Michael Schumacher, Sebastian Vettel, Max Verstappen - eines haben diese mehrfachen Weltmeister gemeinsam: Ihre Helme wurden von Jens Munser lackiert. Über 45 Formel-1-Piloten hat Munser schon betreut. Wer in der Szene etwas auf sich und sein Helmdesign hält, der schickt seinen Kopfschutz zur Lackierung nach Salzgitter - also auch das Motorsport-Magazin.

1989 begann Munser damit, zunächst seine eigenen Motocross-Helme zu lackieren. 1993 gab der gelernte Funkelektroniker seine Arbeitsstelle bei Volkswagen auf und verschrieb sich komplett dem Helmdesign. Ende der 1990er-Jahre war der japanische Formel-1-Pilot Toranosuke Takagi auf der Suche nach einer Helm-Lackierung im Chrom-Design - und wurde im Norden Deutschlands fündig.

Bereits für Michael Schumachers Helme zeigte sich Jens Munser verantwortlich, Foto: Sutton
Bereits für Michael Schumachers Helme zeigte sich Jens Munser verantwortlich, Foto: Sutton

Als Michael Schumacher 2001 auf Schuberth-Helme wechselte, bekam Munser den Auftrag für die Lackierung. Munser erarbeitete sich im Fahrerlager einen Ruf, immer mehr Formel-1-Piloten griffen auf seine Dienste zurück. Inzwischen arbeiten zwölf Angestellte in seinem 'Paintshop'. Paintshop, so bezeichnet er seinen Arbeitsplatz.

"Atelier hört sich nach Künstler an", winkt er ab. "Als Künstler würde ich mich nicht bezeichnen. Ein Künstler denkt sich etwas aus und verkauft es dann. Wir machen Auftragsarbeit, wir fertigen etwas nach Vorstellungen eines anderen." Für die meisten ist das, was den Paintshop in Niedersachsen verlässt, sehr wohl Kunst. Munser ist zu bescheiden, um seine eigenen Werke als solche zu bezeichnen.

Bild Munser

Jens Munser: Von Schumacher über Vettel zu MSM

Auftragsarbeit ist ebenfalls eine maßlose Untertreibung. Munser ist in die meisten Helmdesigns sehr wohl involviert. Bei Michael Schumacher traute er sich zunächst nur dezent, Hand anzulegen. Änderungen am Design, das sich über die Jahre leicht veränderte, mussten mit dem Rekordweltmeister noch persönlich im Fahrerlager besprochen werden.

Bei Sebastian Vettel waren die Änderungen am Design und die Kommunikationsmethoden schon fortgeschrittener. Munser und Vettel strapazierten nicht nur die Datenverbindung mit Whatsapp-Fotos, sondern auch die Nerven der Regelhüter. Von 2015 bis 2019 erlaubte die FIA nur noch ein Helmdesign - wohl eine Reaktion auf Vettels ständig wechselnde Kopfbedeckung.

Eine Reaktion darauf ist auch unser Termin erst in diesem Jahr. Bereits 2020 zeichnete Munser bei Testfahrten in Barcelona die ersten Entwürfe des Motorsport-Magazin-Helms auf. Drei Jahre, etwa 60 Vettel-Helme und den Rücktritt des vierfachen Weltmeisters später, hat Munser Zeit für uns.

Jens Munser in seinem Painthsop für Formel-1-Helme
Jens Munser lackiert Formel-1-Helme mit höchster Sorgfalt, Foto: Motorsport-Magazin

Formel-1-Helme: Handwerkskunst bis ins kleinste Detail

Schuberth hat die Karbonschale, die später einmal unser Helm werden soll, bereits nach Salzgitter geschickt. Bevor die Grundlinien angezeichnet werden, wird der Helm in der Grundfarbe lackiert. In diesem Fall weiß. Dann kommen die Linien, die das Design in verschiedene Bereiche abtrennen. Die Bayern-Rauten kommen in den Deckel, das Motorsport-Magazin-Logo in den Ring, die Deutschland-Flagge in den großen Bereich darunter.

Der natürliche Feind des Helm-Lackierers ist die Krümmung. Bei den Linien ist das noch einfach. Munser hat sich drehbare Perückenköpfe gebaut, auf denen der Helm sitzt. So zieht er mit einem Höhenanreißer perfekte, horizontale Bleistift-Linien über den Helm, die später in mühsamer Arbeit wieder wegradiert werden müssen. Sie dienen nur als Hilfe, Linienbänder anzukleben.

Danach gilt es, die einzelnen Bereiche auszufüllen. Munser beginnt oben mit den Bayern-Rauten. Dazu geht es erstmals an den Plotter. In diesem Fall wird nur eine sogenannte Maskierfolie ausgeplottet. Munser kann das Muster der Rauten abziehen und auf den Helmdeckel kleben. Die Stellen, die blau lackiert werden sollen, bleiben leer. Jene Stellen, die weiß bleiben sollen, werden von den Rauten-Aufklebern bedeckt, die später wieder abgezogen werden.

Fingerspitzengefühl gefragt

Bevor es in die Lackierkammer geht, muss der Bereich unter dem Deckel großflächig abgeklebt und der richtige Blauton herausgesucht werden. Beim Auftragen mit der Lack-Pistole ist Erfahrung und Fingerspitzengefühl gefragt: "Wenn man das Blau zu stark aufträgt, kann es sehr dunkel werden. Ich muss aufpassen, dass es am Ende das bayerische Blau ergibt."

Jens Munser setzt Maß an für den Formel-1-Helm für Motorsport-Magazin.com
Bei Jens Munsers Beruf ist Fingerspitzengefühl gefragt, Foto: Motorsport-Magazin

Als Orientierung hilft das Bayerische Staatswappen, das an der Stirn sitzt. Das Staatswappen ist zu filigran, um es zu lackieren. Ein Drucker bringt kleine, komplexe Grafiken auf Folien, die dann auf dem Helm angebracht werden. "Je größer die Fläche, desto eher wird es lackiert", erklärt Munser.

Damit er nach dem ersten Lackier-Vorgang schnell weiterarbeiten kann, kommt der Helm bei 50 Grad in einen Ofen, damit sich die Lösemittel des Lacks schneller verflüchtigen. Nach der ersten Runde Lackieren geht es an den Computer. Es gilt, die richtige Größe für das Motorsport-Magazin-Logo auszuwählen.

Je nach Größe, muss die Krümmung entsprechend gewählt werden. Ein gerades Logo wäre auf der Helm-Kugel verzerrt. Elf Zentimeter sollen es hier werden, bestimmt von der Optik, nicht von Sponsoren-Millionen, wie bei Max Verstappen und Co. Den Rest erledigt der Plotter. Diesmal bleibt die hauchdünne Folie aber auf dem Helm, lackiert wird hier nichts.

Schumacher-Gelb und Red-Bull-Rot

Die Deutschland-Fahne hingegen wird wieder mit der Lack-Pistole aufgetragen. Dafür müssen die Linien abgeklebt werden. Weil die Farben nicht in rechteckigen Feldern verlaufen, muss bei den Linien wieder der Plotter aushelfen. Diesmal kommt wieder Maskierfolie zum Einsatz, die nicht auf dem Helm bleibt. Als erste Farbe wird gelb lackiert. Eigentlich heißt der Farbton 'Sonnenblumen-Gelb'. Weil Munser diesen Gelbton für die Deutschland-Flagge auf Michael Schumachers Helm hernahm, heißt die Farbe bei ihm nun Schumacher-Gelb.

Nach der Trocken-Phase wird der gelbe Bereich abgeklebt und das Mittelstück für die rote Schicht vom Malerklebeband befreit. Während Schumacher beim Rot gerne auf Neon-Farben zurückgriff, kommt hier Red-Bull-Rot zum Einsatz. "Aber das ist der Rot-Ton, der vor dem Wechsel auf die dunkelblaue Red-Bull-Lackierung verwendet wurde", weiß Munser.

Jens Munser lackiert den Formel-1-Helm für Motorsport-Magazin.com
Jens Munser hat seine ganz eigenen Bezeichnungen für verwendete Farben, Foto: Motorsport-Magazin

Es folgen wieder Trocknen und Abkleben, dann kann schwarz aufgetragen werden. Die Reihenfolge ist nicht unwesentlich, weil die schmalen Linien zwischen den Farbfeldern teilweise überlackiert werden. Rot deckt gut auf Gelb, Schwarz wiederum deckt gut auf Rot.

Kampf um jedes Gramm Gewicht

Für kleinere Lack-Aufgaben muss Munser nicht in die Lackierkammer. Die roten und grünen Linien, die über Kinn und Nacken verlaufen, lackiert er mit einer Mini-Lack-Pistole direkt an seinem Arbeitsplatz. Dort werden auch das Schuberth-Logo und der Name angebracht. Beide wurden aus schwarzer, respektive goldener Folie geplottet.

Doch damit ist der Helm noch längst nicht fertig. Munsers geschultes Auge sieht überall Kleinigkeiten, die dem normalen Betrachter nicht auffallen. Es sind diese Details, die dafür sorgen, dass eine Helmlackierung mehrere Tage in Anspruch nehmen kann. Paretoprinzip, nennt sich das Phänomen: Die letzten 20 Prozent Qualität kosten 80 Prozent der Zeit. Deshalb kann eine besonders komplexe Helmlackierung bis zu mehreren tausend Euro kosten.

Jens Munser arbeitet am Formel-1-Helm für Motorsport-Magazin.com
Jens Munser beäugt konzentriert das Ergebnis seiner Arbeit, Foto: Motorsport-Magazin

Weil sich das nicht jeder leisten kann, bringt Munser nun auch eine eigene Modekollektion auf den Markt. Wer mag, kann sich dann Shirts, Caps und Co. mit dem bekannten JMD-Logo für deutlich weniger Geld kaufen. Wenn Munser mit dem Finish zufrieden ist, kommt eine schützende Schicht Klarlack über das fertige Design. Zu viel Schutzschicht kostet aber Gewicht. Zwischen 50 und 70 Gramm wiegt eine normale Lackierung. Wird es mit Glitzer und Chrom komplexer, dringt das Gewicht in Sphären einer Tafel Schokolade vor.

Der Kampf um jedes Gramm hört beim Fahrer-Equipment nicht auf. Munser fertigte für Michael Schumacher schon Lackierungen an, die nur 25 Gramm wogen. "Die hielten dann aber auch nur ein bis zwei Rennen", erinnert er sich. Weil Schuberths SF1-Pro lediglich 1,25 Kilo wiegt, zählt bei der Lackierung erst recht jedes Gramm. Der Klarlack härtet in einem speziellen Raum aus - wie genau, das ist Munsers Betriebsgeheimnis.

Jens Munser und Christian Menath mit dem Formel-1-Helm für Motorsport-Magazin.com
Jens Munser übergibt Christian Menath den fertig lackierten Helm, Foto: Motorsport-Magazin

Sven Krieter: Jahrzehntelange Erfahrung mit F1-Helmen

Mit der fertig lackierten Helmschale geht es nach zwei Tagen ins rund 100 Kilometer entfernte Magdeburg. Dort werden Motorradhelme hergestellt und die Formel-1-Helme aufgebaut. Karbonschalen und schussfeste Visiere werden für den deutschen Helmhersteller in Italien gefertigt. In Magdeburg kümmern sich Sven Krieter und eine Kollegin um den Zusammenbau der Profi-Helme.

Krieter ist seit 2004 fester Bestandteil des Formel-1-Fahrerlagers. Er kümmert sich vor Ort darum, dass seine Piloten stets einen perfekt präparierten Helm vorfinden. Aus dem aktuellen Fahrerfeld setzen Weltmeister Max Verstappen, Sergio Perez und Nico Hülkenberg auf Schuberth-Helme.

Sven Krieter mit dem für Motorsport-Magazin.com hergestellten Formel-1-Helm
Krieter ist seit fast 20 Jahren Teil des Formel-1-Paddocks, Foto: Motorsport-Magazin

Angefangen hat alles im Jahr 2000, als der deutsche Hersteller mit Nick Heidfeld in die Formel 1 einstieg. Schon ein Jahr später wechselte Michael Schumacher zum deutschen Fabrikat, ab 2005 wurde er von Krieter betreut. Der Rekordweltmeister war der anspruchsvollste Pilot, den Krieter betreut hat. "Er wusste genau, was er wollte", erinnert sich der 47-Jährige.

Im Büro in den Werkshallen stehen zahlreiche Exemplare der Schumacher-Helme, profan einsortiert in Kallax-Regale: Formel-1-Helme, Motorrad-Helme, Prototypen. Jeder einzelne davon ein kleines Vermögen wert. Daneben reihen sich die Weltmeister-Helme von Max Verstappen und die ehemaligen Haas-Kopfbedeckungen von Mick Schumacher ein.

Zahlreiche Individualisierungsmöglichkeiten

Klar, dass Formel-1-Fahrer keinen Helm von der Stange haben. Während die Außenschale für alle Größen homologiert ist, wird das Innenleben individuell angepasst. "Michael wollte seinen Helm immer festsitzend", erklärt Krieter bei der Anpassung unseres Helmes. Für den Flirt mit den Gridgirls eine weniger erfolgsversprechende Variante, wie sich beim Blick in den Spiegel zeigt. Die Anpassung dauert, es geht hin und her. "Man darf immer nur eine Sache ändern, sonst weiß man nicht, was genau die Änderung bewirkt hat", wirft der geduldige Spezialist ein.

Er hat recht: Eine Änderung an der einen Stelle zieht ein anderes Tragegefühl an einer ganz anderen Stelle nach sich, weil der Helm anders aufliegt. Zahlreiche Individualisierungsmöglichkeiten hat Krieter im Angebot, für jede Stelle im Helm gibt es unterschiedlich dicke Pads. Sollte man auch so nicht millimetergenau an die Kopf-Form herankommen, schneidet er die Einlagen so lange zurecht, bis alles passt.

Die Auswahl der Innenausstattung erfolgt an einem baugleichen Probierhelm. Unser Helm muss erst noch aufgebaut werden. Damit alles reproduziert werden kann, wird jedes Detail auf einem Datenblatt festgehalten.

Jeder Schritt wird protokolliert

Auf der Rückseite des Datenblatts findet sich eine Checkliste wieder. Ein Helm besteht aus zahlreichen Einzelteilen. Damit nichts vergessen wird, jede Schraube fest sitzt und jeder Clip auch nachverfolgt werden kann, wird darauf der Zusammenbau genau protokolliert. Geschraubt, geklebt und geschnitten wird nicht im Büro, sondern in der Werkstatt.

Der Motorsport-Magazin-Helm wurde schon vorbereitet zum Lackierer geschickt, Styropor-Schale und Gewinde für die HANS-Befestigung waren bereits eingeklebt. Krieter beginnt damit, die Dichtungen zu verkleben. Damit die Karbonschale an der Unterseite nicht mehr so scharfkantig ist, wird ringsum eine Dichtung als Abschlussleiste angebracht.

Sven Krieter arbeitet am Formel-1-Helm für Motorsport-Magazin.com
Sven Krieter verklebt mit Präzision den MSM-Helm, Foto: Motorsport-Magazin

Beim Visierausschnitt wird die Dichtung auch ihrem Namen gerecht: Dort liegt das Visier dann so gut an, dass keine Luft durchzieht. Das Verkleben erfordert Präzision: Wird zu viel Kleber aufgetragen, kann nur noch der Lackierer dabei helfen, die Stelle auszubessern. In diesem Fall muss Jens Munser nicht nacharbeiten.

Endergebnis nach 3,5 Stunden

Nach und nach finden die Teile ihren Weg an den Helm: Die Visiermechanik wird angeschraubt, die entsprechenden Dichtungen dazu verklebt, Lüftungsgitter samt Schutzfilz werden ebenfalls eingeklebt, das Kinnpolster eingesetzt, die Kinnriemen genietet. Für die richtige Ventilation im Helm sorgen zwölf Löcher in der Schale. Je nach Bedarf werden Töpfe für die Entlüftung oder Mini-Lufthutzen für die Belüftung eingesetzt.

Christian Menath und Sven Krieter im Büro in den Werkshallen in Magdeburg
Christian Menath und Sven Krieter vor dessen beeindruckender Sammlung an Helmen, Foto: Motorsport-Magazin

Formel-1-Piloten fahren meist mit Lufthutzen in den vorderen vier Löchern. Weil die Löcher beim Lackieren um Millimeterbruchteile verkleinert wurden, trägt Krieter den Lack dort vorsichtig ab, damit die Passung wieder stimmt. Gleiches gilt für die Verschraubung des Rastnockens. Dort rastet das Visier beim Schließen ein.

Auch beim Visier gibt es noch Individualisierungsmöglichkeiten: Neben Farbe und Tönungsgrad gibt es auch verschiedene Griffe am Verschluss. Das Öffnen des Visiers sieht leichter aus, als es ist. Deshalb gibt es ja nach Fingerfertigkeit unterschiedlich große Griffe. Nach rund 3,5 Stunden - ohne Anpassung - ist ein Helm komplett aufgebaut.

Der Helm von Christian Menath für Motorsport-Magazin.com
Das fertige Produkt: Der Formel-1-Helm für MSM, Foto: Motorsport-Magazin

Zum Abschluss gibt es nicht nur Kosmetik mit dem Schuberth-Logo auf das Helmpolster, sondern auch noch Funktion: Ohne die Homologierungs-Aufkleber auf Visier und Schale dürfte der Helm nicht eingesetzt werden. Bei Medien-Kartrennen drücken die technischen Kommissare vielleicht ein Auge zu, in der Formel 1 kennt die FIA keine Gnade. Perfektion und Lackierung von Jens Munser, Komfort und Sicherheit von Sven Krieter - da es nun nicht mehr an der Ausrüstung scheitert, wird es mit Ausreden bei Kartrennen langsam eng...

Dieser Artikel erschien in der Printausgabe des Motorsport-Magazins. Bestelle das Motorsport-Magazin direkt auf unserer Webseite oder verschenke es zu Weihnachten.