Leitplanken-Crash am Anfang letztlich unbestraft blieb. Dazu kommen gerade bei Ferrari Pannen wie die Motorschäden von Australien oder die defekte Tankanlage jetzt bei Massa, aber auch Fehler wie der zu spät montierte Reifen bei Räikkönen in Monaco, bei McLaren-Mercedes sieht diese Bilanz besser aus, aber nicht perfekt; vor allem Kovalainen erwischte es immer wieder: ein Felgendefekt in Barcelona und ein Elektronikproblem beim Start in Monaco.

Dass man auch in Montreal wieder ein bisschen Hilfe von der Konkurrenz bekam, streitet bei BMW niemand ab. "Es war sicher nicht schlecht für uns, dass nach dem ersten Stopp einige zur Seite gefahren sind, die wir vorne erwartet haben", schmunzelte Dr. Mario Theissen über die Boxengassen-Kollision zwischen Hamilton und Räikkönen. "Aber so ist es nun mal. Es geht nicht nur darum, dass schnellste Auto zu haben, man muss auch das Potenzial des Autos und Teams umsetzen."

Doppelsieg: Kubica und Heidfeld beschenkten BMW Sauber., Foto: Sutton
Doppelsieg: Kubica und Heidfeld beschenkten BMW Sauber., Foto: Sutton

Das tut die Truppe aus München und Hinwil im Moment perfekt - und perfekt war aus Teamsicht sicher auch die Entscheidung, Nick Heidfelds Strategie bei seinem ersten Boxenstopp von Zwei-Stopp auf Ein-Stopp umzustellen. So hatte man für den Fall der Fälle - ein erneutes Safety-Car vor Kubicas zweitem Stopp - zwei Eisen im Feuer. Dann hätte der Sieger eben Heidfeld geheißen - der die schwierige Aufgabe, 41 Runden mit den superweichen Reifen absolvieren zu müssen, dazu anfangs noch mit einem extrem schweren Auto, sehr gut meisterte.

Was auf den ersten Blick dabei aber unterging, auch weil Quick Nick öffentlich nicht darüber spekulierte - dazu ist er ein viel zu großer Teamplayer: Die richtige Teamstrategie unter den speziellen Montreal-Umständen, unter denen ein zweites Safety-Car ja eigentlich sehr wahrscheinlich war, kostete Heidfeld möglicherweise die Ehre, den ersten BMW-Sauber-Sieg der Geschichte zu holen. Eine genaue Analyse von Rennablauf und Rundenrunden lässt den Schluss zu: Mit einem kurzen Stopp in Runde 29, einer Spritmenge für etwa 20 Runden, wäre der Mönchengladbacher nicht nur vor seinem Teamkollegen, sondern wahrscheinlich sogar vor den beiden "Bremsern" namens Toyota wieder auf die Strecke gekommen - und zwar noch einmal mit den härteren Reifen und einem nicht besonders schweren Auto.

Und dass Heidfeld in Montreal im Rennen unter gleichen Bedingungen - gleiche Reifen, ähnliche Spritmengen, das Tempo von Kubica mindestens mitgehen konnte, zeigte sich schon im ersten Stint immer dann, wenn er frei fahren konnte... Auch BMW-Technikchef Willy Rampf bestätigte, dass die Rennleistung der beiden am Sonntag absolut auf gleichem Level lag. Das Vertrauen, dass auch das Qualifying-Problem bei Heidfeld bald - eventuell schon beim Testen in Barcelona in dieser Woche - in den Griff zu bekommen ist, hat man bei BMW auch. Und dass Heidfeld gerade unter Druck besonders stark ist, davon ist Rampf, der ihn ja nun schon seit vielen Jahren kennt, überzeugt.

Um auf den ursprünglichen Punkt zurückzukommen: Nicht nur Kubica, auch Nick Heidfeld passt genau in das Schema derer, die so gut wie keine unnötigen Fehler machen und im richtigen Moment ihre Chance nutzen. Und in der Konstrukteurs-WM liegt BMW-Sauber nur noch drei Punkte hinter Ferrari. Wenn das keine Perspektiven sind...