Es ist vorbei. Ron Dennis läuft zwischen dem Daimler Reitwagen, der Daimler Motorkutsche und dem Motorboot "Marie" hin und her; das Mobiltelefon ganz nah am Ohr. Die Aufräum- und Abbauarbeiten haben schon längst begonnen. Der Druck ist vorerst von ihm gewichen. Selbst in der Winterpause und sogar im neuen Jahr wurde Ferrari nimmermüde zu betonen, dass McLaren einen Vorteil aus der Spionageaffäre gezogen habe, dass der Respekt vor den Silbernen verloren gegangen sei.

Dennis wollte davon nichts mehr hören oder sehen und schon gar nichts dazu sagen. Nach einer kurzen Begrüßungsrede beim Launch des neuen MP4-23 im Mercedes Museum in Stuttgart gab er nur ungern Interviews, war für die offiziellen Pressekonferenzen erst gar nicht eingeplant. "Wir blicken nach vorne, leben nicht in der Vergangenheit", blockte er ab. Vor einem Jahr hatte ein Anderer die Begrüßungsworte gesprochen, sein neues Team, sein neues Auto der Öffentlichkeit vorgestellt. Zu ihm wollte Dennis ebenso wenig etwas sagen wie zum Thema Copyshops.

Umgeben von der Mercedes-Tradition des späten 19. Jahrhunderts kann Dennis am Montagabend aufatmen. Der erste Tag der neuen Saison ist überstanden. Drei Stunden vorher und acht Etagen tiefer präsentierte sein Team die Moderne von McLaren Mercedes - den neuen Silberpfeil, der das schaffen soll, was seinem Vorgänger aus diversen Gründen verwehrt blieb. Er soll Ferrari schlagen.

Ferrari F2008

Der F2008 hat die erste Ausfahrt schon hinter sich., Foto: Moy/Sutton
Der F2008 hat die erste Ausfahrt schon hinter sich., Foto: Moy/Sutton

Rückblende. Sonntagnachmittag, Maranello. Unbeeindruckt vom Stau auf den italienischen Zufahrtsstraßen eröffnet das Weltmeisterteam die Saison 2007. Als erster Rennstall präsentiert Ferrari ein F1-Auto der 2008er Generation, das allerdings seinem Vorgänger der 2007er Generation zum Verwechseln ähnlich sieht. Daran ändern auch die schlankeren Seitenkästen und der etwas kürzere Radstand nichts. "Aber die Aerodynamik wird gänzlich anders", betont Technikchef Aldo Costa. "Allerdings verwenden wir hier noch die alten Front- und Heckflügel. Das Auto wird bis zum ersten Rennen jedoch komplett überarbeitet." Wie üblich halten die Teams ihre wahren Innovationen, so es denn welche geben sollte, noch in der Hinterhand.

"Der erste Eindruck ist gut, aber ein neuer Ferrari ist immer wunderschön und beeindruckend", warnt Felipe Massa. "Das Wichtigste ist nicht die Schönheit, sondern die Performance und Zuverlässigkeit." Dennoch ist auch Michael Schumacher vom neuen roten Renner angetan. "Das Auto sieht schön, aber schon optisch auch schnell aus", sagt der Rekordweltmeister. "Mal schauen, ob sich der erste Eindruck dann auch bestätigt."

Kimi Räikkönen ist nach dem Roll-Out zufrieden. "Momentan können wir nicht viel verbessern", freut er sich. "Es gab noch einige Probleme, aber der erste Eindruck war ziemlich gut." Das erste Rennen des Jahres hat Ferrari damit gewonnen - jenes um die erste Präsentation. Diese Niederlage steckt Norbert Haug gelassen weg. "Es ist wichtiger, bei der Addition nach der Saison Erster zu sein als bei der Präsentation vor der Saison." Selbst Ron Dennis sieht diesen zweiten Platz wohl nicht als ersten Verlierer an.

McLaren Mercedes MP4-23

Montagnachmittag. Um exakt 14:23 Uhr durchbricht der neue MP4-23 den schwarzen Vorhang und wird im Blitzlichtgewitter von drei voll verkleideten Mechanikern auf die Bühne gerollt - und das auch noch am 23. Geburtstag von Lewis Hamilton. Da kann man auch über einen Denkfehler von Dennis hinwegsehen, der meint, dass Hamilton auch noch die Startnummer 23 trage; die gehört zwar auch einem McLaren-Piloten, allerdings Heikki Kovalainen.

Auch der MP4-23 ist erst der erste Schritt zu weiteren Verbesserungen., Foto: Sutton
Auch der MP4-23 ist erst der erste Schritt zu weiteren Verbesserungen., Foto: Sutton

Egal ob 22 oder 23: noch sieht Hamilton den neuen Silberpfeil nicht als sein schönstes Geburtstagsgeschenk an. "In meinem Vertrag steht nicht drin, dass ich das Auto behalten darf - aber ich arbeite daran", scherzt er. Wenn er mit diesem Auto der jüngste Weltmeister aller Zeiten werden sollte, dürfte der MP4-23 auch dann noch sein schönstes Geschenk bleiben, wenn er ihn nicht in die heimische Garage stellen darf.

"Wir wissen, dass das Auto schneller ist als jenes vom Brasilien GP letztes Jahr", wähnt Martin Whitmarsh sein Team auf dem richtigen Weg. "Aber wir wissen auch, dass es langsamer ist als das Auto, das wir nach Australien schicken werden." Weil auch die Konkurrenz nicht schläft und das Auto weiter verbessert, hofft er, dass sie nicht so stark zulegen wie McLaren. "Das Auto wird in Australien nicht genauso aussehen", echot er die Worte von Aldo Costa. "Es steckt noch viel Performance drin."

Mit dem neuen Auto geht McLaren den entgegen gesetzten Weg zu Ferrari. Man verlängerte den Radstand. Die Fahrzeugnase wurde etwas gerader, die Verkleidung sieht aufgeräumter aus. Daimler-Vorstand Dr. Zetsche erwartet viel vom neuen Boliden. "Lewis has already publicly promised to bring home the bacon in 2008." Lewis habe schon öffentlich versprochen, den Schinken 2008 nach hause zu bringen, also Ferrari den Fahrer- und Konstrukteursschinken zu entreißen. Ferrari vs. McLaren. Es hat begonnen.