Vor uns liegen 4,627 Kilometer grauer Asphalt. Der obligatorische Wind weht in den üblichen Böen über den gerade einmal ein Jahr alten Streckenbelag und die Sonne scheint, als ob es den Winter in der deutschen Heimat nicht geben würde.

Aber etwas scheint nicht zu stimmen: Das Fahrerlager ist wie leer gefegt. Statt der Motorhomes, Hospitalitys und Trucks des gesamten F1-Trosses, haben sich nur die unspektakulären weißen Trucks des BMW Sauber Teams ins Fahrerlager der Paradeteststrecke verirrt.

Besser als jeder Tyrrell-Sechsrad-Bolide., Foto: adrivo Sportpresse
Besser als jeder Tyrrell-Sechsrad-Bolide., Foto: adrivo Sportpresse

Das ist aber nicht der einzige ungewohnte Anblick. Die F1-erfahrenen BMW Sauber Mechaniker staunen nicht schlecht, als sich plötzlich ein dunkelblauer Reisebus langsam rollend den Weg durch das Fahrerlager bahnt. Der Fahrer des Doppeldeckerbusses umkurvt gekonnt die Motorhomes, lässt die ungläubig dreinblickenden, verwirrten Gesichter der Crewmitglieder links liegen und fühlt sich auch von einem widerspenstigen Absperrzaun am Ende des Paddock nicht gestört.

Endstation Circuit de Catalunya. Der Nick Heidfeld Fanclub ist angekommen! Wie in jedem Jahr haben sich über 70 Fanclub-Mitglieder auf den Weg nach Barcelona begeben, um dort ihr Idol zu treffen und Quick Nick bei der Saisonvorbereitung zu unterstützen.

Als Belohnung hält der BMW Sauber Pilot eine ganz besondere Überraschung für seine Anhänger parat: Wie vor drei Jahren dürfen Sie eine Runde auf dem Circuit de Catalunya drehen. Allerdings wird Nick diesmal nicht nur als Kommentator agieren. Er wird das Cockpit seines weißen F1.06 gegen den Fahrersitz des Schumann Reisen Busses eintauschen und selbst am Lenkrad des dunkelblauen Ungetüms Platz nehmen.

Dieses Erlebnis wäre den Fans aber beinahe durch die Lappen gegangen. Aufgrund eines Kommunikationsproblems im Boxenfunk beobachten Nick, sein Bruder Sven und die motorsport-magazin.com-Crew die erste Abfahrt des Busses mit leicht verdutzter Miene vom Dach der Boxengasse. So leicht lassen wir uns aber nicht austricksen!

Bitte einsteigen: Nick Heidfeld an seinem 1-Runden-Arbeitsplatz., Foto: adrivo Sportpresse
Bitte einsteigen: Nick Heidfeld an seinem 1-Runden-Arbeitsplatz., Foto: adrivo Sportpresse

Wenige Minuten später sitzt Nick auf dem Fahrersitz und macht sich mit den Armaturen seines neuen Arbeitsgerätes vertraut. Ein extra Seatfittung musste aus Zeitgründen entfallen.

Dann war es soweit: Langsam und etwas stotternd setzt sich der sechsrädrige Bolide in Bewegung. "Jetzt fahren wir auf die Strecke." Mit dieser klaren Aussage verlässt der Busfahrer und Reiseleiter in Personalunion die Boxengasse und beginnt seine erste Runde am Steuer eines Reisebusses.

"Links sieht man die weiße Linie, die man am Rennwochenende tunlichst nicht überfahren sollte." Da das Rennwochenende des Großen Preises von Spanien noch eine Weile hin ist, fährt Nick mutwillig darüber, um auf die Ideallinie zu gelangen. Die Strafe folgt auf dem Fuß: Allerdings nicht wie gewohnt in Form einer Drive Through Strafe, sondern durch die fehlende Traktion des Dreiachsers auf der rutschigen Fahrbahnbegrenzung.

Danach geht es an den erhöhten Randsteinen in der ersten Kurve vorbei und durch Turn 3, der laut Nick mit den neuen V8-Motoren "voll" gefahren wird. Im vollbesetzten Bus hält sich der Mönchengladbacher allerdings zurück und lässt die Tachonadel nicht über 30 km/h schnellen.

Entsprechend bleibt er auf seiner Busrunde auch von den extremen g-Kräften verschont, die sonst auf den Fahrer einwirken. "Das ist das Schreckliche an Barcelona: Die vielen schnellen, lang gezogenen Kurven beanspruchen die Nackenmuskulatur besonders stark."

Die Anforderungen an die Fahrer sind also enorm. Aber auch die Reifen haben es mit dem Streckenbelag nicht leicht. "Der Asphalt sieht jetzt etwas rauer aus", analysiert Nick, während er den Bus mit einer Hand am Lenkrad vorsichtig auf Kurs hält. "Am Anfang hat der Asphalt recht stark gespiegelt. Jetzt besitzt er deutlich weniger Grip."

Nick überprüfte die Radaufhängung auf ihre Zuverlässigkeit., Foto: adrivo Sportpresse
Nick überprüfte die Radaufhängung auf ihre Zuverlässigkeit., Foto: adrivo Sportpresse

Das führte dazu, dass die Reifen nicht mehr so stark abbauen. Stattdessen haben die Piloten jetzt vielmehr Probleme die Reifen bei kühlen Temperaturen am Morgen "auf Temperatur" zu bekommen.

Ein anderes Problem auf dem Circuit de Catalunya sind die Bodenwellen, die Quick Nick bei seiner Busfahrt aber nicht allzu sehr zu schaffen machen. "Im Bus spürt man die Bumps kaum, aber im Rennauto neigen die Reifen gerne zum Blockieren. Zudem kann man beim Einlenken das Heck verlieren und sich mit etwas Pech drehen."

Vor Kurve 7 erfährt Nick am eigenen Leib, wie schön ein Siebengang-Getriebe eines Formel 1 Boliden ist, das heutzutage bei vielen Rennställen sogar ohne Schaltverzögerung die Gänge wechselt. Im Bus muss er auf den Komfort einer Schaltwippe am Lenkrad verzichten und den langen Schalthebel mit aller Kraft in die richtige Position wuchten.

Aber Nick nimmt es mit Humor: "Das war jetzt der schnellste Schaltvorgang, den ich je gemacht habe", scherzt er über das Bordmikrofon. Doch noch nicht genug der Scherze: "Am Ausgang der Kurve kann man sehr viel von den Kerbs mitnehmen und sogar auf dem grünen Teil fahren", sagt er und lenkt den Bus gezielt über die Kerbs. "Das hört sich dann so an", fügt er nach dem Belastungstest für die Radaufhängung hinzu.

Kurz darauf lenkt er die Aufmerksamkeit seiner durchgeschüttelten Fahrgäste auf die Fahnen in Kurve 9, welche Aufschluss über die ständig wechselnden Windverhältnisse geben. "Der Wind verändert die Balance des Autos sehr stark. Momentan kommt er von vorne. Dadurch hat man ein bisschen mehr Abtrieb und kann vielleicht beim Einlenken etwas schneller fahren."

Nick hält den neuen Rundenrekord für Reisebusse., Foto: adrivo Sportpresse
Nick hält den neuen Rundenrekord für Reisebusse., Foto: adrivo Sportpresse

Wie schnell man mit vier Rädern fahren kann, demonstriert in diesem Moment Nicks Bruder Sven, der in einem BMW 116 in der neuen Fanclub Edition am Bus vorbei rast.

Der chancenlose Busfahrer biegt derweil gekonnt in die enge Boxeneinfahrt ab und beendet seine wohl langsamste Runde auf dem Circuit de Catalunya mit den Worten: "Das war eine Runde in Barcelona."

Die Lehre der zurückliegenden vier Komma sechs zwei sieben Kilometer ist eindeutig: Sollte Nick eines Tages keine Lust mehr darauf haben in einem F1-Boliden im Kreis zu fahren, steht ihm eine große Karriere als Reiseleiter bei Schumann Reisen ins Haus. Bevor es jedoch soweit kommt, heißt es für Nick zum nächsten Mal beim Spanien GP am 12. Mai: Nächster Halt - Circuit de Catalunya.