Flavio Briatore kann es gar nicht oft genug betonen: Renault besaß nicht das größte Budget, warf weder mit Geld noch mit Testkilometern um sich und holte trotzdem beide WM-Titel. Und das ausgerechnet gegen seinen Lieblingsrivalen Ron Dennis.

Dennoch wurde der doppelte Titelgewinn der Franzosen durch die ungewisse Zukunft des F1-Projekts überschattet. Die Aussagen von Konzernchef Carlos Ghosn halfen da auch nicht viel. Ihr Tenor lautete: Solange wir erfolgreich sind, zweifeln wir das F1-Engagement nicht an. Aber wehe wenn wir nicht mehr gewinnen...

Angesichts dieser unklaren Zukunftsperspektive erscheint der Sensationstransfer des letzten Dezembers nicht mehr so unverständlich, wie dies vielleicht in der Vorweihnachtswoche der Fall gewesen ist. Ob Fernando Alonso bei McLaren Mercedes ab der Saison 2007 besser dran ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Vorerst zählt jedoch nur die Saison 2006. Und da stehen die Zeichen auf Titelverteidigung.

Der R26 wusste auf Anhieb zu überzeugen., Foto: Sutton
Der R26 wusste auf Anhieb zu überzeugen., Foto: Sutton

Das Team Jean Todt sagte es schon immer: Die Mitarbeiter der Besten sind immer begehrt. Vor diesem Hintergrund ist es gar nicht mehr so seltsam, dass im Winter etliche Zelte in Woking und Enstone abgebrochen wurden. Überraschender war hingegen, dass sie nicht weit entfernt in Milton Keynes wieder aufgebaut wurden. Flavio Briatore war über die Einkaufstour von Red Bull Boss Dietrich Mateschitz sogar so verärgert, dass er RBR den im Vorjahr gewonnenen Respekt und Ruf dadurch verspielen sah. Nichtsdestotrotz stellt Renault auch 2006 eine schlagkräftige Truppe, deren Führungsspitzen sowohl in der Motorenabteilung in Viry-Châtillon als auch im Chassiswerk in Enstone zusammengeblieben sind. Bei Renault setzt man auf Kontinuität.

Die Tests Als Technikchef Bob Bell im Dezember verkündete, dass man kein Interimsauto mit dem neuen V8-Motor bauen werde, da dies reine Geldverschwendung sei, wurde Renault belächelt und alle sagten, dass sie deshalb unter Umständen große Zuverlässigkeits- und/oder Performanceprobleme bekommen könnten. Als dann Anfang Januar der R26 debütierte, brachte er die Zweifler auf Anhieb zum Verstummen. Das Auto war aus der Box zuverlässig und schnell. Das einzige nennenswerte Problem gab es am Heckflügel. Aber auch dieses konnten die Ingenieure innerhalb weniger Tage lösen.

Fisichella peilt den Titel an. Alonso möchte ihn verteidigen., Foto: Sutton
Fisichella peilt den Titel an. Alonso möchte ihn verteidigen., Foto: Sutton

Das Auto Allgemein betrachtet stellt der R26 eine kontinuierliche Weiterentwicklung seines weltmeisterlichen Vorgängers dar. Allerdings ist das neue Auto laut übereinstimmender Aussagen beider Fahrer fahrbarer und einfach besser. Was kann man sich als Fahrer mehr wünschen? Zum Beispiel ein zuverlässiges Auto...

Der Motor Aber auch bei der Standfestigkeit erwies sich der R26 samt des neuen RS26-Motors, allen Unkenrufen der Experten und Konkurrenten zum Trotz, als extrem gut. Egal auf welcher Rennstrecke, egal bei welchen Bedingungen und egal mit welchem der drei Piloten am Steuer: Der R26 drehte seine Runden wie ein Uhrwerk und führte die Zeitenliste am Ende fast immer souverän an.

Die Fahrer Wer einen Weltmeister und einen mehrfachen GP-Sieger unter Vertrag hat, kann über seine Fahrerpaarung nicht meckern. Mit dem Rohdiamanten Heikki Kovalainen besitzt man zudem noch einen starken Fahrer in der Hinterhand, der im nächsten Jahr sogar einen der zwei Stammpiloten beerben dürfte.

Der Abgang von Fernando Alonso in Richtung McLaren Mercedes wird die Arbeit im Team kaum beeinträchtigen. Schließlich wollen alle im Team die Titelgewinne des Vorjahres wiederholen. Und das geht nur, wenn beide Fahrer das beste Material erhalten und die bestmöglichen Ergebnisse herausfahren.

Renault lag bei den Tests fast immer in Front., Foto: Sutton
Renault lag bei den Tests fast immer in Front., Foto: Sutton

Für Fernando Alonso dürfte demnach ein weiteres erfolgreiches Jahr anstehen. Bei Giancarlo Fisichella scheiden sich hingegen die Geister: Ist er nun gut genug Weltmeister zu werden oder nicht? Kann er Fernando Alonso schlagen oder doch nicht?

Für einzelne GP-Siege dürfte der Italiener allemal gut sein. Auch mehr als sein einzelner Triumph aus dem Vorjahr müsste 2006 machbar sein. Aber sein großes Ziel den WM-Titel zu attackieren, erscheint irgendwie unrealistisch. Alonso ist einfach der komplettere, schnellere, einfach bessere Fahrer. So wie Räikkönen gelegentlich gegen Montoya den Kürzeren ziehen wird, ist auch bei Alonso die ein oder andere Niederlage gegen Fisichella zu erwarten. Aber in der Endabrechnung wird der Spanier wieder vor Fisico stehen.

Die Prognose Ein schnelles und zuverlässiges Auto, zwei Spitzenfahrer, ein eingespieltes Team, begabte Techniker: Bei Renault scheint alles für eine weitere erfolgreiche, um nicht zu sagen weltmeisterliche, Saison gerüstet zu sein. Nur die dunklen Wolken über der gelb-blauen Zukunft drohen noch Ungemach an. Auf der sportlichen Seite scheint Renault nach den Wintertests dominanter als im Vorjahr zu sein. Dennoch warnte Alonso zu Recht, dass man sich nicht auf den Ergebnissen ausruhen dürfe. Denn dann würde die Konkurrenz schnell aufschließen. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass Wintertests eben doch nur Tests sind. Und bei Prognosen auf Grundlage von Testergebnissen hat sich schon so mancher fürchterlich vertan. Nichtsdestotrotz darf sich Renault als Wintertestweltmeister schon jetzt einen Titel anheften: Sie haben ihre Hausaufgaben am besten gemacht.

Die Team-Analysen im Überblick