Michael Schumacher hat sich von uns Journalisten am Donnerstag in Sao Paulo ungewöhnt herzlich verabschiedet. Er hielt im Anschluss an eine Pressekonferenz im Hotel Transamerica eine kurze Ansprache und bat um Nachsicht, wenn es in den letzten 15 Jahren mit ihm manchmal nicht ganz leicht war. Dann signierte er allen die Paddock-Pässe, sogar mit persönlicher Widmung.

Für meinen Geschmack eine nette Geste, die zum Beispiel Mika Häkkinen damals in Suzuka nicht gesetzt hat. Der war einfach weg. Wir konnten uns bis heute nicht ordentlich von ihm verabschieden. Ich lasse aber nicht unerwähnt, dass es mir deutlich lieber gewesen wäre, Michael wäre all die Jahre nett zu uns gewesen und hätte sich die Rede sparen können.

Warum wird sein Abgang die Formel 1 verändern? Michael ist in Wahrheit eine arme Sau. Man hat aus ihm ein Medien-Monster geschaffen. Einer in Deutschland hat damit angefangen und alle mussten nachziehen. Wahnsinn - der erste deutsche Sieger seit ewig, der erste deutsche Weltmeister, der erste Doppelweltmeister und so weiter. Irgendwann so um 1995 herum waren alle herkömmlichen medialen Superlative aufgebraucht. Dann wurde es schwierig. Wer konnte schon wissen, dass das noch 11 Jahre so gehen würde?

Interviews mit Michael - ein Thema für sich..., Foto: Sutton
Interviews mit Michael - ein Thema für sich..., Foto: Sutton

Der arme Kerl konnte jahrelang selbst im hermetisch abgeriegelten Fahrerlager nur im Laufschritt auf die Toilette rennen, um die sofortige Bildung einer Menschentraube zu vermeiden. Dass man seine Kinder da vor der Öffentlichkeit quasi versteckt ist nur zu verständlich. Als mein Kameramann mal durch einen dummen Zufall in Maranello seine Kids durch die Autoscheibe filmte - ohne zu wissen, wen er vor der Linse hatte - brach eine mittlere Panik bei seinem Betreuerstab aus. Sanfte Drohungen folgten. Das ist der Preis, den er und seine Familie für eine Popularität bezahlen, die über ein Jahrzehnt hunderte, wenn nicht tausende Jobs in Deutschland gesichert hat.

Dass ausgerechnet Boris Becker in Sao Paulo das letzte Interview für Premiere mit Michael führen durfte entbehrt nicht einer gewissen Komik. Um Michael vor's Mikro zu bekommen haben Zeitungen und TV-Stationen (RTL mal ausgenommen) alle Register ziehen müssen. Er hat sie alle so schnell aufgebraucht wie sonst nur seine Bridgestones: junge Reporter und alte, hübsche und weniger hübsche, gut und weniger gut informierte. Schumi-Interviews waren die ultimative Challenge. Ein echter Schlechte-Laune-Macher. Also mussten zuletzt Leute mit Promi-Bonus ran. Wer könnte besser wissen als Boris Becker, wie es ist, wenn der Medien-Molloch deine Seele aufzufressen beginnt. Schumacher hat uns allen den öffentlichen Fall eines Champions erspart. Danke und Respekt dafür.

Managergehabe & Starallüren

Die Formel 1 ist drauf und dran, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Michael Schumacher hat die Gagen in astronomische Höhen getrieben. Dass die Generation der Fisichellas, Trullis, Barrichellos, Ralf Schumachers oder Irvines ebenso mit Traumgagen überschüttet wurden hat den Sport vom Fan entfernt. Hofstaat-Gehabe, Manager-Geschwader und Allüren von Durchschnittsfahrern ohne Charisma und Sympathiewerten ebenso.

Doch die Zukunft der Formel 1 hat längst begonnen. Fernando Alonso ist im Vergleich dazu ein Weltmeister zum Diskonttarif. Massa verbreitet in Brasilien ein Feuer der Euphorie, das man dort seit Sennas Zeiten nicht mehr erlebt hat. Falls es Euch interessiert: er hat sich sein Appartement in Sao Paulo wie in all den Jahren auch diesmal mit seinen brasilianischen Rennfahrer-Kumpels geteilt. Nur war er viel weniger daheim als bisher, hat mir Ricardo Mauricio (ex F3000-Kollege von Bernoldi) verraten. Robert Kubica lehrt seit August der Generation der ewigen Talente das Fürchten, ohne Rolex am Arm.

Die Zukunft ist schon da., Foto: Sutton
Die Zukunft ist schon da., Foto: Sutton

Sebastian Vettel hat alle Ansätze zum Medien-Darling: Witz, Eloquenz und er ist sauschnell. Auch er musste von Sao Paulo heimwärts 12 Stunden in der Economy Class sitzen. Und hat mir dabei verraten, wie sehr es ihn wundert, dass Menschen bei seiner Oma anrufen und ihr gratulieren, dass der Enkel nun Millionär ist.

Michael Ammermüller hat bei Red Bull Racing mit seiner bodenständigen Art in kürzester Zeit die Herzen des Teams gewonnen. Zu allen Tests reiste er völlig alleine an - ohne Manager, ohne Privat-Pausenclown, ohne Helm- und Kofferträger. Bei seinen drei Freitagseinsätzen dasselbe Bild: die vom Team reservierten Zimmer blieben leer. Am Anfang kannte sich keiner so richtig aus, ehrlich!

Von den Formel 1-Machern wird seit Jahren über die falschen Themen diskutiert. Grauzonen in technischen Schaltplänen werden zu monatelangen Staatsaffären. Dabei interessiert uns alle doch viel mehr: Hat der Typ, der da drin sitzt was drauf? Und würde ich für ihn mein letztes Hemd hergeben oder ihm eher die Pest an den Hals wünschen? Und wie kommt der zu so einer Frau? Oder?

Alex Wurz hat mir gesagt: "Mach Dir keine Sorgen, es wird MEGA, was in Zukunft kommt." Wenn ich so in die Runde schaue, dann könnte er Recht haben. Sofern die werten Kollegen aus dem Kapitel Schumi die richtigen Lehren gezogen haben...