Auf einer Rennstrecke wie Monaco ein Formel 1-Rennen zu fahren gehört zu den hässlichen Dingen im Leben von Aerodynamikern, Mechanikern und auch vielen Fahrern. Da schiebt man Doppelschichten im Windkanal, um ein paar Tausendstel rauszuholen und dann geht ein blöder Gullydeckel auf, der einem die Karre kaputt macht. Da hat ein junger Pilot wie Adrian Sutil die einmalige Chance der Welt zu zeigen, dass sein Hintern zwischen den Leitplanken genauso sensibel ist wie der eines hoch bezahlten Ferrari-Piloten. Und dann kracht ihm der Weltmeister wie ein Anfänger ins Heck. Da leistet sich Nico Rosberg einen winzigen Fehler, der in Sepang oder Shanghai nur dem Dateningenieur am Telemetrie-Ausdruck aufgefallen wäre. Aber weil es Monaco ist, spielt Nico gnadenlos Ping Pong und muss ins Krankenhaus.

Flair wie in der guten alten Zeit: die F1 in Monaco., Foto: Sutton
Flair wie in der guten alten Zeit: die F1 in Monaco., Foto: Sutton

Man kann es relativ einfach auf den Punkt bringen: Jeder in der Formel 1 ist froh, wenn Monaco vorbei ist. Es ist der absolute Overkill. Während man auf anderen Rennstrecken mittlerweile in den Boxen locker Fußballspiele veranstalten könnte, musst Du in Monaco sogar beim Werkzeug sparen, das du in die Garage mitnimmst. Dauernd rennst du mit jemandem zusammen. Dauernd steigt dir einer auf die Zehen oder steht dir im Weg. Und wenn an so einem Ort dann ein Motorwechsel oder ein Getriebewechsel fällig ist, dann lernst du Stadtkurse richtig lieben.

Ich meine: Gut so! Mein Mitleid hält sich in Grenzen und der Formel 1-Fan hat mehrere Stadtrennen verdient. Bernie Ecclestone erfüllt mir heuer noch zwei Mal den Wunsch mit Valencia und Singapur. Und ehrlich gesagt kann ich es kaum erwarten. Das sind zwei echte neue Abenteuer. Ich hoffe, Herr Tilke nimmt's mir nicht übel. Bei aller Freude über aufregende Passagen wie die Kurve 8 in Istanbul oder die Schneckenkurve von Shanghai - die Aufregung darüber kann nur der Eingeweihteste nachempfinden. Für den Durchschnitts-Fan sind das Kurven wie jede andere auch. Aber wenn ein 800 PS-Bolide mit 200 Sachen an einem Juweliergeschäft vorbeiknattert, da schlägt das Herz höher. Die absolute Geschwindigkeit ist längst egal. Vor noch drei Jahren fuhren wir in Monza auf der Geraden über 370 km/h. Seit letztem Jahr sind es etwa 25 km/h weniger. Ist das irgendjemandem aufgefallen?

Singapur rüstet sich für den GP, einen Stadt-GP - in der Nacht., Foto: Sutton
Singapur rüstet sich für den GP, einen Stadt-GP - in der Nacht., Foto: Sutton

Ich habe schon einige Stadtrennen selbst miterlebt und kommentiert. Den Komfort, den moderne Rennstrecken bieten musste man freilich immer suchen. Vom Parkplatz bis zu den Toilettenanlagen, alles eher zweite Wahl. Und trotzdem waren es genau jene Orte, die sich ein Leben lang einprägen: Natürlich Monaco, wo du jedes Jahr nachher zwei Tage brauchst, um wieder normal hören zu können. Oder Pau, ein echter Klassiker. Montoya hat dort in der F3000 einmal in der dritten Runde begonnen, den Rest des Feldes zu überrunden!

Dann war da ein unglaubliches Wochenende in Cagliari auf Sardinien. Mein späterer Premiere Co-Kommentator Sven Heidfeld fuhr dort in der F3000. Ich glaube, er kriegt heute noch einen höheren Puls, wenn er daran zurück denkt. Nicht zu vergessen, die Champcar- und Indycar-Klassiker: Long Beach, San Jose, Surfers Paradise und so weiter. Alle diese Orte haben eines gemeinsam: Sie bringen den Faktor Mensch weit mehr heraus als eine normale Rennstrecke.

Mein Traum wäre eine Formel 1-Saison, die nach Rennstrecken gedrittelt wird. Ein Drittel klassische Rennstrecken, an denen der Zahn der Zeit nagt: Monza natürlich, Montreal mit seinen engen Mauern, Hockenheim (aber am liebsten wieder mit den langen Geraden im Wald). Dazu vielleicht ein paar Strecken, die man gemeinhin als "nicht F1-tauglich" einstuft: Zandvoort zum Beispiel oder Zolder, Brands Hatch, Suzuka.

Dazu sollte man ein paar der topmodernen Rennstrecken á la Istanbul oder Shanghai reinmischen. Damit hätten die ganzen Leute im Windkanal auch einen Arbeitsplatz. Für ein paar Rennen könnten die armen Formel 1-Millionäre dann gescheit parken, wären von allen Fans abgeschirmt und könnten in den Boxen so richtig ausspannen.

Lorenzo Bandini wurde das einzige Todesopfer in Monaco., Foto: Sutton
Lorenzo Bandini wurde das einzige Todesopfer in Monaco., Foto: Sutton

Und dann gehören fünf bis sechs Stadtkurse rein: Monaco, Valencia, Singapur ist ja mal ein guter Anfang. Aber da wären ja noch jede Menge anderer Ideen: London Trafalgar Square - was für ein Bild wäre das. Moskau am Roten Platz oder in Paris entlang der Champs Elysee. Ein paar Städte haben ja vorgezeigt, wie es gehen kann. Die DTM war in Helsinki ein Mega-Erfolg. Auf den Straßen von Shanghai hätte sie auch einer werden können, wenn nicht zu viele Gullydeckel auf einmal geflogen wären. Und sogar Bukarest hat ein ordentliches Rennwochenende auf die Beine gestellt.

Zwei Argumente sprechen immer gegen Rennen in der Stadt: Die Kosten und die Sicherheit. Beides zählt für mich nicht. Ich war selbst vor einigen Jahren in einer Arbeitsgruppe, die eine Rennserie in die Städte bringen wollte. Die Kosten für die Absperrungen und Zäune sowie Security zahlt jeder Formel 1-Rennstall aus der Portokasse. Vielmehr wird jeder Versuch, in einer Stadt zu fahren zu einem Politikum, weil man zwangsläufig irgendwann beim Bürgermeister und den Stadträten landet, die naturgemäß immer eine Gegenpartei haben, die ihnen den Erfolg nicht gönnt. Und so was kann ein Bernie Ecclestone schon gar nicht haben.

Und zur Sicherheit: Meines Wissens ist in Monaco in über 50 Jahren ein einziger Fahrer - nämlich Lorenzo Bandini 1967 - tödlich verunglückt. Die geringere Höchstgeschwindigkeit hat da durchaus ihr Gutes. Und ehrlich gesagt, wenn man in Monaco Formel 1 fahren, dann kann man es überall sonst auf der Welt genau so.