Nach den großen Erfolgen der Vergangenheit, den WM-Titeln durch Emerson Fittipaldi, Nelson Piquet und natürlich Ayrton Senna, spielten die Brasilianer im Fahrerlager in den letzten Jahren eine eher untergeordnete Rolle. Rubens Barrichello konnte nie an die großen Erfolge seiner Vorgänger anknüpfen, es blieb bei immer neuen vollmundigen Ankündigungen - gerade in seinen Ferrari-Jahren. Mit dem Ergebnis, dass das Witze reißen über "Rubinho" in Brasilien schon zum Volkssport wurde, von "Badeschlappen" bis "Schidkröte" wurden ihm aus Enttäuschung alle möglichen Spitznamen angehängt.

Brasiliens Sieger Nummer 1: Felipe Massa, Foto: Sutton
Brasiliens Sieger Nummer 1: Felipe Massa, Foto: Sutton

Aber jetzt, in Barcelona, feierte die brasilianische Kolonie in der Formel 1 ihr ganz großes Wochenende, quasi eine Auferstehung, einen Grand Prix, der ihnen allen, von den Fahrern bis zu Journalisten, Hoffnung macht, in der Zukunft wieder an die großen alten Zeiten anknüpfen zu können. Mit Felipe Massa erst einmal, der seinen zweiten Erfolg hintereinander holte, im Ferrari-internen Duell gegen Kimi Räikkönen jetzt die Führung übernahm und eindrucksvoll unterstrich, dass er in diesem Jahr wirklich ein sehr ernst zu nehmender Titelkandidat ist.

Ein WM-Titel von ihm, der erste für Brasilien seit dem dritten und letzten von Ayrton Senna 1991, würde die Formel-1-Begeisterung im Land von Fußball und Karneval sicher wieder zumindest in die Nähe der früheren Werte bringen. Dass Massa in letzter Zeit immer mehr Selbstbewusstsein entwickelt, was sich auch daran zeigte, wie er in Barcelona in der ersten Kurve Fernando Alonso Paroli bot, dass seine früher hohe Fehlerquote immer geringer wird, das nährte am Sonntag den Optimismus, dass es klappen könnte.

Begonnen hatte das brasilianische Wochenende in Barcelona freilich schon früher: Der überraschende, aber überzeugende Sieg von Bruno Senna im GP2-Rennen am Samstag war der ideale Auftakt - und für manchen altgedienten Formel-1-Gardisten, ob Christian Danner, Gerhard Berger oder den ehemaligen McLaren-Rennleiter Jo Ramirez, aus emotionalen Gründen sogar der Höhepunkt des Wochenendes. Wieder einen Senna, den Neffen von Ayrton, ganz oben auf dem Podium zu erleben, mit allen Anlagen, auch ein Großer zu werden, schon jetzt, nach nur zwei Wochenenden GP2 und in seiner erst dritten kompletten Saison im Rennsport überhaupt, das ging Danner "wirklich unter die Haut", trieb Ramirez Tränen in die Augen.

Brasiliens Sieger Nummer 2: , Foto: Sutton
Brasiliens Sieger Nummer 2: , Foto: Sutton

Bruno Sennas Weg in die Formel 1 scheint vorgezeichnet, nicht mehr das "ob", sondern nur noch das "wann" die Frage zu sein. Denn der 23-Jährige, der immer wieder betont, betonen muss, er selbst und nicht eine Kopie seines Onkels sein zu wollen, überzeugt schon heute nicht nur durch Speed, sondern durch Intelligenz, Ruhe und Abgeklärtheit, die bei seiner geringen Erfahrung selbst für das eigene Team überraschend sind - und nebenbei noch durch eine sehr sympathische Ausstrahlung, die viele auf Anhieb in ihren Bann zieht.

Das einzige Pech für die Brasilianer: Ausgerechnet zu Hause, in ihrem Heimatland, konnten die Erfolge von Massa und Senna an diesem Wochenende in den Medien weniger gewürdigt werden als sonst. Auch wenn zum Beispiel die größte Zeitung des Landes, der "Estado de Sao Paulo" am Samstagmittag nach dem Sieg von Bruno Senna noch blitzschnell die Andruck-Ausgabe änderte - zu einem Zeitpunkt, zu dem das eigentlich schon gar nicht mehr geht. Der Grund für die Einschränkungen: Der Papstbesuch in Brasilien erschlägt dort derzeit alle anderen Themen, es gibt wenig Platz in den Zeitungen, wenig Sendezeit. Selbst die zweite Hälfte des Grand Prix übertrug TV Globo heute nicht live, sondern nur zeitversetzt - angesichts des Massa-Sieges wurde aber die Übertragung der Papstmesse schon während des letzten Segens auf die Schnelle abgebrochen, um das Ende des Rennens nachzuliefern. "Aber das war eine Ausnahme, das wird an den nächsten Wochenenden nicht mehr so sein", sind die brasilianischen Kollegen überzeugt. Genauso wie davon, dass wahrscheinlich in Monaco auch die GP2 endlich live im TV zu sehen sein wird. Was bis jetzt nicht der Fall war - aber der öffentliche Druck wird immer größer.